Vor dem Säuleneingang einer großen Bibliothek steht eine Frauenstatue, welche die Alma Mater darstellt.
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Flucht vor Druck
Viele US-Forschende erwägen auszuwandern

Eine Umfrage deutet darauf hin, dass viele Forschende sich vorstellen können, die USA zu verlassen. Prominente Beispiele beunruhigen die Community.

31.03.2025

US-amerikanische Hochschulen und Forschungseinrichtungen sehen sich von der Politik des US-Präsidenten Donald Trump unter Druck gesetzt. Dreiviertel der Forschenden können sich inzwischen vorstellen, das Land zu verlassen, schreibt das Wissenschaftsmagazin "Nature". 1.650 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hatten an einer Umfrage teilgenommen, zu der das Magazin im Laufe des Monats März online aufgerufen hatte. 

Anlass für die verspürte Unsicherheit seien laut "Nature" Umbrüche, die in alle Bereiche der Forschung drängen. Das Magazin nennt die Massenentlassungen vieler Bundesangestellter im Wissenschaftsbereich, die Kürzungen staatlich finanzierter Forschungsprojekte, die starken Einschränkungen der Wissenschaftsfreiheit durch die Dekrete gegen Forschung in den Bereichen Diversität, Gleichberechtigung und Inklusion (DEI) oder Klimawandel sowie harte Maßnahmen gegen Einwanderung. "Einige, die aus beruflichen Gründen in die Vereinigten Staaten gezogen waren, planten eine Rückkehr in ihr Herkunftsland", heißt es in "Nature". 

Prominente Forschende kehren den USA den Rücken 

Drei renommierte Forschende der US-Universität Yale, die Trump kritisch gegenüberstehen, wollen die USA verlassen. Der Historiker Professor Timothy Snyder und die Historikerin Professorin Marci Shore sowie der Faschismusforscher Professor Jason Stanley wechseln nach Kanada. 

Stanley begründete seinen Schritt im Interview mit "Zeit Online" mit der politischen Entwicklung in den USA. Auslösende Faktoren seines Schritts seien der Druck der US-Regierung auf die New Yorker Columbia Universität und deren Kapitulation gewesen. Für die Androhung der Regierung, der Universität 400 Millionen Dollar Bundesmittel zu streichen, weil sie jüdische Studierende nicht ausreichend vor Belästigungen und Bedrohungen auf dem Campus geschützt haben soll, habe es keine rechtliche Grundlage gegeben. Es habe sich um reine Schikane gehandelt. Künftig würden die Übergriffe der Regierung systematisch zunehmen, warnte Stanley. Columbia sei eine Warnung an alle gewesen. 

Der Faschismusforscher äußerte sich mit drastischen Worten zur politischen Situation in den USA. Auf die Frage, ob er von faschistischen Zuständen im Land sprechen würde, sagte er: "Ja, natürlich. Welche Begriffe sollen wir denn sonst verwenden?" Faschismus sei nicht einfach nur ein Schimpfwort, sondern ein Konzept, das helfe, die Realität zu verstehen. "Und was wir jetzt sehen – das ist Faschismus", so Stanley im Interview. 

Shore sagte der Zeitung "Toronto Today", sowohl die Stadt Toronto als auch die dortige Munk School seien sehr attraktive Orte. Letztlich habe der "amerikanische Abstieg in den Faschismus" die Entscheidung bestärkt. Sie befürchte, dass es einen Bürgerkrieg geben werde. Shore sagte, sie und ihr Ehemann Snyder hätten bereits nach Trumps Wahl im Jahr 2016 ernsthaft erwogen, die Vereinigten Staaten zu verlassen, "fühlten sich aber letztendlich moralisch verpflichtet zu bleiben, den Widerstand zu mobilisieren und die Studierenden zu unterstützen, als sie versuchten zu verstehen, was um sie herum geschah."

Columbia Universität 

Die Columbia-Universität in New York war im vergangenen Frühjahr zum Schauplatz großer propalästinensischer Proteste geworden. Demonstrierende errichteten ein Protestcamp, zeitweise wurde ein Gebäude besetzt. Die US-Regierung kündigte Anfang März an, Bundeszuschüsse und Verträge im Umfang von rund 400 Millionen US-Dollar (etwa 370 Millionen Euro) mit sofortiger Wirkung zu kündigen. 

Die Hochschule erklärte sich vor wenigen Tagen bereit, ihre Richtlinien für Proteste, Sicherheitsregeln und die Abteilung für Nahost-Studien umfassend zu überarbeiten. Die Interims-Präsidentin der Hochschule, Katrina Armstrong, teilte in einer schriftlichen Stellungnahme am Wochenende mit, dass sie ihr Amt niederlegt und wieder ihre vorherigen Aufgaben an der Hochschule übernehmen werde. 

Auch andere bekannte Hochschulen wie Harvard, Stanford und die University of Michigan sehen sich mit Bundesermittlungen konfrontiert und befürchten Konsequenzen. Hochschulleitungen warnen, das erzwungene Einlenken der Columbia University könne einen gefährlichen Präzedenzfall darstellen.

Festnahmen von Personen, die mutmaßlich die Hamas unterstützen 

Die US-Behörden gehen derweil weiter gegen ausländische Studierende vor, denen Unterstützung der Hamas vorgeworfen wird. An der Tufts Universität bei Boston im Bundesstaat Massachusetts wurde eine türkische Doktorandin auf offener Straße in der Nähe ihres Apartments von zivil gekleideten Beamten des Heimatschutzministeriums gestoppt und festgenommen, wie mehrere Medien unter Bezug auf den Universitätspräsidenten berichten. 

Auf Bildern einer Überwachungskamera ist zu sehen, wie sich mehrere Männer in dunkler Zivilkleidung, teilweise mit Hoodies, der Frau nähern, die offensichtlich verängstigt ist und laut ruft. Sie wird umringt und dann abgeführt. Die Justizministerin von Massachusetts, Andrea Joy Campbell, sagte laut "New York Times", die Bilder von der Festnahme seien verstörend. Hier gehe es nicht um öffentliche Sicherheit, hier gehe es um Einschüchterung. 

Die Doktorandin hatte ein gültiges Visum. In einer Erklärung des Heimatschutzministeriums auf der Social-Media-Plattform "X" heißt es aber, ein Visum sei ein Privileg, kein Recht. Die Studentin habe sich für die Terrororganisation Hamas eingesetzt. Ihr Anwalt sagte dem Sender NBC, er wisse nicht, wohin die Frau gebracht worden sei und könne sie auch nicht kontaktieren. Nach Medienberichten war sie Co-Autorin eines Artikels in einer Studentenzeitung von 2024, in dem die Universität aufgefordert wurde, anzuerkennen, dass es einen Völkermord an Palästinenserinnen und Palästinensern gebe. Ihre Professoren seien geschockt von der Festnahme. 

Für das größte Aufsehen hatte die Festnahme des palästinensischen Studenten Mahmoud Khalil gesorgt. Der Absolvent der New Yorker Columbia-Universität besitzt seiner Anwältin zufolge eine Greencard und damit eine unbegrenzte Aufenthaltsgenehmigung in den USA. Die US-Regierung will ihn abschieben und wirft ihm unter anderem vor, auf dem Campus Flugblätter mit Hamas-Logo verteilt zu haben. "This is the first arrest of many to come", erklärte Trump in einem Post bei Truth Social. An der Georgetown Universität in der Hauptstadt Washington wurde wiederum ein Inder festgenommen. Eine Sprecherin des Heimatschutzministeriums, warf ihm auf der Plattform "X" vor, in sozialen Medien Propaganda der islamistischen Hamas und Antisemitismus verbreitet zu haben.

Schwerpunkt "Wissenschaftsfreiheit" 

Wie steht es um die akademische Freiheit? In unserem Themenschwerpunkt "Wissenschaftsfreiheit" finden Sie ausgewählte Artikel über Entwicklungen und Diskussionen zum gesetzlich verankerten Recht.

cva/dpa