Störer halten ein Plakat hoch im Hörsaal, in dem Bernd Lucker versucht, seine Vorlesung zu halten
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Debattenkultur
Streit um Lucke hält an

Die durch einen Tumult verhinderte Vorlesung von Bernd Lucke an der Uni Hamburg wirft die Frage auf: In welcher Form streitet man an einer Hochschule?

18.10.2019

Die studentischen Proteste im Hörsaal, die am Mittwoch eine Vorlesung des AfD-Gründers und Hochschullehrers Bernd Lucke massiv gestört haben, stoßen weiter auf Kritik. Nach dem Deutschen Hochschulverband (DHV) zeigte sich auch die Hochschulrektorenkonferenz (HKR) besorgt: "Hochschulen leben vom offenen Diskurs. Diesen Austausch zu verhindern ist der falsche Weg", sagte der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, Professor Peter-André Alt, der "Welt". "Wir müssen aushalten, dass auch Positionen vertreten werden, die wir selbst kritisch sehen."

Ähnlich äußerte sich Bundesforschungsministerin Anja Karliczek. Sie kritisierte das Verhalten der Studierenden und stellte klar, dass Hochschulen "Orte der freien Debatte" sein müssten, wie die "Welt" berichtete. Das Ringen um Positionen und das Hinterfragen von Thesen sei ein Wesenskern von Wissenschaft. "Debatten von vornherein zu unterdrücken widerspricht der Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit und ist auch kein wirksames Mittel gegen Populismus", so Karliczek.

Am Donnerstagnachmittag haben sich Lucke und drei Vertreter des AStA zu einem durch den Präsidenten der Universität Hamburg, Professor Dieter Lenzen, moderiertes Gespräch zu den Ereignissen im Hörsaal getroffen. Während des Gesprächs sei ein Einvernehmen über die Vorgänge im Hörsaal hergestellt worden, teilte der AStA mit. Deren Bewertungen gestalteten sich jedoch grundlegend unterschiedlich.

Die Studierendenvertretung wiederholte am Freitag, sie habe lediglich zu einer Kundgebung vor dem Hauptgebäude der Uni aufgerufen, um unter anderem auf die brisante politische Vergangenheit Luckes und dessen Tragweite hinzuweisen. Zu den Störungen im Hörsaal habe der AStA nicht aufgerufen. Dennoch hätten anwesende Mitglieder des AStA "alle Anstrengungen unternommen, um die Situation im Hörsaal zu beruhigen und die körperliche Unversehrtheit aller zu wahren". Gleichzeitig warf der AStA Lucke vor, mit dem Verbleiben im Hörsaal nicht zur Deeskalation beigetragen zu haben. Vielmehr habe er die Protestierenden durch sein Bleiben provoziert.

"Friedlicher Widerspruch muss ausgehalten werden"

Er habe weder zu einem Berufsverbot für Lucke aufgerufen, noch seine Freiheit der Wissenschaft in Frage gestellt, betonte der AStA. Mit ihrer Kundgebung wollten die Studierendenvertreter lediglich eine Debatte anstoßen, heißt es. Die Studierendenvertreter erklärten zudem, sie sähen "Beleidigungen und physische Gewalt nicht als probates Mittel der demokratischen Verständigung" und lehnten diese ab. Friedlicher Widerspruch und Ungehorsam müssten jedoch ausgehalten werden, sofern sie, wie in Luckes Fall, einem demokratischen Prozess zuträglich seien.

Unterdessen hat Lucke der Studierendenvertretung vorgeworfen, sie verkläre die Vorfälle. Der AStA entziehe sich seiner Verantwortung, indem er in grotesker Weise die Opfer zu Tätern mache, kritisierte Lucke am Samstag. Ein Gespräch nur mit den Vertretern des AStA sei auf dieser Basis nicht sinnvoll. "Wenn der AStA aber eine Veranstaltung organisiert, die für alle Studierenden geöffnet ist, werde ich gerne die Kritik des AStA widerlegen und allen Fragestellern Rede und Antwort stehen."

Die Hamburger Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank und der Präsident der Hamburger Universität Professor Dieter Lenzen hatten am Mittwoch zunächst eine diplomatische Stellungnahme veröffentlicht, in der sie von einer "diskursiven Auseinandersetzung" sprachen, die man aushalten müsse, ohne genauer auf die Ausschreitungen einzugehen. Am Donnerstag ergänzten die Universität und die Wissenschaftsbehörde ihre Aussagen und verurteilten das Verhalten der Studierenden. Es verletzte die Wissenschaftsfreiheit und die Regeln eines fairen Meinungsstreits an einer Hochschule.

Lucke ist nach mehrjähriger Beurlaubung zum Wintersemester als Professor für Makroökonomie an die Universität Hamburg zurückgekehrt. Am Mittwoch versuchte er vergeblich seine erste größere Vorlesung zu halten. Ein kleineres Seminar am Donnerstag fand ohne größere Zwischenfälle statt. Wie Luckes Lehrveranstaltungen künftig gewährleistet werden können, bespreche die Universität derzeit mit Politik und Behörden.

aktualisiert am 19.10.2019 um 8.54 Uhr

ckr/dpa