Der frühere EZB-Chef Mario Draghi bei der Präsentation seines Berichts am Montag.
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Europäische Wettbewerbsfähigkeit
Wie Draghi die Forschungs-Förderung in der EU beurteilt

Der frühere EZB-Chef Mario Draghi hat die europäische Innovationskraft analysiert. Auch die Forschungsförderung erhält Verbesserungsvorschläge.

13.09.2024

Die europäische Forschungsförderung braucht mehr Geld und muss besser koordiniert sein, wenn sie weltführende Innovationen und technische Infrastrukturen hervorbringen soll. Für die Jahre 2028 bis 2034 müssen die Forschungs- und Innovationsbudgets der Europäischen Union (EU) auf 200 Milliarden Euro verdoppelt werden. So fordert es der ehemalige italienische Ministerpräsident und frühere Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) Mario Draghi in seinem Bericht zur Zukunft der Europäischen Wettbewerbsfähigkeit, den er am Montag vorgestellt hat. Die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, hatte den Bericht im vergangenen Jahr in Auftrag gegeben und kündigte an, die Ergebnisse in ihre Arbeit einfließen zu lassen.

"Horizon Europe" hat zu wenig Geld

Das EU-Forschungsförderungsprogramm "Horizon Europe" habe trotz seines Budgets von etwa 100 Milliarden Euro pro Jahr verschiedene Schwächen. Seine Ressourcen verteilten sich auf zu viele Felder und Prioritäten. Der Zugang zu Fördergeldern ist schwierig, so Draghi, und auch der Rahmen, in dem Prioritäten der Förderung und der Mittelvergabe abgestimmt würden, sei zu umständlich. Darüber hinaus sei der Bewerbungsprozess zu komplex für Antragstellerinnen und Antragsteller. 70 Prozent von ihnen erhalte keine Förderung.

Viele erfolgversprechende Forschungsanträge blieben ungefördert, da es nicht genug finanzielle Mittel gebe. Laut Draghi müsse die Grundlagenforschung durch den Europäischen Forschungsrat (ERC) verdoppelt werden, was die Anzahl der vergebenen Grants vervielfachen würde, ohne die Fördersumme pro Projekt zu verringern. Parallel dazu solle die EU ein exzellenzbasiertes, kompetitives Programm für Institutionen einführen, um auch wissenschaftliche Einrichtungen direkt finanzieren zu können. Außerdem schlägt Draghi als Unterstützung für international erstklassige Forschende vor, dass "EU Chairs" eingerichtet werden sollten, um die besten Forschenden anzulocken und als europäische Beamte in Europa zu halten. Auch sollten sich Universitäten und Forschungszentren neue Regeln zur zusätzlichen Kompensation von Top-Talenten geben können.

Im Folgeprogramm von "Horizon Europe" sollten zentrale Technologien schneller gefördert werden. Beispielsweise im Bereich der Energieforschung: die Batterie-Technik, die Produktion von schadstoffarmem Wasserstoff sowie Technologien für erneuerbare Energien.

Innovationen erleben nur selten Produktreife

Die Kommerzialisierung von innovativer Grundlagenforschung hinke in Europa im internationalen Vergleich hinterher. So werde nur jede dritte von europäischen Hochschulen und Forschungsorganisationen registrierte und patentierte Erfindung kommerziell genutzt. Forschende seien hierzulande anders als in den Vereinigten Staaten weniger in Innovationscluster aus Universitäten, Start-Ups, großen Unternehmen und Risikokapitalgebern eingebunden. Das erschwere es ihnen, aus Innovationen Produkte zu machen.

Die europäischen Forschungseinrichtungenbelegten laut Draghi auch nicht die besten Plätze in Exzellenzrankings. Europa habe durchschnittlich zwar ein gutes Hochschulsystem, betrachte man aber die Anzahl an Publikationen in Top-Fachzeitschriften, seien nur drei europäische Forschungseinrichtungen unter den 50 Bestplatzierten, gegenüber 21 US-amerikanischen und 21 chinesischen Institutionen.

Zuletzt erwähnt Draghi es noch als problematisch, dass die EU-Mitgliedstaaten ihre nationalen Ausgaben für Forschung und Entwicklung nicht mit EU-weiten Prioritäten der Forschungsfinanzierung abstimmten. So bestehe die Gefahr der Dopplung, also dass an verschiedenen Orten ganz ähnliche Projekte gefördert würden. Die internationale Konkurrenz würde klein gehalten, obwohl diese bei Innovation nützlich wäre. Auch könnten Großprojekte nur auf EU-Ebene gefördert werden, da sie für die einzelnen Länder zu teuer und damit zu risikobehaftet seien.

Der Bericht unter dem Titel "The Future of European Competitiveness" ist online einsehbar.

cpy