Mann und Frau diskutieren mit Papieren in der Hand
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Politikwissenschaft
Wann die Bevölkerung die Bildungspolitik bestimmt

Zu tun gibt es viel in der Bildungspolitik. Ein Forscherteam hat untersucht, wovon es abhängt, wer den stärksten Einfluss hat.

16.11.2020

Die öffentliche Meinung kann einen starken Einfluss auf die Bildungspolitik in Deutschland haben. Voraussetzung ist, dass ein Thema nicht nur eine hohe Bedeutung und Aufmerksamkeit genießt, sondern sich die Bevölkerung auch einig über die notwendigen Reformen ist. Zu diesem Ergebnis kommt eine kürzlich veröffentlichte Studie, über die Politik-Professor Marius R. Busemeyer in der aktuellen Ausgabe von Forschung & Lehre schreibt. Von der Öffentlichkeit stark geprägte Bereiche bezeichnen sie in ihrer Studie als "loud politics".

Bei "quiet politics" sei in der Öffentlichkeit dagegen keine Mobilisierung für ein Thema erkennbar. In solchen Fällen hätten vor allem Interessengruppen einen starken Einfluss auf den Verlauf von Reformen. Im dritten Fall den "loud, but noisy politics" habe die Öffentlichkeit eine starke Meinung, diese gehe aber weit auseinander. Dann hänge der eingeschlagene Kurs stark von Parteipolitik ab, bei denen die verschiedenen Parteien jeweils die Meinungen ihrer Wählergruppen zu vertreten versuchten.

Ein "lautes" Signal gebe die Öffentlichkeit in der Bildung vor allem im frühkindlichen Bereich. Das habe etwa dazu geführt, dass mehr Betreuungsplätze geschaffen oder entsprechende Reformen angestoßen wurden, bei deren Umsetzung es teils noch daran hapert, dass das Betreuungspersonal fehlt.

Die berufliche Bildung beschreiben die Autorinnen und Autoren der Studie als tendenziell "leisen" Bereich, bei dem der Einfluss vor allem bei Interessengruppen liege, insbesondere bei Gewerkschaften und Arbeitsgebervertretungen.

Die Umsetzungsreformen im Sekundarschulwesen seien ein Beispiel für eine oftmals "laute und lärmende" Bildungspolitik. Die Öffentlichkeit fordere Reformen, die Meinungen über das "Wie" gingen jedoch stark auseinander. So sei die teilintegrierte Gemeinschaftsschule in Baden-Württemberg zum Beispiel letztlich in dem Moment eingeführt worden, in dem Grün-Rot an der Regierung gewesen sei, die die Reform unterstützten.

In der Hochschulpolitik sei der Kurs stark vom jeweils diskutierten Thema abhängig und nicht so leicht zu klassifizieren wie in den anderen Bereichen. So seien Studiengebühren etwa ein Beispiel für ein Themenfeld, das stark aber sehr kontrovers diskutiert würde ("loud, but noisy"), während das Thema Akkreditierung weitestgehend nur in der wissenschaftlichen Community präsent sei ("quiet politics").

Insgesamt fordern Deutsche laut Studie vor allem für die allgemeinbildenden Schulen mehr Geld (73 Prozent), gefolgt von der frühkindlichen Bildung (63 Prozent). Mit etwas Abstand (53 Prozent) folgen die Hochschulen, dahinter die berufliche Bildung (47 Prozent).

kas