Ein paar Beine sind von oben zu sehen vor einer Linie auf dem Asphalt, die mit der US-Flage gezogen wurde als Symbol für verhinderte Einreise.
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USA
Regierung ordnet Visastopp und weitere Harvard-Sanktionen an

In US-Botschaften werden weltweit vorerst keine Visa an Studierende mehr vergeben. Für die Universität Harvard gilt das auch in Bezug auf Gastforschende.

02.06.2025

Personen aus dem Ausland, die beispielsweise als gastierende Studierende längere Zeit in den USA bleiben wollen, erhalten laut internationaler Medienberichte seit dem 28. Mai keinen Termin mehr für die notwendigen Visa-Anträge. Betroffen seien Visa der Kategorien F, M und J – sie gelten etwa für Studierende, Austauschschülerinnen und Austauschschüler sowie Au-pairs. Nur bereits vereinbarte Termine würden bestehen bleiben. In den kommenden Tagen solle es dazu weitere Anweisungen geben.

Das Außenministerium unter Marco Rubio wolle die Feeds der Kandidatinnen und Kandidaten in sozialen Medien strenger prüfen. Das und aktualisierte Anweisungen zu den Kontrollen gingen aus einer internen, von Minister Rubio unterzeichneten Mitteilung an Botschaften und Konsulate der USA hervor. Nach Angaben des Institute of International Education waren im Semester 2023/2024 mehr als 1,1 Millionen internationale Studierende an amerikanischen Colleges und Universitäten eingeschrieben. Frühere Social-Media-Prüfungen betrafen laut POLITICO US vor allem Studierende, die bereits an US-Universitäten eingeschrieben waren und sich an propalästinensischen Protesten beteiligt haben könnten. 

Kritik am Visa-Stopp aus Deutschland 

Der angekündigte Visa-Stopp hat unter anderem in Deutschland Kritik hervorgerufen. Ein Sprecher der Technischen Universität München (TUM) bezeichnete die angekündigten Visa-Beschränkungen auf Nachfrage des Bayerischen Rundfunks als "ausgesprochen bedauerliche Entwicklung". Viele Studierende hätten bereits fest mit einem Auslandsaufenthalt in den USA geplant und diese Planungen würden nun umgeworfen. 

"Die US-Regierung setzt damit eine Politik der Abschottung im Wissenschaftsbereich fort, die sich gegen internationale Kooperation und die Interessen vieler Hochschulen im eigenen Land richtet", äußerte sich der Präsident des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD), Professor Joybrato Mukherjee in einer Pressemitteilung vom 2. Juni. Der DAAD nehme mit großer Hochachtung wahr, wie US-amerikanische Hochschulen – darunter renommierte Institutionen wie Harvard – mit juristischen Mitteln gegen diese Maßnahmen vorgingen. "Wir unterstützen diese Bemühungen nachdrücklich und setzen weiterhin auf die Fähigkeit des amerikanischen Rechtsstaates und seiner unabhängigen Gerichte, die Forschungs- und Wissenschaftsfreiheit zu schützen." 

Vom Präsidenten des Deutschen Hochschulverbands, Professor Lambert T. Koch, heißt es, die USA seien bislang stets ein internationaler Magnet für kluge Köpfe gewesen, von deren Wissen das Land nicht nur in der Forschung, sondern auch wirtschaftlich und gesamtgesellschaftlich massiv profitiert habe. "Internationale Mobilität ist die Lebensader freier Wissenschaft. Wer sie mit der Aussetzung von Visa-Verfahren oder anderen Einschränkungen in Frage stellt, macht sich nicht nur zum Feind der Wissenschaft, sondern schadet sich massivst selbst – kurz- und vor allem längerfristig!", kommentiert Koch die Entwicklungen.

Besonders harte Visaregelungen für China und Harvard

Die US-Regierung will zudem in den Vereinigten Staaten studierenden Chinesinnen und Chinesen das Visum entziehen und die Regeln für künftige Anträge aus der Volksrepublik verschärfen, berichtet die Deutsche Presse-Agentur (dpa) am 29. Mai. Unklar blieb zunächst, wie viele Studierende vom Entzug der Aufenthaltsgenehmigung betroffen wären – und inwiefern es Ausnahmeregeln geben könnte. Nach Angaben des Institute of International Education (IIE) waren im akademischen Jahr 2023/2024 rund 277.000 chinesische Studierende an US-Hochschulen eingeschrieben. 

Chinas Außenamt legte nach eigenen Angaben Beschwerde gegen den "ungerechtfertigten" Visa-Entzug ein. Das diskriminierende Vorgehen Washingtons entlarve die "Lüge von Freiheit und Offenheit", mit denen sich die USA stets brüsteten, sagte Sprecherin Mao Ning in Peking. Die USA würden damit ihrem internationalen Ansehen weiter schaden.

Das US-Außenministerium hat Medienberichten vom 30. Mai zufolge darüber hinaus eine Überprüfung der Online-Aktivitäten aller Personen angeordnet, die für einen Aufenthalt an der Elite-Universität Harvard ein Visum beantragen. Das Ministerium habe US-Botschaften und Konsulate damit beauftragt, sofort damit zu beginnen, berichteten der Sender CNN und das Online-Medium POLITICO unter Berufung auf eine ihnen vorliegende interne Anweisung des Ministeriums. Demnach sollen davon nicht nur Studierende betroffen sein, sondern auch etwa Forscherinnen und Forscher oder Gastrednerinnen und Gastredner. 

Die Überprüfung solle ein "vollständiges Screening der Online-Präsenz" der Visa-Antragstellenden umfassen, zitieren die US-Medien übereinstimmend aus der Anweisung. Hat eine antragstellende Person keine Online-Präsenz oder ist ihr Profil in sozialen Netzwerken auf privat gestellt, so sollen die Mitarbeiter in den Konsulaten demnach prüfen, ob dies ein Hinweis auf ausweichendes Verhalten sein könne und die Glaubwürdigkeit der Person infrage stelle. Ziel sei demzufolge festzustellen, ob die Antragstellenden durch Antisemitismus aufgefallen seien. Das Vorgehen gegen Harvard wird laut den Medienberichten als Pilotprojekt betrachtet, das auch auf andere US-Universitäten ausgeweitet werden könnte.

US-Visa für Studierende aus Deutschland 

Von der US-Botschaft in Berlin gab es auf dpa-Nachfrage nach konkreten Informationen, wie man jetzt als Studierende oder Studierender vorgehen sollte, keine Hinweise. 

Die Hochschulrektorenkonferenz rät demnach unter anderem, "sich individuell beim International Office der eigenen Hochschule zu erkundigen. Für Personen, die ein Stipendium erhalten, sind die jeweiligen Förderorganisationen eine mögliche Anlaufstelle." Zudem könne es sinnvoll sein, sich fortlaufend auf den Webseiten des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) und des Auswärtigen Amtes zu informieren. 

Der DAAD gibt mit dem jetzigen Stand noch keine Einschätzung ab und teilt auf dpa-Anfrage mit: "Wir warten als DAAD zunächst ab, was offiziell von der US-Regierung in den nächsten Tagen kommuniziert werden wird. Wir beobachten die Lage genau und werden dann entsprechend handeln."

Zuvor: Keine internationalen Studierenden mehr in Harvard 

Erst am 22. Mai hatte Heimatschutzministerin Kristi Noem Schritte eingeleitet, damit der Universität Harvard ihre Zertifizierung zur Aufnahme internationaler Studierende entzogen wird. "Die Verwaltung macht Harvard für die Förderung von Gewalt, Antisemitismus und die Koordinierung mit der Kommunistischen Partei Chinas auf dem Campus verantwortlich", begründete Noem die Pläne in einer Meldung auf der Ministeriums-Website. International äußerten sich zahlreiche Stimmen empört. Kulturstaatsminister Wolfram Weimer hat der Eliteuniversität Harvard einen Standort in Deutschland als "Exil-Campus" vorgeschlagen. 

Die Elite-Universität hat unmittelbar gegen das Vorhaben der Regierung geklagt und vorerst im Rahmen einer einstweiligen Verfügung Recht bekommen. Die zuständige Bundesrichterin Allison D. Burroughs hat ihre Entscheidung nach einer Anhörung dazu laut Medienberichten am 28. Mai nochmals mit den Worten "Ich möchte den Status quo beibehalten" bekräftigt. Am selben Tag hat die US-Regierung der Universität in einer Regierungsmitteilung eine Frist von 30 Tagen gesetzt, um die Bedingungen dafür zu schaffen, dass weiterhin ausländische Studierende aufgenommen werden dürfen. In der Mitteilung hieß es, Harvard ermögliche dies, "die Einhaltung aller gesetzlichen Anforderungen nachzuweisen und mutmaßliche Mängel zu beseitigen".

Ob sich die Trump-Regierung an die Anordnung des Gerichts halte, sei ungewiss, meldet ZEIT ONLINE. In anderen Fällen habe sie sich sogar über Entscheidungen des obersten US-Gerichts hinweggesetzt. Rechtsexpertinnen und Rechtsexperten warnten deshalb vor einer Aushöhlung der Gewaltenteilung und einer Verfassungskrise in den USA. Im Streit mit Harvard hat US-Präsident Donald Trump einer dpa-Meldung vom 28. Mai zufolge erneut Druck auf die Elite-Universität ausgeübt. "Harvard muss sich benehmen", sagte der Republikaner auf Nachfrage eines Journalisten im Weißen Haus. Die Hochschule begegne den USA "mit großer Respektlosigkeit" und manövriere sich immer weiter ins Abseits. Trump betonte, die Universität suche die Konfrontation und wolle "kämpfen". "Sie wollen zeigen, wie schlau sie sind, und sie bekommen einen Tritt in den Hintern."

Bestehende Verträge mit Harvard sollen aufgelöst werden 

Die US-Regierung will einem Bericht der New York Times vom 27. Mai zufolge noch einen Schritt weitergehen. Laut einer Anordnung der Bundesverwaltungsbehörde (General Service Administration, GSA), welche der Zeitung nach eigenen Angaben vorliegt, plant das Weiße Haus die verbleibenden Verträge mit der Universität aufzulösen. Laut verschiedener Medien haben diese einen Wert von rund 100 Millionen US-Dollar, was in etwa 88 Millionen Euro entspricht. 

The Guardian meldet, die GSA-Direktive betrifft Verträge in neun Bundesministerien, von der Gesundheitsforschung bis zu Schulungsprogrammen für Führungskräfte. Dem Schreiben zufolge müssten die Behörden bis Anfang Juni mitteilen, welche Verträge sie zu streichen gedenken. Bislang sind diese Anweisungen noch nicht offiziell seitens der Regierung bestätigt. 

Die Maßnahmen sind Teil eines anhaltenden Konflikts zwischen der Trump-Regierung und Hochschulen, denen sie eine linksliberale Ausrichtung und die Duldung von Antisemitismus vorwerfen. Erst am 26. Mai kommentierte Trump auf seiner Social-Media-Plattform Truth social: "Ich überlege, der sehr antisemitischen Harvard-Universität drei Milliarden Dollar an Fördergeldern zu entziehen und sie an Berufsschulen im ganzen Land zu verteilen." Anders als andere Hochschulen widersetzt sich Harvard bislang den weitreichenden Forderungen der US-Regierung – etwa zu Zulassungsverfahren, Verhaltensregeln und Personalentscheidungen.


aktualisiert am 2. Juni um 13:15 Uhr [Ergänzung Visa Gastforschende Harvard und Zitat DAAD]; zuerst aktualisiert am 30. Mai [Ergänzung Gerichtsanhörung und Kommentar Trump, Visastopp chinesische Studierende und Aussichten für Visa-Anträge deutscher Studierender] und erstmals veröffentlicht am 28. Mai

cva/dpa