Nachdem der Lehrauftrag von Bahar Aslan nicht verlängert wurde: Ein Schild weist auf die Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen hin.
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Offener Brief
Wissenschaftler verteidigen Hochschul-Dozentin Aslan

Die Polizeihochschule NRW erneuerte den Lehrauftrag einer Dozentin nach einem kritischen Tweet nicht. Ein Offener Brief fordert einen anderen Umgang.

26.05.2023

Mehr als 450 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Prominente sowie in der Politik tätige Personen haben sich in einem Offenen Brief hinter die Hochschuldozentin Bahar Aslan gestellt. Diese hatte in einem Tweet rassistisch motivierte Polizeikontrollen und rechte Gesinnungen innerhalb der Sicherheitsbehörden in Deutschland angeprangert. Ihr Lehrauftrag an der Hochschule für Polizei und Verwaltung (HSPV) Nordrhein-Westfalen war deswegen nicht verlängert worden, wie das NRW-Innenministerium am Montag mit Verweis auf die Hochschulleitung mitteilte.

Aslans Tweet von vergangenem Samstag lautete: "Ich bekomme mittlerweile Herzrasen, wenn ich oder meine Freund*innen in eine Polizeikontrolle geraten, weil der ganze braune Dreck innerhalb der Sicherheitsbehörden uns Angst macht. Das ist nicht nur meine Realität, sondern die von vielen Menschen in diesem Land". Der Fall erhielt verstärkte Aufmerksamkeit, nachdem "Focus online" über den Tweet berichtet hatte.

Nicht nur Aslans Lehrauftrag wurde daraufhin nicht verlängert, sondern sie sei auch nach eigenen Angaben "im Minutentakt" von Wellen des Onlinehasses überrollt worden. Bei Aslans Behandlung handele es sich um einen fundamentalen Angriff auf die Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit, kritisieren die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner des Offenen Briefs, den "Zeit online" am Freitag veröffentlichte.

Offener Brief von vielen großen Namen unterzeichnet

"Während wir in der Organisation Polizei zum Teil viel Verständnis im Umgang mit rechten Grenzüberschreitungen feststellen, macht uns die Unerbittlichkeit im Umgang mit einer migrantischen Frau, die sich für eine bessere Polizei einsetzt, fassungslos", heißt es in dem Schreiben.

"Bahar Aslan ist keine Gefährdung für die Demokratie. Im Gegenteil. Sie ist eine Bereicherung für die Polizeiausbildung." Unterzeichnet haben den Brief auch zahlreiche Kollegen Aslans von der HSPV, darunter Professorinnen und Professoren der Hochschule sowie weitere Lehrbeauftragte der Einrichtung. Außerdem gehören zu den Unterzeichnerinnen und Unterzeichnern zahlreiche Professorinnen und Professoren anderer Hochschulen sowie die thüringische Integrationsministerin Doreen Denstädt.

Das Vorgehen der HSPV sei einer Hochschule unwürdig, heißt es in dem Brief weiter. Das dreiköpfige Verfasserteam um Stephan Anpalagan, ebenfalls Dozent an der HSPV, distanziert sich zugleich von Aslans drastischer Ausdrucksweise, gibt ihr aber in der Sache recht. Die Verfasser fordern die Hochschulleitung auf, mit Aslan das Gespräch zu suchen. Politiker und Polizeigewerkschafter sollten dagegen umgehend ihre Einschüchterungsversuche einstellen.

Die Hochschule hatte am Montag auf Anfrage der Deutschen Presseagentur mitgeteilt, dass Bahar als Dozentin "aufgrund ihrer aktuellen Äußerungen" ungeeignet dafür sei, den angehenden Polizistinnen und Polizisten sowie den zukünftigen Verwaltungsbeamtinnen und -beamten "eine vorurteilsfreie, respektive fundierte Sichtweise im Hinblick auf Demokratie, Toleranz und Neutralität zu vermitteln". Auch Bahars Tätigkeit als Lehrerin an einer Hauptschule wurde in der Folge in Frage gestellt. Die Bezirksregierung als Aufsichtsbehörde will laut Medienberichten prüfen, ob Aslan gegen ihre Pflichten als Beamtin verstoßen hat.

Gegenüber "Zeit online" räumte Bahar bereits am Dienstag ein, dass ihre Wortwahl "unglücklich" gewesen sein könnte. Es täte ihr leid, wenn sich Polizisten angesprochen fühlten, die vorbildlich ihren Dienst erledigten. Es sei ihr um Beamtinnen und Beamte mit einer rassistischen Geisteshaltung gegangen.

dpa/cpy