Eine Frau mit Brille und blauem Anzug spricht in ein Mikrofon: Es ist Bettina Martin, Präsidentin der Wissenschaftsministerkonferenz.
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Herbstsitzung
Wiss-MK fordert höheren Anteil aus Sondervermögen für Hochschulen

Fokus der Konferenz: Hochschulbau, Resilienz von Hochschulen und Antisemitismus. Die Grünen bringen am 17.10. den Sanierungsstau in den Bundestag ein.

17.10.2025

Die Wissenschaftsministerkonferenz (Wiss-MK) hat am 15. Oktober zum vierten Mal getagt. Sie fordert mehr Geld für die Schnellbauinitiative für Hochschulen, sieht dringenden Bedarf an einer stärkeren Widerstandsfähigkeit deutscher Wissenschaftsorganisationen und betont die Notwendigkeit, Antisemitismus zu bekämpfen. Das geht aus Pressemeldungen hervor. 

Für die Jahre 2026 bis 2029 sind seitens der Bundesregierung bereits zusätzliche Mittel in Höhe von einer Milliarde Euro pro Jahr – in der Summe vier Milliarden Euro – für die Bildungs-, Wissenschafts- und Kita-Infrastruktur zugesagt, heißt es im Beschlusstext der Wiss-MK zur Schnellbauinitiative. Die Mittel stammen aus dem Sondervermögen Infrastruktur und Klimaneutralität (SVIK). 

Für 2026 sei bislang lediglich ein Anteil von 60 Millionen Euro für die Bund-Länder-Initiative Forschungsbau und Schnellbauinitiative Hochschulen vorgesehen. "Diese Mittelverteilung im Jahr 2026 reicht bei Weitem nicht aus, um den erheblichen Investitionsstau auch nur annähernd wirksam aufzulösen", resümiert der Beschlusstext. Allein im Hochschulbereich wird der bundesweite Sanierungsbedarf auf rund 140 Milliarden Euro geschätzt

"Substantielles Sanierungsprogramm Wissenschaft" gefordert

"Wir begrüßen die Planungen der Bundesregierung, im Rahmen des Investitionsboosters auch Investitionen im Hochschulbereich vorzusehen. Doch das kann nur ein erster Schritt sein. Die Auflage eines substantiellen Sanierungsprogramms Wissenschaft ist unbedingt notwendig", erläuterte Bettina Martin, Präsidentin der Wissenschaftsministerkonferenz und Ministerin für Wissenschaft, Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten in Mecklenburg-Vorpommern. 

"Die Auflage eines substantiellen Sanierungsprogramms Wissenschaft ist unbedingt notwendig."
Bettina Martin, Präsidentin der Wiss-MK

Die Wiss-MK fordert daher, die eine Milliarde Euro jährlich bereits im kommenden Jahr pauschal über den Königsteiner Schlüssel an die Länder zu verteilen, wobei mindestens 30 Prozent "in den Länderhaushalten den Bereichen Hochschulen, Universitätskliniken und Studierendenwerke zur Bewirtschaftung zur Verfügung" stehen sollten. Außerdem sollen aus Sicht der Wiss-MK weitere Mittel aus dem 300 Milliarden Euro umfassenden SVIK in "ein in der gesamten Hochschullandschaft, spürbare Wirkung entfaltendes Investitionsprogramm" fließen. Die Sicherstellung eines flexiblen, raschen und gezielten Einsatzes der Mittel sei wünschenswert. 

Die energetische Gebäudesanierung für Hochschulen, Universitätskliniken und Studierendenwerke soll indessen nach Meinung der Wissenschaftsministerinnen und -minister mithilfe des 100 Milliarden Euro umfassenden Sondervermögens Klima- und Transformationsfonds (KTF) vorangetrieben werden. 

Antrag der Grünen im Bundestag zu "Infrastrukturen für Innovationen" 

Die Bundestagsfraktion Bündnis 90/ Die Grünen bringt am 17. Oktober einen Antrag zum Thema Sanierungsstau ins Plenum des Bundestags ein, wie sie gegenüber Forschung & Lehre ankündigten. Unter dem Titel "Infrastrukturen für Innovationen – Klimagerecht, barrierefrei und digital auf dem Campus" fordern sie darin von der Bundesregierung eine Innovationsinitiative über einen Zeitraum von zehn Jahren. Diese solle zu 50 Prozent aus dem SVIK und zu 50 Prozent durch die Länder finanziert werden. 

"Unsere Hochschulen sind Orte des Fortschritts, doch die Realität sieht anders aus: Defekte Heizungen, bröckelnde Hörsäle, undichte Labore. Der Sanierungsstau beträgt 90 Milliarden, die Bundesregierung stellt 60 Millionen Euro bereit. Diese Rechnung geht nicht auf", erklärt die forschungspolitische Sprecherin der Grünen Bundestagsfraktion, Ayse Asar, gegenüber Forschung & Lehre anlässlich des Antrags. Mit der Initiative "Zukunfts-Campus" fordere man einen "verbindlichen Bund-Länder-Pakt" mit einem Volumen von 100 Milliarden. 

Zentrale Forderungen im Antrag sind die Verankerung von Klimaneutralität bis spätestens 2040 als verbindliches Ziel für alle im Rahmen der Initiative geförderten Hochschulen, umfassende Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen sowie Investitionen in studentische Infrastrukturen wie Wohnheime und Mensen. Darüber hinaus beantragt die Oppositionspartei die Etablierung einer Musterbauverordnung zur Vereinfachung von Bauvorhaben, die Einrichtung einer Digitalpauschale pro studierende Person sowie einer Bundes-Evaluierungsstelle für das gesamte Initiativvorhaben.

Resilienz ohne Aufhebung des Einstimmigkeitsprinzips stärken 

Die Wiss-MK hat darüber hinaus einen Beschluss zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit deutscher Wissenschaftsorganisationen gefasst. Hintergrund sind zunehmende Angriffe auf die Wissenschaftsfreiheit und eine wachsende Wissenschaftsskepsis in Teilen der Gesellschaft. Die Wiss-MK knüpft mit diesem Beschluss an frühere Initiativen zur Forschungssicherheit und Resilienz an. Bereits im Juli hatte sie Maßnahmen zur Stärkung der Sicherheit im Wissenschaftssystem beschlossen, darunter die Einrichtung einer Nationalen Plattform für Forschungssicherheit. Der aktuelle Beschluss erweitert diesen Ansatz um die Vertrauensbildung in wissenschaftliche Erkenntnisprozesse und die Stärkung der Wissenschaftskommunikation. 

Martin sagte laut Pressemitteilung: "Wissenschaft wird zunehmend zum Gegenstand politischer Konflikte. Die Wissenschaftsfreiheit gerät unter Druck – und das nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland. Wir müssen sicherstellen, dass die Strukturen der Wissenschaftsorganisationen resilient aufgestellt sind." Markus Blume, B-Länderkoordinator und Bayerischer Staatsminister für Wissenschaft und Kunst, betonte, dass Resilienz nicht nur Stabilität bedeute, sondern auch eine strategische Stärke sei: "Gerade in Zeiten von Desinformation, Cyberangriffen und geopolitischem Druck müssen wir unsere Wissenschaft schützen – durch klare Werte, starke Netzwerke und eigene Innovationskraft. Forschung darf nicht erpressbar sein – weder durch politische Einflussnahme noch durch digitale Angriffe. Nur wer unabhängig forscht, bleibt souverän." 

"Forschung darf nicht erpressbar sein – weder durch politische Einflussnahme noch durch digitale Angriffe."
Markus Blume, Wissenschaftsminister in Bayern

Blume ist ab 2026 turnusmäßig neuer Wiss-MK-Präsident. Er will Table.Media zufolge trotz Resilienzbedarf am Einstimmigkeitsprinzip festhalten. Im vergangenen Jahr hatte sich die Kultusministerkonferenz (KMK) entschieden, ihre Geschäftsordnung so anzupassen, dass zumindest in haushälterischen Fragen das Einstimmigkeitsprinzip aussetzbar ist und das Instrument eines Klärungs- und Vermittlungsprozesses aufgenommen wurde. In grundsätzlichen Fragen der Zusammenarbeit und Koordinierung hatte sie einstimmige Entscheidungen beibehalten. 

Antisemitismus an Hochschulen entgegenwirken 

Im Mittelpunkt der Beratungen zum Thema Antisemitismus stand die Übergabe des Forderungskatalogs der Jüdischen Studierendenunion Deutschlands (JSUD) sowie die Diskussion über aktuelle Entwicklungen. Die Ministerinnen und Minister betonten, dass Jüdinnen und Juden an deutschen Hochschulen diskriminierungsfrei, sicher und ohne Angst studieren und arbeiten können müssen. 

Falko Mohrs, A-Länder-Koordinator und Niedersächsischer Minister für Wissenschaft und Kultur, hob in diesem Zusammenhang hervor, dass Hochschulen Schutzräume sein sollten: "Unsere Hochschulen müssen Räume sein, in denen jüdisches Leben sichtbar ist, in denen Gewalt keinen Platz hat und Respekt sowie Solidarität das Miteinander bestimmen." 

Länder und Hochschulen setzten bereits eine Vielzahl von auf die Lage vor Ort abgestimmten Maßnahmen um. Dazu gehören beispielsweise die Einführung von Antisemitismusbeauftragten und zentralen Anlaufstellen, die Entwicklung von Krisen- und Notfallplänen, verpflichtende Schulungen für Lehrende und Mitarbeitende, Mikrointerventionen in der Lehre, Ringvorlesungen und Zertifikatsprogramme wie Antisemitismuskritische Bildung. Hinzu kommen Landesaktionspläne gegen Antisemitismus, die Integration des Themas in die Lehrkräftebildung sowie die Anpassung von Hochschulgesetzen, um rechtssichere Sanktionen wie Hausverbote und Exmatrikulationen zu ermöglichen. Ergänzend werden Forschungszentren und Professuren zu jüdischem Leben und Antisemitismus ausgebaut und Kooperationen mit israelischen Hochschulen sowie zivilgesellschaftlichen Organisationen verstärkt.

aktualisiert am 17. Oktober um 10:45 Uhr [Ergänzung Hochschulbau-Antrag Die Grünen]; erstmals veröffentlicht am 16. Oktober

cva