In der Nähe des Abgeordnetenhaus an der Stresemannstraße findet eine pro-palästinensische Demonstration statt.
picture alliance/dpa | Annette Riedl
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Propalästinensische Proteste
Wegen FU-Besetzung droht Abschiebung

Ihre Teilnahme an pro-palästinensischen Aktionen hat Folgen: Die Berliner Behörden wollen vier junge Menschen aus Deutschland ausweisen.

14.04.2025

Vier Personen aus dem Ausland sollen Deutschland verlassen, nachdem sie sich an pro-palästinensischen Protesten beteiligt haben: Sie hätten bei der Besetzung der Freien Universität (FU) Berlin im Oktober 2024 mitgemacht, wirft ihnen die Berliner Polizei vor. Außerdem sollen mindestens drei der vier Personen im Rahmen ihres Aktivismus weitere Straftaten begangen haben. Sie stammen aus Irland, Polen und den Vereinigten Staaten von Amerika, eine Person studiert laut Bericht des "TAGESSPIEGEL" an der Berliner Alice Salomon Hochschule. Das Landesamt für Einwanderung (LEA) habe auf Weisung der Senatsinnenverwaltung Ausweisungsbescheide gegen die vier erlassen, wie verschiedene Medien vergangene Woche gemeldet haben. Zunächst hatte "The Intercept" berichtet. Demnach haben die vier Beschuldigten bis zum 21. April Zeit, die Bundesrepublik zu verlassen.

Am 7. April haben laut Polizeiangaben 400 Menschen gegen die Vorgänge und für Palästina protestiert. Hintergrund war die Sitzung des Innenausschusses, bei der es auch um die LEA-Entscheidung zulasten der vier Menschen ging. Innenstaatssekretär Christian Hochgrebe (SPD) verteidigte laut Bericht der Deutschen Presseagentur die Ausweisung. "Es handelt sich um ein völlig rechtsstaatliches Verfahren", das auf Basis einer Gefahrenprognose für die öffentliche Sicherheit Deutschlands getroffen worden sei, erklärte er. "Wenn Hass, wenn Hetze und insbesondere Antisemitismus erfolgen, dann ist die rote Linie überschritten. Dann ist rechtsstaatliches Handeln erforderlich", betonte Hochgrebe demnach.

Die Arbeitsgruppe Migration und Vielfalt der Berliner SPD hat sich am Mittwoch zu dem Fall geäußert. Die beiden Vorsitzenden der Gruppe teilten laut Bericht des TAGESSPIEGEL mit, dass sie die Ausweisung ablehnen. Die Freizügigkeit innerhalb der EU dürfe "nicht leichtfertig oder aus politischen Motiven eingeschränkt werden", zitiert die Zeitung die Vorsitzenden.

FU Besetzung als Hintergrund der Ausweisung

Am 17. Oktober 2024 waren Vermummte in das Präsidium der FU Berlin eingedrungen, um gegen den Gaza-Krieg zu protestieren. Dieser warim Anschluss an den Angriff der Hamas auf Israel im Oktober 2023 ausgebrochen. Die Eindringlinge hatten FU-Mitarbeitende mit Äxten bedroht und einen Sachschaden von etwa 100.000 Euro hinterlassen. Im Anschluss hatte die FU in fünf Fällen Strafanzeige erstattet. Laut Bericht des "TAGESSPIEGEL" habe die Innenverwaltung die Entscheidung zur Ausweisung der vier Personen mit der Besetzung begründet, auch wenn sie in diesem Zusammenhang noch nicht verurteilt worden seien. Demnach wurde der Person mit US-amerikanischer Staatsbürgerschaft das Visum entzogen. Den drei Personen aus der EU sei das Freizügigkeitsrecht für Deutschland entzogen worden. Alle vier erhielten zudem ein Aufenthalts- und Einreiseverbot für zwei beziehungsweise drei Jahre.

Die Entscheidung über die Ausweisungsbescheide habe zu Streit innerhalb der Berliner Behörden geführt, berichten verschiedene Medien. Eine zuständige LEA-Mitarbeiterin hatte Ende 2024 Bedenken daran geäußert, ob die Vorwürfe für einen Entzug der Freizügigkeit der Personen aus der EU ausreichten, auch wenn die beschuldigten Personen aus ihrer Sicht wirklich eine "Gefahr für die öffentliche Ordnung" darstellten, meldet etwa "ZEIT Campus".

Alle vier ausgewiesenen Personen haben beim Verwaltungsgericht Berlin jeweils einen Eilantrag und eine Klage gegen die Ausweisung eingereicht, hieß es in verschiedenen Berichten. Solange über die Eilanträge nicht entschieden ist, müssen die Betroffenen ohnehin nicht ausreisen, erläutert der Anwalt von zwei beschuldigten Personen gegenüber den Medien.

Verwaltungsgericht Berlin stoppt eine der Ausweisungen  vorerst

Am Donnerstag hat das Berliner Verwaltungsgericht dem Eilantrag eines der vier Betroffenen stattgegeben. Damit sei der Sofortvollzug gestoppt, wie verschiedene Medien berichten. Der Ire müsse nicht bis zum 21. April Deutschland verlassen. Der Ausweisungsbescheid sei zwar nicht als rechtswidrig beurteilt worden, das Gericht habe allerdings Zweifel an der "materiellen Rechtmäßigkeit" des Bescheids geäußert und "fachbehördliche Mängel" beklagt. Gegen diese Entscheidung plane die Senatsinnenverwaltung keine Beschwerde vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg einzulegen, wie Tagespiegel Online berichtet.

Die Ausländerbehörde habe beim Entzug der EU-Freiheitsrechte fälschlicherweise versäumt, die Ermittlungsakten gegen den Iren bei der Staatsanwaltschaft anzufordern, so das Gericht. Aus den vorliegenden Unterlagen sei nicht erkennbar, in welchem Maße der Beschuldigte an der Besetzung der FU beteiligt gewesen sei.

Der Ire klage weiterhin vor dem Verwaltungsgericht gegen die Ausweisung. Bis dieses über die Klage entschieden habe, darf er in Deutschland bleiben. Die Eilverfahren der drei anderen Betroffenen werden von anderen Kammern verhandelt, die Entscheidungen stehen noch aus.

aktualisiert am 14.04.2025 um 11.53 Uhr [Ergänzung der Position der Arbeitsgruppe Migration und Vielfalt Ergänzung des Gerichtsbeschlusses], zuerst veröffentlicht am 07.04.2025

cpy