

Antibiotikaresistenzen
"Stille Pandemie" der resistenten Keime
Eine neue Agentur soll ökonomische Anreize auf europäischer Ebene so gestalten, dass eine ausreichende Zahl neuer Antibiotika entwickelt wird. Das schlägt die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina in einem aktuellen Policy Brief vor.
Im Diskussionspapier werden die jährlich rund 10.000 Todesfälle aufgrund von Antibiotikaresistenzen in Deutschland und schätzungsweise eine Million Tote weltweit als "stille Pandemie" eingestuft. "Die Kosten antimikrobieller Resistenz, ermittelt als zusätzlicher Aufwand im Gesundheitssystem, belaufen sich auf jährlich 1,1 Milliarden Euro", beziffert das Dokument den volkswirtschaftlichen Schaden weltweit.
Als "alarmierend" sieht das Autorenteam die Tatsache an, dass seit 1980 keine neuen Klassen an antimikrobiellen Medikamenten entwickelt worden seien, sondern hauptsächlich veränderte Varianten von bekannten Antibiotika. Das Problem verschärfe sich zusehends. "Eine besondere Dringlichkeit ergibt sich daraus, dass mit dem Desinteresse der Industrie auch zunehmend die wissenschaftliche Expertise verschwindet", erläutern sie.
Die Entwicklung neuer Antibiotika sei für Pharmaunternehmen nicht nur teuer und riskant, sondern durch den möglichst sparsamen Einsatz antimikrobieller Medikamente auch noch wenig rentabel. Daher schlagen der Wirtschaftswissenschaftler Professor Dietmar Harhoff, die Chemikerin und Virologin Professorin Helga Rübsamen-Schaeff und der Mikrobiologe Professor Axel A. Brakhage im Policy Brief gezielte Förderansätze vor.
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Einnahmegarantien, Prämien und Meilensteinzahlungen als Anreiz
Im Policy Brief heißt es, die Deutsche Antibiotika-Resistenzstrategie DART 2030 sei zwar ein sinnvoller Ansatz zur Minderung von Resistenzbildungen. Dieser ziele aber nicht primär auf die Entwicklung neuer antimikrobieller Wirkstoffe. Hierfür brauche es eine europäische Initiative mit Anreizen zur Wirkstoffentwicklung. Weltweit sollte demnach eine Zahl von 15 neuen Antibiotikaklassen angestrebt werden.
Zu den aufgeführten Anreizen gehört das Subskriptionsmodell, eine Art Abonnement-System, das dem entwickelnden Unternehmen jährliche Einnahmen garantiert. Dieses Modell biete sich auch an, um die Verfügbarkeit schon vorhandener Antibiotika weiterhin zu sichern, wenn eine Firma beispielsweise aufgrund geringer Profitabilität plane, ein Produkt einzustellen. Weitere Vorschläge sind Markteintrittsprämien für die erfolgreiche Einführung neuer Antibiotika und sogenannte Meilensteinzahlungen, die während des Entwicklungsprozesses finanzielle Sicherheit bieten sollen.
Nach Kostenmodellen der europäischen Behörde für die Krisenreaktion bei gesundheitlichen Notlagen („European Health Emergency Response Authority“ (HERA) von 2023 koste es über einen Zeitraum von zehn Jahren 200 bis 350 Millionen Euro pro Jahr, ein neues Antibiotikum auf den Markt zu bringen. Voraussetzung dafür sei, dass für die erste Phase klinischer Versuche ausreichend viele Freiwillige für die Tests gefunden würden.
Zur Umsetzung schlagen die Expertin und die beiden Experten die Gründung einer europäischen Agentur vor, zum Beispiel unter dem Dach der HERA. Sie empfehlen der deutschen Bundesregierung, sich mit anderen europäischen Partnern für die Gründung einer solchen Agentur einzusetzen und sie mit ausreichenden Mitteln auszustatten. Zudem gelte es, die Anstrengungen in der EU mit anderen Ländern zu koordinieren und bürokratische Hürden abzubauen.
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cva