Person denkt blickt auf imaginäre Verknüpfung von Daten im Netz
mauritius images / Rawpixel Ltd / Alamy

Datenspuren im Netz
Den digitalen Nachlass im Blick

Über die Jahre hinterlassen wir eine Menge Spuren im Netz. Ein Rechtswissenschaftler erklärt, worum wir uns kümmern sollten.

Von Marcel Kubis 11.09.2020

Immer mehr regeln wir heutzutage im Netz. Wir tauschen uns über E-Mails und soziale Netzwerke mit Kolleginnen und Bekannten aus, erledigen unsere Bankgeschäfte per Smartphone oder kaufen online ein. Dafür erstellen wir auf zahlreichen Plattformen Accounts und hinterlassen bei den Anbietern persönliche Informationen über uns. Und was passiert mit all dem, wenn wir nicht mehr sind?

Bei vielen Menschen bleibt die Frage nach ihrem "digitalen Nachlass" unbeantwortet, mangelndes Wissen oder Unsicherheit über das notwendige Vorgehen können die Gründe sein. Hinzu kommt, dass in der Vergangenheit rechtlich mitunter unklar war, ob bestimmte digitale Güter überhaupt vererbt werden können. Für einige wichtige Fragen hat der BGH durch ein Urteil vom 12. Juli 2018 (AZ: III ZR 183/17) Rechtssicherheit geschaffen. Eine detaillierte Orientierungshilfe soll die Ende 2019 erschienene Studie des Fraunhofer-Instituts für Sichere Informationstechnologie, der Universität Bremen und der Universität Regensburg geben.

Was ist unter dem digitalen Nachlass zu verstehen?

Der digitale Nachlass lässt sich definieren als die Gesamtheit des digitalen Vermögens. Dazu gehören Zugangsdaten und in der Cloud oder lokal gespeicherte Daten genauso wie alle hierdurch bestehenden Rechtsverhältnisse, Rechte und Pflichten, etwa durch den Abschluss eines Abos für E-Paper oder Streaming-Dienste.

Grundsätzlich wird der digitale Nachlass nach denselben Regeln vererbt wie bei "klassischen" Vermögenswerten – zum Beispiel dem Sacheigentum. Erbende treten also im Wege der Gesamtrechtsnachfolge nach Paragraf 1922 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in die Rechtsposition eines Erblassenden ein. So geht zum Beispiel das Eigentum an einem Laptop auf Erbinnen und Erben über, sodass diese auf die lokal gespeicherten Daten wie Fotos, Dokumente oder sonstige Dateien zugreifen können. Hatte der Erblasser vertragliche Beziehungen zu Online-Diensten, wie etwa einem sozialen Netzwerk oder einem Online-Bezahldienst, so treten die Erben an dessen Stelle in den Vertrag ein und können auf das Online-Konto zugreifen.

Bei der Gesamtrechtsnachfolge handelt es sich nicht bloß um die Übernahme der Rechte, sondern auch der Pflichten der Erblasserin. Damit gehen also neben Forderungen auch Verbindlichkeiten auf die Erbin über. Unterlag der Erblassende zum Beispiel datenschutzrechtlichen Pflichten, so gilt dies grundsätzlich auch für die Erbenden, die nunmehr Zugriff auf die Daten haben.

In der Praxis geht es oft darum, Zugang auf vom Erblasser oder von der Erblasserin genutzte Online-Dienste zu erhalten, um sich dadurch ein Bild über laufende Vertragsverhältnisse, noch ausstehende Forderungen und Verbindlichkeiten machen können. Damit dies reibungslos funktioniert, kann Vorsorge getroffen werden.

Den digitalen Nachlass über ein Testament regeln

Teils knüpfen Online-Dienstanbieter die Herausgabe der Zugangsdaten an bestimmte Vorgaben oder verweigern diese gar. Eine gute Möglichkeit stellt die Errichtung eines Testaments dar, worin geregelt wird, was mit dem digitalen Nachlass geschehen soll.

Im Testament können ein oder mehrere Erben angegeben werden, die im Erbfall das Recht erhalten sollen, frei über den digitalen Nachlass zu verfügen. Es ist aber auch möglich, im Testament ein Vermächtnis oder eine Teilungsanordnung festzulegen, um bestimmten Personen einen bestimmten digitalen Inhalt zuzuwenden. Außerdem können Erbinnen und Erben durch eine Auflage verpflichtet werden, Vertragsbeziehungen zu Onlinedienst-Anbietern zu kündigen beziehungsweise die Einsichtnahme in bestimmte Nutzerkonten oder Speichermedien zu unterlassen.

Damit Erbinnen und Erben diesem Willen nachkommen, bietet sich die Anordnung einer Testamentsvollstreckung an. Der Testamentsvollstrecker hat dann die Aufgabe, Erben oder Erbinnen hinsichtlich der Erfüllung der in der Auflage beinhalteten Verpflichtungen zu kontrollieren. Eine etwas einfachere Alternative hierzu ist es, direkt den Testamentsvollstrecker mit der Löschung von Daten und der Kündigung von Verträgen zu betrauen und so den "Umweg" über Erbin oder Erbe auszulassen.

Mit der Errichtung des Testaments erhalten Erbinnen und Erben noch keine Zugangsdaten für die jeweiligen Online-Nutzerkonten. Als sichere und praktikable Möglichkeit bietet sich hierfür an, in einem vom Testament getrennten Dokument die einzelnen Online-Nutzerkonten plus passender Zugangsdaten aufzulisten. Diese Liste sollte mithilfe eines sicheren Passwort-Manager-Programms geführt werden, bei dem die Zugangsdaten nicht auf dem Server des Anbieters, sondern auf dem lokalen Speichermedium des Nutzers gespeichert werden. Über solche Programme kann auf einem USB-Stick eine lokal verschlüsselte und laufend aktualisierbare Passwortdatenbank angelegt werden.

Zudem sollten in einem Dokument Anweisungen verfasst werden, wie im Sterbefall mit der Liste zu verfahren ist und wo das Speichermedium, auf dem sich die Liste befindet, aufbewahrt wird. Das Masterpasswort für das Auslesen der Liste kann bei einer vertrauenswürdigen Person, wie etwa einem Notar, hinterlegt und dieser Person genaue Anweisungen für die Herausgabe des Passworts mitgegeben werden.

Das Für und Wider eines digitalen Nachlassdienstes

Können Erblassende ihren digitalen Nachlass privat nicht regeln oder wollen sie Erbende entlasten, können sie digitale Nachlassdienste beauftragen. Dies sind privatwirtschaftliche Unternehmen, denen Kundinnen und Kunden zu Lebzeiten ihre Konten, Zugangsdaten und die damit verbundene Nachlassplanung mitteilen. Da es sich hierbei oftmals um Start-up-Unternehmen handelt und in der Vergangenheit zu beobachten war, dass viele nach einigen Jahren wieder vom Markt verschwinden, tragen die Nutzer ein gewisses Risiko darüber, dass das Unternehmen zum Zeitpunkt des Sterbefalls noch existiert. Anhand des Beispiels des schwedischen Unternehmens "MYWebwill" wird erkennbar, dass selbst eine Unterstützung von staatlicher Seite die dauerhafte Existenz des Unternehmens nicht garantiert. Kritik wird auch darüber geäußert, dass die persönlichen Kontozugangsdaten an ein fremdes Unternehmen mitgeteilt werden müssen.

Die Entscheidung für oder gegen einen Nachlassdienst muss letztlich jeder und jede für sich gegeneinander abwägen. Die Vorteile sind sicherlich, dass der Nachlassdienst die Erbinnen und Erben in Bezug auf die vom Erblassenden getroffene Nachlassplanung unterstützen oder die Abwicklung des digitalen Nachlasses komplett übernehmen kann. Außerdem kann die Nachlassabwicklung durch die Expertise der Unternehmen schneller von der Hand gehen. Die Kritikpunkte gegenüber solchen Nachlassdiensten sollten bei der Entscheidung der richtigen Vorgehensweise aber nicht außer Acht gelassen werden.