US-Flagge im Wind
picture alliance/dpa | Kay Nietfeld

Trump versus Biden
Was die US-Wahl für die Wissenschaft bedeutet

Die USA wählen ihre Regierung der nächsten vier Jahre. Die Wissenschaft hofft auf ein neues Bekennen zu Fakten und Internationalität.

Von Katrin Schmermund 03.11.2020

++ Update 07.11.2020: Joe Biden hat nach aktuellen Hochrechnungen die Wahl zum 46. Präsidenten der USA gewonnen. Er konnte sich laut mehreren US-Fernsehsendern auch im Bundesstaat Pennsylvania gegen Trump durchsetzen und damit die erforderliche Mehrheit in der Wahlversammlung erreichen. ++

Rund 200 Millionen Menschen können in diesem Jahr ihre Stimme bei der US-Wahl am 3. November abgeben. 70 Millionen haben das laut Medienberichten bis Ende Oktober bereits getan, mehr als die Hälfte der bei der vergangenen Wahl 2016 insgesamt abgegebenen Stimmen. Die Lage ist angespannt.

Verschwörungstheoretiker machten Stimmung im Netz. Anhänger Donald Trumps drängten den Biden-Tourbus auf dem Highway ab und aus dem Weißen Haus hieß es, dass der amtierende US-Präsident ein gegen ihn sprechendes Ergebnis nach Auszählung der Briefwahl gerichtlich anfechten wolle. Parallel steigen im Land die Infektionszahlen mit dem Coronavirus. Den führenden US-Virologen und Regierungsberater Anthony Fauci hatte das erneut Alarm schlagen lassen. Trump drohte ihm darauf bei einer seiner Wahlveranstaltungen mit der Entlassung: "Gebt mir bis kurz nach der Wahl", rief er seinen Anhängerinnen und Anhängern zu.

"Viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler blicken mit großer Sorge auf den Ausgang der Wahl", sagt der Leiter des DAAD-Büros in New York City, Benedikt Brisch, gegenüber "Forschung & Lehre". "Die Menschen sind verunsichert, in welche Richtung sich das Land entwickeln wird."

2016 war der Schock in der Wissenschaft groß. Die einen wollten sich von nun an stärker politisch einbringen, andere – etwa in den Sozial- und Politikwissenschaften – gesellschaftliche Missstände stärker im Blick haben und ein effektiveres Angehen der Polarisierung im Land ermöglichen. Nach einem Jahr Trump sprach die ehemalige Leiterin der New Yorker DAAD-Außenstelle, Dr. Nina Lemmens, von einem "dunklen Schatten", der sich über das "freundliche Gesicht der USA" gelegt habe.

Wissenschaftsmagazine positionieren sich erstmals politisch

Seitdem sind drei weitere Jahre vergangen. Das veränderte Wissenschaftsklima in den USA verfolgen Wissenschaftsbeobachter mit Sorge. Mehrere wissenschaftliche Fachmagazine in den USA haben sich erstmals im Wahlkampf positioniert. "Wie kein anderer US-Präsident in der jüngeren Vergangenheit" habe Trump wertvolle staatliche Institutionen angegriffen und die Wissenschaft untergraben, schrieben etwa die Herausgeber von "Nature". "Das Vertrauen von Joe Biden in Wahrheit, Beweise, Wissenschaft und Demokratie machen ihn zur einzigen Auswahlmöglichkeit bei der US-Wahl."

Ein erneuter Sieg der Republikaner entgegen des Stimmungsbilds bisheriger Umfragen würde die Regierung in ihrem Kurs stärken. "Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fürchten, dass die Regierung angedachte Initiativen dann entschiedener durchsetzen würde als bisher", sagt Brisch vom DAAD. Dazu könnten auch Kürzungen der Forschungsfinanzierung gehören. Die finanziellen Einschnitte waren bisher nicht so drastisch wie befürchtet – auch weil der US-Kongress entsprechende Vorstöße der Regierung wiederholt kippte.

Trump setzte mit Chefberater und Meteorologe Kelvin Droegemeier in der Forschung vor allem auf künstliche Intelligenz und Quantenphysik. Bereiche, die sie für den Wettbewerb mit China für notwendig hielten, schreibt das Wissensmagazin "Spektrum". Die Position des wissenschaftlichen Beraters war unter der amtierenden Regierung zunächst fast zwei Jahre unbesetzt.

Biden würde laut Einschätzung des Fachmagazins diese Felder in den Mittelpunkt rücken. Als weitere Schwerpunkte werden ihm die Fertigungstechnologie sowie Medizin und gesundheitliche Ungleichheiten zugeschrieben. Insbesondere in der Krebsforschung hat sich Biden starkgemacht. Sein eigener Sohn war 2015 an den Folgen eines Hirntumors verstorben.

Bidens Wahlkampfteam arbeite laut "Spektrum"-Artikel seit März an Plänen, um die Corona-Pandemie besser in den Griff zu bekommen. Ziel soll demnach sein, Test- und Rückverfolgungsprogramme zu intensivieren, für mehr Gerechtigkeit in der Behandlung zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen zu sorgen sowie die von der Trump-Regierung gekürzten Pandemie-Bereitschaftsprogramme wieder aufzubauen. Die Herausforderung werde insbesondere darin liegen, wissenschaftsbasierte Entscheidungen zu treffen, ohne die Skeptiker weiter abzuschrecken. Der Gesundheitssektor hofft, dass Biden das Gesundheitssystem auch langfristig besser aufstellen will.

Sowohl die World Health Organisation (WHO) als auch das Pariser Klimaabkommen haben die USA unter Trump verlassen. Biden kündigte an, beide Entscheidungen zurückzunehmen. Außerdem will er laut Medienberichten ein zwei Billionen US-Dollar (rund 1,7 Billionen Euro) schweres Klimapaket auf den Weg bringen.

Das tatsächliche Handeln Bidens ist für Wissenschaftsvertreter insgesamt schwer einzuschätzen. Biden gilt als wissenschaftsfreundlich, hat sich in bisherigen Positionen aber auf andere Bereiche konzentriert: auswärtige Angelegenheiten und das Justizwesen.

Aufenthaltsdauer: Doktoranden in Bedrängnis

Die USA sind für ihre Forschungsexzellenz weltweit bekannt. Nicht zuletzt durch die hohen Einnahmen an Studiengebühren können Hochschulen in Deutschland nicht mit der Ausstattung an US-Universitäten mithalten. Immer wieder wechseln gefragte Forscherinnen und Forscher aufgrund der Forschungsbedingungen und Gehälter in die USA. Das könnte sich auch wegen strengerer Einreisebestimmungen weiter verändern.

Nach Einreisebeschränkungen für Menschen aus bestimmten Ländern – zunächst sieben muslimischen, nach neuem Vorstoß möglicherweise auch weiteren – sollen weitere Begrenzungen folgen. Angekündigte Aufenthaltsbestimmungen sehen vor, dass Promovierende maximal vier Jahre im Land bleiben dürften. Überwacht werden soll das vom Department of Homeland Security. "Die meisten Promovierenden benötigen mehr Zeit als in den neuen Visavorschlägen vorgesehen", sagt Brisch vom DAAD. Er kritisiert außerdem, dass die Entscheidung über einen Aufenthalt durch die Aufsicht des Departments of Homeland Security nicht mehr wissenschaftsgeleitet wäre. Würden die Pläne umgesetzt, schadeten die USA einer "jahrzehntelangen erfolgreichen Wissenschaftsstrategie, den besten internationalen Talenten in der Forschung attraktive Perspektiven zu bieten".

Biden will Reiseverbote laut "Spektrum"-Bericht aufheben und ausländischen Wissenschaftlern sowie promovierten Ingenieuren den dauerhaften Aufenthalt in den Vereinigten Staaten zu erleichtern. Die Zahl der Visa für hoch qualifizierte Arbeitskräfte, einschließlich Wissenschaftlern, soll erhöht werden.

Auch Studierende hoffen auf einen Stimmungswechsel. Im Juli hatte die Regierung beschlossen, dass Auslandsstudierende nur an einer US-Hochschule eingeschrieben sein dürften, wenn sie dort auch Präsenzveranstaltungen belegten. Zwar setzten sich die Hochschulen für die Studierenden ein, doch hätte ihr Gefühl, in den USA willkommen zu sein, "einen starken Dämpfer erhalten", sagte Brisch. Nach internationalem Protest – auch aus Deutschland – war Trump zurückgerudert: Bereits eingeschriebene Studierende dürften bleiben, Studieninteressiert aber kein reines Online-Semester beginnen. Damit ist die Regel dieselbe wie sie derzeit auch in Deutschland gilt.

Studiengebühren in den USA

Verschuldung unter Studierenden
Die Studiengebühren sind ein Streitpunkt in der US-Hochschulpolitik. In den vergangenen 30 Jahren haben sich diese laut Medieninformationen an öffentlichen Universitäten mehr als verdreifacht und an privaten Hochschulen mehr als verdoppelt. Immer mehr Studierende beenden ihr Studium hochverschuldet. "Bildung ist zu einem privaten Gut geworden", summierte ein Hochschullehrer der University of Chicago gegenüber dem "Chronicle of Higher Education". Damit sich daran etwas ändere, müssten auch die Hochschulen aktiv werden.
Rückzahlung von Krediten
Die Höhe der Rückzahlung der Kredite will Trump auf 12,5 Prozent des Einkommens deckeln. Diesen Anteil sollen Absolventen eines grundständigen Studiums 15 Jahre und jene mit einem höheren Abschluss 30 Jahre zurückzahlen müssen. Die Restsumme soll entfallen. Biden sprach von einer Deckelung auf fünf Prozent des Einkommens und einer Rückzahlung unabhängig vom Abschluss über 20 Jahre.
Pläne für gebührenfreies Studieren
Biden kündigte an, dass Kinder aus einem Elternhaus mit einem jährlichen Haushaltseinkommen bis zu 125.000 Dollar in Zukunft gebührenfrei studieren können sollten. An Community-Colleges mit einem zweijährigen Programm sollten Studiengebühren komplett entfallen. Den Verlust der Einnahmen will er über Steuereinnahmen in den Folgejahren ausgleichen. Darüber hinaus will er pro Person jährlich 10.000 US-Dollar Schulden erlassen. Trump unterstützt beide Vorstöße nicht.

Wissenschaftler: Politisierung entgegenwirken

Insgesamt hat die Politisierung an den Hochschulen in den vergangenen Jahren zugenommen. Viele Republikanerinnen und Republikaner sehen in der Hochschulen eine Bedrohung der freien Rede, weil konservative Meinungen zu wenig gehört würden. 2019 unterzeichnet Trump einen Erlass, der "linker Ideologie" auf dem Campus ein Ende bereiten solle.

59 Prozent der republikanischen Wählerinnen und Wähler sagten in dem Jahr gegenüber der "Pew Research Poll", dass Hochschulen einen negativen Effekt auf die USA hätten. Unter den Demokraten waren es 18 Prozent. Während die Zustimmung für die Hochschulen bei den Demokraten zwischen 2012 und 2019 mit 67 Prozent gleich geblieben war, ist sie bei Republikanern um 20 Prozent gesunken und lag 2019 bei 33 Prozent.

Im derzeitigen Klima werde sowohl die Politik Bidens als auch Trumps die Politisierung auf dem Campus weiter verstärken, vermutet Brisch vom DAAD. Biden will sich im Fall seiner Wahl für Diversität und Inklusion starkmachen. Bei einer Wahl Trumps wird erwartet, dass er sich vor allem für eine Stärkung der konservativen Stimmen einsetzen wird.

Für den künftigen Präsidenten der USA müsse es darum gehen, dass Land zusammenzuführen und sich der zunehmenden Polarisierung nicht nur an den Hochschulen entgegenzustellen, sagte der Politikprofessor Jan-Werner Müller von der Princeton University bei einer Veranstaltung der Bundeszentrale für politische Bildung am Abend vor der Wahl. Trump sei nicht der Grund für die Polarisierung, er sei ihr Symptom. Konflikte sollten nicht vermieden, aber sie müssten wieder vernünftig ausgetragen werden.

Die Demokratie dürfe nicht als gegeben gesehen werden, lautet Brischs Appell: "Die vergangenen Jahre sollten uns nochmals gelehrt haben, dass auch die Wissenschaft aktiv für ihre Interessen eintreten und kommunizieren muss, welchen enormen Nutzen die Gesellschaft durch sie hat."

US-Wahl: Wann steht das Wahlergebnis fest?

Gewählt wird in den USA am 3. November 2020. Die Präsidentenwahl wird wegen des indirekten Wahlsystems in den Bundesstaaten entschieden. Auf den Wahlzetteln stehen zwar die Namen der Kandidaten, aber letztendlich werden die 538 Wahlmänner des sogenannten "Electoral College" bestimmt. Diese stimmen im Anschluss für den entsprechenden Kandidaten, nehmen also Stellvertreterfunktionen ein.

Ein Kandidat braucht zum Sieg die Stimmen von mindestens 270 Wahlleuten der Bundesstaaten. Verzögerungen bei der Auszählung der Briefwahlunterlagen in größeren Staaten könnten dazu führen, dass es anders als bei den vergangenen Wahlen am Mittwochmorgen (Ortszeit) noch keinen klaren Sieger gibt.

Aus Deutschland können laut Statistischem Bundesamt mehr als 141.000 Menschen ihre Stimme abgeben. Davon haben fast 32 Prozent auch die deutsche Staatsbürgerschaft.