Banner mit der Aufschrift "Besetzt EndFossil: Occupy".
picture alliance/dpa | Sebastian Willnow

Klimaproteste
Weitere Hörsäle für das Klima besetzt

Protestierende halten deutschlandweit wieder Räume von Hochschulen besetzt. Sie fordern ein entschiedeneres Vorgehen gegen die Klimakrise.

03.05.2023

Nachdem die Protestbewegung "EndFossil: Occupy!" bereits Ende des vergangenen und zu Beginn des aktuellen Jahres zahlreiche Hörsäle an verschiedenen Hochschulorten besetzt hatte, haben in dieser Woche erneut Proteste begonnen. Die Bewegung führt nach eigenen Angaben ab dem 2. Mai eine "Besetzungswelle" in Deutschland durch. Seit Dienstag haben Klimaaktivistinnen und Klimaaktivisten unter anderem Hörsäle an den Universitäten in Berlin, Bremen, Magdeburg, München, Münster und Regensburg besetzt. An weiteren Hochschulorten finden Informationsveranstaltungen ohne Besetzungen statt. Gemein ist den Aktionen, dass sie für ein entschiedeneres Vorgehen gegen die Klimakrise und eine gerechtere Welt für alle eintreten.

Wie schon bei den vergangenen Besetzungen sind allerdings auch aktuell die Ziele der Aktivistinnen und Aktivisten von Hochschulort zu Hochschulort vielfältig und binden teilweise lokalpolitische Interessen ein. Auch die Reaktionen der Hochschulleitungen sind unterschiedlich und reichen von einer Duldung der Aktionen und Verständnis für die Anliegen der Protestierenden bis zur Forderung danach, die Besetzungen sofort zu beenden.

Hörsaalbesetzungen in Bayern

Wie eine Sprecherin der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) mitteilte, besetzten rund 30 Menschen am Dienstagvormittag einen Hörsaal der Hochschule in der Schellingstraße. Die Hochschulleitung habe die Protestierenden aufgefordert, die Aktion zu beenden und das Gebäude zu verlassen. "Dieser Aufforderung sind alle Personen im Raum nachgekommen." Die Besetzung verstoße gegen das Hausrecht: "Die Hochschulleitung ist immer offen für einen Dialog, kann jedoch rechtswidriges Verhalten nicht dulden", so die Sprecherin. Die Aktivistinnen und Aktivisten hätten im Vorfeld weder direkten Kontakt mit der Universitätsleitung aufgenommen noch die Studierendenvertretung informiert.

An der Uni Regensburg seilten sich nach Angaben von "End Fossil Deutschland" am Dienstag gegen 10 Uhr mehrere Studierende in einem Hörsaal von der Decke ab und hängten dabei ein Banner auf. Außerdem hätten sie in dem Hörsaal Sofas und Pflanzen aufgestellt und eine Schaukel aufgehängt. Wie die Polizeiinspektion Regensburg Süd am Dienstag mitteilte, war die Universitätsleitung im Vorfeld über die Hörsaalbesetzung informiert worden. Polizei und Universitätsleitung seien im engen Austausch, die Polizei habe zunächst nicht eingegriffen. Die "Mittelbayerische Zeitung" zitierte am Dienstag aus einer schriftlichen Reaktion der Universitäts-Leitung: Der Präsident der Hochschule, Professor Udo Hebel, habe Verständnis für die Sorgen der Aktivisten. Es sei ihm wichtig, der gesellschaftlichen Verantwortung in Bezug auf die Energiewende nachzukommen und den Studierenden eine zielführende Fortsetzung ihres Studiums zu ermöglichen.

Klima-Proteste in Münster, Bremen und Magdeburg

Eine weitere Gruppe von 30 bis 50 Studierenden besetzte am Dienstag an der Universität Münster einen Hörsaal im Fürstenberghaus, wie die "Westfälischen Nachrichten" (WN) melden. Demnach will die Gruppe, die Besetzung bis kommenden Freitag aufrecht erhalten. Bis dahin sei der Hörsaal eigentlich für bis zu 14 Veranstaltungen gebucht, erläuterte eine Sprecherin der Universität gegenüber "WN". Rektor Professor Johannes Wessels sei mit den Besetzerinnen und Besetzern im Gespräch. Die Aktion werde geduldet, so lange sie friedlich bleibe. Ein Sprecher der Aktivistinnen und Aktivisten kündigte an, dass keine Veranstaltungen ausfallen werden, die Dozierenden seien informiert und würden ihre Veranstaltungen räumlich verlegen oder digital durchführen. Im besetzten Hörsaal fänden derweil Vorträge, Workshops und Filmvorführungen statt.

In Bremen breiteten sich laut der Uni etwa 40 Klimaaktivistinnen und -aktivisten am frühen Dienstagmorgen unter anderem mit Transparenten, Teppichen und Tischkickern im großen Hörsaal der Uni aus. "Wir haben uns zusammengetan, um auf die Zerstörung unserer Welt durch den fossilen Kapitalismus aufmerksam zu machen", teilte eine Sprecherin mit. Daher wolle man den Uni-Alltag zum Stillstand bringen, "um mit allen Interessierten darüber zu diskutieren, in welcher Welt wir stattdessen gemeinsam leben wollen. Weil die Uni das nicht tut, müssen wir uns diesen Raum selbst schaffen." Die Bewegung fordert unter anderem einen kostenlosen Nahverkehr für alle und die Vergesellschaftung aller Konzerne, die nach ihrer Sicht mit menschlichen Grundbedürfnissen Profit machen. Wann genau sie die Besetzung in Bremen beende, sei noch unklar, "wir bleiben mindestens bis zum 9. Mai, wollen aber noch länger bleiben", sagte ein Sprecher am Mittwoch. Die Uni habe bisher noch keinen direkten Kontakt zu ihnen aufgebaut und noch nicht versucht, sie aus dem Gebäude zu verdrängen.

An der Universität Magdeburg besetzten Aktivistinnen und Aktivisten den Audimax. Eine Sprecherin der Magdeburger Ortsgruppe von "EndFossil: Occupy!" kommentierte, dass die Besetzung zwar ein radikaler Schritt sei, dieser sei aber "notwendig, denn die politischen Veränderungen, die wir innerhalb der Klimagerechtigkeitsbewegung seit Jahren einfordern, werden nicht erfüllt." Die Ortsgruppe verlangt zudem eine bessere Bildungspolitik. In Sachsen-Anhalt sei die Bildungs- und Wissenschaftspolitik von Bürokratie und Stillstand geprägt, so die Sprecherin. Die Besetzung solle aufrechterhalten werden, bis es Zugeständnisse gebe. Als Reaktion habe die Universität große Lehrveranstaltungen verlegt oder in Teilen auf Online-Lehre umgestellt, teilte Rektor Professor Jens Strackeljan am Mittwoch mit. Man stehe durchaus hinter einem Teil der Forderungen der Aktivistinnen und Aktivisten, sagte der Universitätsrektor, Adressaten dafür seien aber klar die Landes- und Bildungspolitik. Die Universität unternehme bereits große Anstrengungen, um bei Forschung und Lehre klimaneutral zu werden.

Hörsaalbesetzung beeinträchtigt Lehrbetrieb an Humboldt-Universität

Am Dienstagnachmittag besetzten Klimaaktivistinnen und Klimaaktivisten auch einen Hörsaal der Berliner Humboldt-Universität. Diese Besetzung hat am Mittwoch den Lehrbetrieb beeinträchtigt. Vorlesungen mussten entfallen oder ersatzweise digital stattfinden, wie eine Universitätssprecherin auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mitteilte. Die Besetzung sollte bis zum späten Nachmittag geduldet werden. Im Anschluss war ein erneuter Austausch zwischen Universitätsleitung und den Besetzerinnen und Besetzern geplant.

Rund 30 Menschen hätten am Dienstag in dem Hörsaal übernachtet, sagte eine Sprecherin der Berliner Besetzergruppe, im Laufe des Mittwochs hätten sich mehrere Dutzend Menschen der Blockade angeschlossen. Auf lokaler Ebene fordern die Aktivistinnen und Aktivisten unter anderem, dass das Klimaschutzkonzept der Universität verbindlich wird und es mehr studentisch selbstverwaltete Räume gibt. Die Fortsetzung der Blockade hängt nach Angaben der Sprecherin vom Verhandlungsverlauf mit der Universitätsleitung ab. Die Universitätssprecherin teilte unterdessen mit, dass die Hochschule Räumen für die Debatte über gesellschaftliche Themen im Rahmen der Meinungsfreiheit offen gegenüberstehe. Die Nutzung der Räume ende aber dort, wo Forschung und Lehre beeinträchtigt würden.

aktualisiert am 03.05.2023 um 18.50 Uhr, zuerst veröffentlicht um 13.25 Uhr

dpa/cpy