Nachhaltigkeitsziele
Weltnaturkonferenz ohne finanzielle Einigung abgebrochen
Am Samstag ging im kolumbianischen Cali die Weltnaturkonferenz ohne Abschlusserklärung zu Ende. Die Delegierten von rund 200 Ländern hatten bei der 16. UN-Konferenz zur biologischen Vielfalt (COP16) zwei Wochen lang beraten.
"Das Ziel, die Naturzerstörung bis 2030 aufzuhalten und sogar rückgängig zu machen, verbleibt nach dieser Konferenz noch in weiter Ferne", sagte Florian Titze, Experte für internationale Politik beim World Wide Fund For Nature (WWF) Deutschland. "Es ist bedauerlich, dass die Weltnaturkonferenz zu Ende gegangen ist, ohne dass eine Strategie beschlossen wurde, wie weitere Gelder für den Naturschutz aufgebracht werden können», teilte Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), mit.
Dabei waren zum Beginn der Konferenz große Ziele ausgegeben worden. "Ihre Aufgabe auf dieser COP ist es, den Worten Taten folgen zu lassen", sagte UN-Generalsekretär António Guterres vor zwei Wochen in einer Videobotschaft an die Delegierten. "Auf dieser Weltnaturkonferenz müssen wir die vor zwei Jahren verabschiedeten Beschlüsse mit Leben füllen", sagte Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) in Cali. 2022 hatten sich in Montreal rund 200 Staaten verpflichtet, mindestens 30 Prozent der weltweiten Land- und Meeresflächen unter Schutz zu stellen. Bei der COP16 in Kolumbien ging es vor allem um die technische Umsetzung des Weltnaturvertrages: Kontrollmechanismen sollten etabliert, die Finanzierung geklärt werden. Beides wurde laut Angaben der Convention on Biological Diversity (CBD) vertagt.
Reaktionen aus der Wissenschaft eher durchwachsen
Für die Politikprofessorin Solveig Richter von der Universität Leipzig habe die Konferenz eine noch nicht dagewesene Mobilisierung von Interessengruppen und Anliegen zustande gebracht, welche zentral für den Schutz der Biodiversität seien. Gegenüber "Science Media Center" (SMC) äußerte sie sich jedoch auch enttäuscht, da sich in den Gipfeldiskussionen deutlich gezeigt habe, "dass eine große Lücke besteht zwischen dem, was zwar politisch für den Schutz der Biodiversität nach außen angekündigt wird, und dem, was Staaten und ihre Vertreter bereit sind, auch formell umzusetzen." Ihr fehle außerdem die konkrete Verknüpfung der Klimaschutzagenda mit der Agenda zum Schutz der Biodiversität.
Matthias Glaubrecht, Professor für Biodiversität der Tiere an der Universität Hamburg, spricht gegenüber SMC von einer Enttäuschung: "Allerdings ist es durchaus nicht als Misserfolg zu sehen, dass es bedeutende Zusagen gibt." Laut EU-Kommission seien das für die Europäische Union insgesamt etwa 160 Millionen Euro und von Deutschlandrund 50 Millionen Euro zur Unterstützung der Länder des Globalen Südens, welche besonder reich an Biodiversität seien. Die deutsche Regierung habe allerdings versagt, da sie keine abgestimmte und zielführende Maßnahmenstrategie mit Kontrollmechanismen vorgelegt habe.
"Der freie Zugang zu wissenschaftlichen Daten und Ergebnissen weltweit sowie die Vernetzung öffentlicher Datenbanken als Grundlage einer innovativen Forschung" sind durch die Konferenzergebnisse sichergestellt – so die Einschätzung von Dr. Jens Freitag, Leiter der Geschäftsstelle "Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung" (IPK) auf SCM-Anfrage. "Zudem wurden Richtlinien entwickelt, die Unternehmen und marktwirtschaftlich orientierte Institutionen, die von natürlichen Ressourcen profitieren, zu nachvollziehbaren Zahlungen für die Nutzung von Natur beziehungsweise mit ihr verbundenen Informationen für Produktentwicklungen und Markterfolge verpflichten", kommentiert er einen weiteren positiven Aspekt der COP16.
Beim prägenden Thema genetische Datenbanken, der sogenannten "digitalen Sequenzinformationen" (DSI), sei laut Freitag auf der Konferenz beschlossen worden, dass die Nutzung dieser Informationen im wirtschaftlichen Kontext nicht bilateral, sondern in einem multilateralen System geregelt werden. Bei kommerzieller Nutzung müsse die Nutzung kostenpflichtig sein: "Das Thema der digitalen Sequenzinformationen wurde auf dieser COP in allen Diskussionsrunden und Schwerpunktgruppen behandelt und zeigte deutlich die Notwendigkeit, Regelungen für die Nutzung und Gewinnbeteiligung durch die Unternehmen, nicht jedoch für die akademische Forschung zu schaffen." Sabine Schlacke, Professorin für Öffentliches Recht an der Universität Greifswald, sieht dies in ihrer Bewertung gegenüber SCM ebenso als Erfolg, bedauert jedoch die Einstufung als "politische Absichtserklärung" ohne verbindliche Vorgabe zur Umsetzung.
"Die zunehmende Spannung bei den Finanzierungsfragen und die gleichzeitige Abwesenheit von konkreten Maßnahmen lassen mehr Fragen offen, als dass sie Antworten oder gar Zuversicht geben."
Dr. Yves Zinngrebe, wissenschaftlicher Mitarbeiter, Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung, Leipzig
Das Scheitern der Verhandlungen zur Finanzierung sei laut Schlacke bitter. "Die zunehmende Spannung bei den Finanzierungsfragen und die gleichzeitige Abwesenheit von konkreten Maßnahmen lassen mehr Fragen offen, als dass sie Antworten oder gar Zuversicht geben", ist das Urteil hierzu von Dr. Yves Zinngrebe, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Department Naturschutzforschung des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig. Er sehe Erfolge bezüglich der Anzahl der Delegierten und der Vielzahl an Themen, welche gemeinsam besprochen werden konnten. "Die COP16 der Konvention für biologische Vielfalt (CBD) hat in vielen Dimensionen neue Maßstäbe gesetzt. Gleichzeitig führt sie uns aber ganz klar die Grenzen des Multilateralismus in globalen Umweltfragen auf", führt er auf Anfrage von SCM aus.
Einige Erfolge und wenig konkreter Schutz
Wie groß der Handlungsbedarf ist, zeigte zuletzt der "Living Planet Report 2024" der Umweltstiftung WWF und der Zoologischen Gesellschaft London. Demnach schrumpften die insgesamt 35.000 untersuchten Wildtier-Populationen – darunter Säugetiere, Vögel, Fische, Amphibien und Reptilien – in den vergangenen 50 Jahren um durchschnittlich 73 Prozent.
Lichtblicke in Cali waren dem WWF zufolge unter anderem ein Durchbruch für den Schutz biodiversitätsreicher Meeresgebiete und die stärkere Beteiligung indigener Bevölkerungsgruppen und lokaler Gemeinschaften. Die Delegierten hatten sich auf die Einrichtung eines permanenten Untergremiums geeinigt, das indigene Völker in künftige Gespräche und Entscheidungen über den Naturschutz einbeziehen soll. Flasbarth vom BMZ bezeichnete dies nun als einen "geradezu historischen Schritt". "Besonders freue ich mich, dass die Stimme der indigenen Völker und lokalen Gemeinschaften gestärkt wird – denn sie spielen eine äußerst wichtige Rolle im globalen Biodiversitätsschutz", hieß es in einer Stellungnahme von Bundesumweltministerin Steffi Lemke zum Abschluss der Konferenz.
cva/dpa