

Demokratie
Über 2.000 Forschende kritisieren Unionsanfrage
Mehr als 2.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben seit Donnerstag einen Offenen Brief an die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag unterzeichnet. Er richtet sich gegen eine Kleine Anfrage der Unionsfraktion von vergangener Woche, die die Finanzierung von Nichtregierungsorganisationen (NGO) und Initiativen und ihre politische Meinungsäußerung betrifft. Die Forschenden, unter denen auch zahlreiche Professorinnen und Professoren sind, äußern ihre große "Besorgnis" über die Anfrage.
Bei der Anfrage geht es der Unionsfraktion, wie sie selbst schreibt, um die politische Neutralität staatlich geförderter Organisationen. Anlass seien die Proteste gegen die CDU/CSU nach der gemeinsamen Abstimmung mit der AfD im Bundestag. Diese Proteste seien teilweise von gemeinnützigen Vereinen organisiert oder unterstützt worden. Das werfe die Frage auf, "inwiefern sich gemeinnützige Vereine, die zusätzlich noch mit Steuergeldern gefördert werden, parteipolitisch betätigen dürfen, ohne ihren Gemeinnützigkeitsstatus zu gefährden." Die Unionsanfrage geht über die Proteste hinaus. So heißt es unter Verweis auf einen Bericht aus der Tageszeitung "Die Welt", dass manche hinter NGOs "eine Schattenstruktur" sähen, "die mit staatlichen Geldern indirekt Politik betreibt". Es folgen 551 Fragen zu verschiedenen Organisationen und Initiativen, etwa zum Verein "Omas gegen Rechts".
Es ist "im höchsten Maße beunruhigend, dass die Kleine Anfrage das Narrativ eines 'tiefen Staates' aufgreift", so die Unterzeichnenden des Offenen Briefs. Die Unionsanfrage deute an, dass die genannten NGOs die politische Meinungsbildung beeinflussten, ihnen "ein grundsätzlicher Makel anhafte" oder ihr gesamtes Handeln eine schädliche Wirkung hätte. So werde zivilgesellschaftliches politisches Engagement abgewertet. Dabei sei eine demokratische Zivilgesellschaft "so wichtig wie nie".
Kritik am juristischen Hintergrund der Kleinen Anfrage
Es sei verfassungsrechtlich nicht haltbar, dass staatlich geförderte Organisationen einer Neutralitätspflicht unterliegen, schreiben die unterzeichnenden Forschenden weiter. Das Bundesverfassungsgericht habe 1986 klargestellt, dass auch Organisationen, die staatliche Förderung erhalten, ihre Rechte auf freie Meinungsäußerung behalten. NGOs dürften "im Sinne des Gemeinnützigkeitsrechts nicht parteiähnlich sein, müssen aber auch nicht politisch neutral sein".
Die Kleine Anfrage enthalte einen "konfrontativen Unterton", was die unterzeichnenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler als "alarmierendes Signal" werten. Sie fordern von Fraktionschef Friedrich Merz, CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt und der restlichen CDU/CSU-Fraktion stattdessen, sich mit Dialog für Demokratie und gegen Eskalation zu engagieren. Sie bitten darum, ein Demokratiefördergesetz einzuführen. Der Bund solle damit die politische Bildung und Demokratiearbeit dauerhaft finanzieren. Dem "Erstarken von Populismus und Rechtsextremismus" könne nur gemeinsam begegnet werden.
Zunächst hatte der "Spiegel" über den Offenen Brief der Forschenden berichtet. Er ist auf der Webseite von "Verfassungsblog" einsehbar.
cpy