Eine Frau mit roten Haaren ist auf einem Schachbrettartigen Fußboden in einem historischen Gebäude mit Rundbögen zu sehen.
picture alliance/dpa | Christoph Soeder

Antisemitismus
TU-Präsidentin wegen strittiger Gaza-Posts kritisiert

Geraldine Rauch soll israelfeindliche X-Posts geliked haben. Kritik kommt aus vielen Richtungen. Rauch entschuldigt sich.

04.06.2024

Die Präsidentin der Technischen Universität Berlin, Geraldine Rauch, hat sich nach politischem Druck dafür entschuldigt, im Internet umstrittene Posts zum Gaza-Krieg geliked zu haben. Kurz zuvor hatte Berlins Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra am Mittwoch mitgeteilt, in einem persönlichen Gespräch mit der Professorin die "klare Erwartung" einer öffentlichen Klarstellung geäußert zu haben. 

"Ich habe auf der Plattform X einige Tweets 'geliked', welche die Situation in Gaza und Rafah aufgreifen, die aber antisemitischen Inhalts oder Ursprungs sind", räumte die Wissenschaftlerin in einer Mitteilung ein. Von den antisemitischen Inhalten oder Autoren der Tweets wolle sie sich ganz klar distanzieren. 

Medienberichten zufolge soll Rauch auf der Plattform X Beiträge mit "Gefällt mir" markiert haben, in denen unter anderem der Krieg in Gaza als Völkermord oder Israel als Kriegsverbrecher bezeichnet wird. Ihr X-Account ist mittlerweile gelöscht, ihre Likes dort lassen sich daher nicht ohne Weiteres nachvollziehen. 

Entschuldigung von Geraldine Rauch 

Sie selbst schrieb auch, dass sie einen Tweet wegen seines Textes geliked und das darunter gepostete Bild zu dem Zeitpunkt nicht genauer betrachtet habe. "Dies war ein Fehler, für den ich mich aufrichtig entschuldigen möchte, da dieses Bild Symbole nutzt und Gleichsetzungen verwendet, die ich mir nicht zu eigen mache und die ich entschieden ablehne." Sie nahm damit Bezug auf einen Beitrag mit Fotos von Demonstranten, die ein Bild des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu mit aufgemaltem Hakenkreuz hochhalten. 

"Für mich stand das schriftliche Statement mit dem Wunsch für einen Waffenstillstand im Vordergrund", erklärte Rauch. "Ich möchte ganz ausdrücklich betonen, dass ich den Tweet nicht geliked hätte, wenn ich die antisemitische Bildsprache aktiv wahrgenommen hätte oder wenn ich mich mit dem Account des Verfassers beschäftigt hätte." 

Kritik an Rauch vor und nach der Entschuldigung 

Senatorin Czyborra hatte zuvor erklärt: "Es darf zu keiner Zeit einen Zweifel daran geben, dass sich die Berliner Hochschulen von jeglicher Gewalt und Antisemitismus distanzieren und für demokratische Werte einstehen. Vor diesem Hintergrund sind unsere politischen Aussagen, seien sie privat oder dienstlich, sehr sorgfältig und sorgsam zu wählen. Dies erwarte ich auch und insbesondere von Vertreterinnen und Vertretern der Berliner Hochschullandschaft." Czyborra hat Rauchs Bitte um Entschuldigung positiv bewertet, sieht aber weiteren Handlungsbedarf. "Ich bin erst mal sehr dankbar dafür, dass Frau Rauch sich öffentlich geäußert hat", sagte die SPD-Politikerin am Donnerstag am Rande eines Termins an der Technischen Universität (TU). "Das war ganz wichtig, Stellung zu nehmen und das einzuordnen." Jetzt sei es an der TU, in ihren Gremien weiter darüber zu diskutieren. "Ich erwarte von der TU, dass sie mit Bedacht jetzt diskutiert. Es muss darum gehen, Schaden von der TU abzuwenden, Schaden von der Berliner Wissenschaftslandschaft und vom Land Berlin." In einem gesonderten Statement verurteilten Präsidiumsmitglieder der TU Rauchs Aktivitäten auf X. Das Liken eines eindeutig antisemitischen Tweets sei ein "inakzeptabler Fehler", von dem man sich wie "von jeglichem Antisemitismus" entschieden distanziere. 

Berlins Kultursenator Joe Chialo (CDU) hatte zuvor, trotz der Entschuldigung Rauchs, Konsequenzen gefordert. Rauch habe eine Vorbildfunktion, sagte er dem RBB. "Eine so exponierte Person in ihrem Amt kann sich beim Liken solcher Posts aus meiner Sicht sehr schwer rausziehen." An welche Konsequenzen er denke, sagte Chialo nicht. "Aber es kann nicht an dem Punkt enden, wo man das mit einer sehr lapidaren Erklärung von sich weist." 

Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) hat nach dem Liken von umstrittenen Posts durch die Präsidentin der TU Berlin auf die Verantwortung der Hochschulen hingewiesen. "An unseren Hochschulen darf kein Platz für Israel- und Judenhass sein", sagte die Ministerin der "Rheinischen Post" (Freitag). Insbesondere die Hochschulleitung trage eine besondere Verantwortung und Vorbildfunktion. Hochschulen seien kein "rechtsfreier Raum", so Stark-Watzinger. 

Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, hat die Reaktion der TU-Präsidentin Geraldine Rauch nach dem Liken umstrittener Posts im Zusammenhang mit dem Gaza-Krieg kritisiert. "Die Entschuldigung der TU-Präsidentin für das Liken von antisemitischen Tweets ist für mich nicht glaubwürdig", teilte Schuster am Donnerstag mit. "Ein Bild sagt mehr als tausend Worte, in diesem Fall übrigens gerade einmal ein Satz. Konnte Frau Prof. Rauch dieses unzweifelhaft antisemitische Bild wirklich übersehen?" Die vergangenen Tage hätten deutlich gezeigt, dass die Zustände an der TU Berlin der Integrität einer Universitätsleitung nicht würdig seien, so Schuster. 

Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner hat TU-Präsidentin Geraldine Rauch vorgeworfen, Berlin als Wissenschaftsstandort mit ihrem Verhalten zu schaden. "Ich kann nur sagen, was sie gemacht hat, hat nicht nur der Technischen Universität geschadet, sondern dem Wissenschaftsstandort Berlin. Und das möchte ich ausdrücklich nicht", sagte der CDU-Politiker am Abend des 3. Junis bei der Veranstaltung "Wegner vor Ort" in Reinickendorf. CDU-Generalsekretärin Ottilie Klein war bereits viel deutlicher geworden. Zuletzt am Freitag (31.5.) hatte sie erneut in einem Newsletter des Landesverbands den Rücktritt der TU-Präsidentin gefordert.

Auch der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, hatte sich geäußert. Er könne nachvollziehen, dass jüdische Studierende "und alle, die Antisemitismus auf dem Campus nicht akzeptieren wollen", von Rauchs Verhalten schockiert sind, wie er der "Bild" sagte. "Wie sollen jüdische Studierende einer Universitätspräsidentin ihre Sicherheit anvertrauen, wenn diese Aussagen liked, die genau den Antisemitismus wiedergeben, wegen dessen viele Hochschulen eben keine sicheren Orte für Jüdinnen und Juden mehr sind?" 

Auch neuer Antisemitismusbeauftragter steht in der Kritik 

Die TU steht derzeit auch wegen der Ernennung ihres neuen Antisemitismusbeauftragten, Uffa Jensen, in der Kritik. Der Zentralrat der Juden nannte die Besetzung in einer Presseerklärung "eine Enttäuschung" und warf dem Historiker unter anderem vor, Gegner der Antisemitismus-Definition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) zu sein. Jensen entgegnete in einer Stellungnahme, dass er die Definition, "wie viele meiner jüdischen Kollegen", begründet kritisiert habe. 

Unterstützung seitens Studierenden und Bediensteten 

Das Studierendenparlament der TU Berlin stellt sich in einem Statement vom 30.5. kritisch solidarisch hinter Geraldine Rauch. Unter anderem da "ihre Äußerungen zum Nahostkonflikt immer das Leid auf allen Seiten betrachtet" hätten und sie stets ein offenes Ohr für alle Studierenden und ihre Ängste und Sorgen, ihre Überforderung und Trauer gehabt hätte. Die Studierendenschaft weise deshalb jede Rücktrittsforderung an ihre Person stark zurück, auch wenn es durchaus Anlass zur Kritik an Frau Rauch gebe. Das politische Agieren des Berliner Senats wird scharf kritisiert: "Der Berliner Senat ist seit Wochen darum bemüht, die Verantwortung für Antisemitismus und Rassismus innerhalb der Studierendenschaft auf die Hochschulen zu verschieben, ohne den Leitungen tatsächlich die Freiheit zu geben, einen eigenen Weg zu gehen oder auch nur die notwendige Unterstützung dafür zu bieten, um das Thema angemessen anzugehen." Das Statement endet mit dem Vorschlag, auf die zuzugehen, die von Antisemitismus betroffen seien und mit den entsprechenden Verbänden und Beratungsstellen für Opfer antisemitischer Gewalt das Gespräch zu suchen. Die Neubesetzung der Stelle des Antisemitismusbeauftragten wolle man prüfen und mit nötigen Mitteln ausstatten. 

Seitens der TUB-Bediensteten gibt es ein "X"-Posting vom 3. Juni, worin die Unterzeichneten die "unverhältnismäßigen Anfeindungen gegen Geraldine Rauch als Person" verurteilen. Sie habe sich in den letzten Monaten durch "wohlüberlegtes Handeln auch bei sehr sensiblen Themen" ausgezeichnet und sich nach ihrem umstrittenen "Liken" in einer öffentlichen Stellungnahme entschuldigt. Dies werde von den TUB-Bediensteten als erster Schritt in einem demokratischen Aushandlungsprozess gewertet, in welchem man gerechtfertigte Kritik von persönlicher Diffamierung und Hetze unterscheiden müsse. Laut Table.Briefings haben inzwischen mehr als 129 TUB-Bedienstete das Statement unterschrieben.

Dieser Artikel wurde erstmals am 31.5. veröffentlicht und dann am 4.6. um 10:55 Uhr aktualisiert. 

dpa/cva