

Jahrestag Ukrainekrieg
Zeitenwende in der Verteidigungs-Forschung
Europäische Geber sind seit Beginn des Ukrainekriegs am 24. Februar 2022 die Hauptquelle der Hilfe für die Ukraine, insbesondere bei der finanziellen und humanitären Hilfe. Multilaterale Rüstungsbeschaffungsinitiativen spielen dabei eine kleine, aber zunehmende Rolle, zeigt der Ukraine Support Tracker des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW).
Insgesamt wurden der Ukraine laut Support Tracker in den letzten drei Jahren rund 267 Milliarden Euro an Hilfsgeldern zugewiesen. Davon seien etwa die Hälfte auf militärische Hilfe entfallen, rund 44 Prozent auf finanzielle Unterstützung und sieben Prozent auf humanitäre Hilfe, berichtet das IfW Kiel. Europa als Ganzes habe die USA in der Summe der Hilfen überholt.
Gemessen an der Wirtschaftsleistung der Geberstaaten seien die Ukrainehilfen allerdings nach wie vor gering. Deutschland, Großbritannien und die USA hätten beispielsweise weniger als 0,2 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts (BIP) pro Jahr für die Ukraine mobilisiert.
Ukrainekrieg
Die Ukraine befindet sich im Krieg. Seit dem 24. Februar 2022 verteidigt sich das Land gegen massive Angriffe aus Russland. In unserem Themenschwerpunkt Ukrainekrieg finden Sie Artikel über Hintergründe, Entwicklungen sowie Folgen für die Wissenschaft.
Langsame Zeitenwende in der Verteidigungsforschung
Verteidigungsminister Pistorius hat im Rahmen der Münchner Sicherheitskonferenz (MSCM) für eine mutigere Innovationskultur in der Rüstung geworben, meldet das Bundesministerium für Verteidigung (BMVG). Obschon die US-amerikanischen Partner Europa nicht den Rücken zukehren würden, werde Europa deutlich mehr für die eigene Sicherheit tun müssen, führte der Minister aus und fügte hinzu: "Und wir müssen es viel schneller tun als in den vergangenen Jahren."
Die notwendige wehrtechnische Basis werde in Zeiten der zunehmend softwarebasierten Technologien insbesondere Innovationen in vier Bereichen erfordern, führte Pistorius aus. Dies seien Künstliche Intelligenz, Quantentechnologie, Drohnen und Cybersicherheit. Auch die Kooperation zwischen der Bundeswehr und den zivilen Universitäten müsse deutlich enger werden. "Es ist einfach nicht die Zeit für unnötige Vorbehalte gegenüber solch vielversprechenden Kooperationsprojekten", so der Verteidigungsminister.
Die Politik sei gefordert, im Verteidigungshaushalt das nötige Geld für Forschung und Technologie bereitzustellen, sagte Jürgen Beyerer, Vorsitzender des Fraunhofer-Leistungsbereichs für Verteidigung, Vorbeugung und Sicherheit, am 10. Februar im Gespräch mit Table.Briefings. "Die hohe Dynamik technologischer Neuerungen mit militärischer Relevanz sowie deren Kombinationen führen derzeit zu einer schwer überschaubaren Menge an neuen Möglichkeiten, deren Beurteilung und zweckgerichtete Entwicklung erfordern eine starke, verlässlich finanzierte und agile Verteidigungsforschung", heißt es im Positionspapier "Verteidigungsforschung in der Zeitenwende" der Fraunhofer-Gesellschaft anlässlich der Bundestagswahl 2025. Die strikte Trennung zwischen ziviler und militärischer Forschung sei zunehmend hinderlich für Innovationen, technologische Fortschritte und praktische Aufgabenfelder, heißt es dort weiter.
Rund 75 Hochschulen haben derzeit laut Liste der Initiative Hochschulen für den Frieden eine Zivilklausel. Die Technische Universität (TU) Chemnitz erklärte gegenüber Table.Briefings, die Zivilklausel solle im Prozess der Novellierung der Grundordnung der TU Chemnitz zeitgemäß angepasst werden. Auch in der TU Berlin und der TU Darmstadt werde demnach über die Zivilklausel diskutiert.
Europa investiert zunehmend in Verteidigung und ihre Erforschung
Im Jahr 2024 beliefen sich die gesamten Verteidigungsausgaben der EU-Mitgliedstaaten auf rund 326 Milliarden Euro und damit etwa auf 1,9 Prozent des BIP der EU, gibt der Europäische Rat an. Zwischen 2021 und 2024 seien die Ausgaben für Verteidigung um mehr als 30 Prozent gestiegen. Der Anteil für Forschung und Entwicklung im Verteidigungsbereich habe 13 Milliarden Euro betragen. Im Vorjahr seien es 11 Milliarden Euro und damit rund sechs Prozent mehr als im Jahr 2022 gewesen.
Der Europäische Verteidigungsfonds (EDF) meldete Ende des Jahres einen "Rekordwert von 298 Vorschlägen" für die potenzielle Förderung von Projekten aus der EU-Verteidigungsindustrie, darunter Vorschläge aus der autonomen Minenräumtechnologie und zur sicheren Weltraumkommunikation. Diese würden bis Mai 2025 auf Förderfähigkeit geprüft und ihre wissenschaftliche Exzellenz bewertet, bevor die Fördersumme von rund 1,1 Milliarden Euro verteilt wird.
"Die EU hat sich ehrgeizige Ziele gesetzt, um mit den USA und China bei neuen Technologien zu konkurrieren und gleichzeitig ihre Verteidigungsbereitschaft zu verstärken, und dies wird im nächsten Haushalt schwierige Entscheidungen erfordern", bewertet "Science Business" die anstehende finanzielle Herausforderung für den EU-Haushalt. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat auf der Sicherheitskonferenz bereits signalisiert, dass der EU-Stabilitätspakt zugunsten von Investitionen in die Verteidigung erneut ausgesetzt werde.
aktualisiert am 24.02.2025 um 10.00 Uhr (Infobox zu IfW-Analyse), zuerst veröffentlicht am 17.02.2025
Ohne die USA müsste Europa aufrüsten
Ohne US-Unterstützung brauchen die EU-Staaten 300.000 Soldaten mehr, um sich gegen Russland verteidigen zu können. Wie das Brüsseler Forschungsinstitut Bruegel und das Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW) in einer aktuellen Analyse darlegen, würden zusätzliche Verteidigungsinvestitionen in Höhe von circa 250 Milliarden Euro benötigt. Der Bedarf an weiteren Panzern übersteige die derzeitigen Bestände der gesamten deutschen, französischen, italienischen und britischen Landstreitkräfte.
"Ökonomisch ist das relativ zur Wirtschaftskraft der EU überschaubar, die zusätzlichen Kosten liegen nur bei circa 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts der EU", sagte Professor Guntram Wolff, Mitautor und Senior-Fellow am IfW. "Das ist weit weniger, als etwa zur Krisenbewältigung während der Covid-Pandemie mobilisiert werden musste."
cva