Frühjahrssitzungen
Was der Wissenschaftsrat der neuen Bundesregierung empfiehlt

Am Wochenende tagte der Wissenschaftsrat. Dabei ging es um die Pläne der neuen Bundesregierung und um die sicherheitsrelevante Forschung.

13.05.2025

Der Wissenschaftsrat (WR) hat den Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung begrüßt – nun geht es um die Umsetzung der Ziele im Bereich Forschung und Innovation. Für die neue Legislaturperiode sehe er insbesondere vier systemische Aufgaben, erklärte der Vorsitzende des Wissenschaftsrats, Professor Wolfgang Wick am Montag auf der Pressekonferenz zu den Frühjahrssitzungen. Die Zusammenarbeit von Bund und Ländern müsse verbessert und eine wissenschaftspolitische Führungsrolle innerhalb Europas eingenommen werden. Außerdem sei eine Breitenwirkung in der Forschungsförderung anzustreben, die sämtliche Regionen und Schichten einbeziehe, sowie die Wissenschaftsfreiheit zu stärken. Brüssel habe die Zeichen der Zeit erkannt, sagte Wick im Hinblick auf die Europapolitik. "Die neue Bundesregierung sollte zur Antreiberin europäischer Forschungspolitik werden."

Angesichts der aktuellen Bedrohung der Wissenschaftsfreiheit sei eine Strategie erforderlich, um die Widerstandskraft der Wissenschaftseinrichtungen zu stärken. Entscheidend seien Akzeptanz und Wertschätzung von Wissenschaft in der breiten Bevölkerung. Dafür gelte es, die Gegenüberstellung von "wir und die" aufzubrechen, so Wick auf der Pressekonferenz. Während in der Wissenschaftscommunity über vieles Übereinstimmung bestehe, dürfe nicht aus dem Blick verloren werden, "dass es in die Gesellschaft hinein vielleicht eine andere Ansprache braucht". Wick kündigte an, dass sich der Wissenschaftsrat diesem Thema näher widmen werde.

Innovation Hubs für sicherheitsrelevante Forschung

Im Rahmen der Frühjahrssitzungen legte der Wissenschaftsrat außerdem ein Positionspapier zu neuen Sicherheitsanforderungen im Wissenschaftssystem vor. Das Feld potentiell sicherheitsrelevanter Forschung sei größer geworden, erklärte Professor Ferdi Schüth, stellvertretender Vorsitzender der Wissenschaftlichen Kommission des WR. Sicherheitsrelevante und zivile Forschung lasse sich oft nicht mehr klar unterscheiden. Forschende und Wissenschaftseinrichtungen stelle das vor Schwierigkeiten, denen das deutsche Wissenschaftssystem aktuell noch nicht gewachsen sei.

Im Einzelnen empfiehlt der Wissenschaftsrat, an Hochschulen und in Forschungseinrichtungen Strukturen zur Risikobetrachtung zu implementieren, eine Nationale Plattform für Wissenssicherheit als zentrale Anlaufstelle zu schaffen sowie ein Strategisches Dialogforum einzurichten, welches an den von der Bundesregierung geplanten Nationalen Sicherheitsrat anzugliedern wäre. Aufgabe des Dialogforums wäre es, regelmäßig Risikoanalysen durchzuführen und sicherheitsrelevante Forschungsbedarfe zu identifizieren. Schlüth betonte überdies die Notwendigkeit, gemeinsame europäische Lösungen zu etablieren.

Wenn militärisch relevante Ansätze vorlägen, würde Forschung nicht mehr an Universitäten funktionieren, so Schüth. Um die nötige Abschottung garantieren zu können, schlage der Wissenschaftsrat deswegen spezielle Einrichtungen für die Weiterentwicklung solcher Ansätze vor, sogenannte Innovation Hubs. Diese müssten nicht an allen Hochschulen eingerichtet, sondern abhängig von den jeweiligen Potentialen aufgebaut und langfristig gefördert werden. Ziel seien Innovationen und schnellere Anwendungen.

Selbsteinschätzung am Anfang der Risikobewertung

In Sachen Risikobewertung sei jede in der Wissenschaft tätige Person in die Verantwortung zu nehmen. "Forscherinnen und Forscher sind aufgerufen, sich selbst vor die Frage zu stellen, ob ihre Forschung sicherheitsrelevante Aspekte umfasst", sagte Schüth im Rahmen der Pressekonferenz. Das Positionspapier bietet dazu mit der Unterscheidung von fünf Risikotypen und einer Liste von Leitfragen eine Handreichung.

Weitere Ergebnisse der WR-Frühjahrssitzungen

Bereits zum dritten Mal nach 2007 und 2015 hat der WR das Bundesamt für Naturschutz (BfN) evaluiert und den forschungsbasierten Leistungen eine insgesamt hohe Qualität bescheinigt. Aufgaben und Internationalisierung des BfN hätten deutlich zugenommen. Das BfN könne eine strategische Rolle bei der Vernetzung von Biodiversitätsdaten in Deutschland einnehmen, empfiehlt der WR.

Als wissenschaftlich leistungsstark bewertete der WR auch das Deutsche Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM), das erstmals begutachtet wurde. Verbesserungspotenzial sieht der WR bei der theoretischen Einbettung und internationalen Anbindung der Forschung sowie bei der Drittmittel-Einwerbung. Eine besondere Stärke des Zentrums sei die wissenschaftsbasierte Politikberatung.

hes