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Die zehn häufigsten Irrtümer über das WissZeitVG

Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz ist komplex. Und so wirft es auch nach einigen Jahren Laufzeit immer noch Fragen auf. Was man wissen sollte.

Von Maria Kleinert 11.06.2018

Muss ich die Universität sechs Jahre nach Abschluss meiner Promotion verlassen? Ist es ausgeschlossen, dass ich eine Professurvertretung anrechnen lassen kann? Wie wirkt es sich auf die Beschäftigungsdauer aus, wenn ich Kinder habe? Dies sind drei der Fragen, die mit Blick auf das Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) an den Hochschulen noch immer zu Missverständnisse führen. Eine juristische Einordnung zehn typischer Irrtümer.

Irrtum 1: "Es besteht ein Anspruch auf Ausschöpfung der zwölf Jahre."

Paragraf 2 Absatz 1 WissZeitVG lässt die Befristung von insgesamt maximal zwölf Jahren (beziehungsweise in der Medizin 15 Jahre) zu. Dies bedeutet jedoch im Umkehrschluss nicht, dass ein Anspruch auf Ausschöpfung besteht. Die Hochschulen trifft kein Kontrahierungszwang. Es gilt das Prinzip der Privatautonomie. Wurde die Höchstbefristungsdauer nicht ausgeschöpft, liegt es allein an den beiden Vertragsparteien, ob und wie lange ein weiterer Vertrag abgeschlossen wird. Vorgabe ist allein, dass die vereinbarte Befristungsdauer jeweils so zu bemessen ist, dass sie der angestrebten Qualifizierung angemessen ist. Ein Anspruch auf Verlängerung eines Vertrages wird nur in den Fällen des Paragraf 2 Absatz 5 WissZeitVG – zum Beispiel für Zeiten einer Beurlaubung – begründet.

Irrtum 2: "Nach der Promotion ist auf jeden Fall nur eine Beschäftigungszeit von sechs Jahren (beziehungsweise neun Jahren in der Medizin) möglich."

Nach Paragraf 2 Absatz 1 Satz 2 WissZeitVG verlängert sich die zulässige Befristungsdauer nach der Promotion in dem Umfang, in dem Zeiten einer befristeten Beschäftigung und Promotionszeiten ohne Beschäftigung nach zusammen weniger als sechs Jahre betragen haben (sogenannte Ersparniszeit). Eine schnelle Promotion hat somit die positive Folge, die eingesparte Zeit für weitere wissenschaftliche Qualifizierung während der Postdoc-Phase nutzen zu können.

Irrtum 3: "Bei einer Überschreitung der Höchstbefristungsdauer ist keine Befristung nach dem WissZeitVG mehr möglich."

Nach Paragraf 2 Absatz 2 WissZeitVG ist die Befristung auch dann zulässig, wenn die Beschäftigung überwiegend aus Mitteln Dritter finanziert wird, die Finanzierung für eine bestimmte Aufgabe und Zeitdauer bewilligt ist und die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter überwiegend der Zweckbestimmung dieser Mittel entsprechend beschäftigt wird. Die Höchstbefristungsdauer greift in diesem Fall nicht; auch nach Ausschöpfung der zwölf beziehungsweise fünfzehn Jahre (Medizin) kommt eine Drittmittelbefristung also in Betracht.

Irrtum 4: "Drittmittelbefristungen sind nicht anrechenbar im Rahmen der Höchstbefristungsdauer aus Paragraf 2 Absatz 1 WissZeitVG."

Nach Ausschöpfung der Höchstbefristungsdauer aus Paragraf 2 Absatz 1 WissZeitVG sind zwar Drittmittelbefristungen nach Paragraf 2 Absatz 2 WissZeitVG möglich. Dies bedeutet allerdings nicht, dass drittmittelbefristete Verträge im Rahmen der Berechnung der bereits genutzten Zeiten nicht berücksichtigt werden. Auf die in Absatz 1 geregelte zulässige Befristungsdauer sind alle befristeten Arbeitsverhältnisse mit mehr als einem Viertel der regelmäßigen Arbeitszeit anzurechnen, die mit einer deutschen Hochschule oder einer Forschungseinrichtung abgeschlossen wurden (siehe Paragraf 2 Absatz 3 WissZeitVG).

Irrtum 5: "Professurvertretungen sind auf keinen Fall anrechenbar."

Es sprechen gute Gründe dafür, von einer Nichtanrechenbarkeit auszugehen; unter anderem kann nicht generell von einer Beschäftigungszeit zur wissenschaftlichen Qualifizierung gesprochen werden. In der Rechtsprechung hat sich bisher nur das Arbeitsgericht Bonn gegenteilig geäußert (Urteil vom 12.9.2013 – 1 Ca 491/13). Eine Professurvertretung werde in aller Regel von wissenschaftlichem Personal übernommen, welches sich unter anderem damit für die Übernahme einer Professur qualifizieren möchte.

Auch in der Literatur wird diese Ansicht der Anrechenbarkeit vertreten (Preis, Paragraf 2 WissZeitVG Rn. 127). Zu wünschen wäre deshalb eine höchstrichterliche Klarstellung. Eine Anrechenbarkeit einer Professurvertretung hätte wiederum zur Folge, dass auch kein Verlängerungsanspruch nach Paragraf 2 Absatz 5 WissZeitVG wegen einer Beurlaubung für eine solche bestehen würde.

Irrtum 6: "Pro Kind unter 18 Jahren hat man einen Anspruch auf Verlängerung um zwei Jahre."

Paragraf 2 Absatz 1 Satz 4 WissZeitVG lautet zwar, dass die zulässige Befristungsdauer sich bei Betreuung eines oder mehrerer Kinder unter 18 Jahren um zwei Jahre je Kind verlängert. Ein Anspruch auf eine derartige Verlängerung wird dadurch allerdings grundsätzlich nicht begründet.

Zu unterscheiden ist der Anspruch auf Verlängerung aus Paragraf 2 Absatz 5 Nr. 1 und Nr. 3 WissZeitVG (zum Beispiel entsprechend der tatsächlich genommenen Elternzeit) von der bloßen Möglichkeit einer Verlängerung um bis zu zwei Jahre je Kind nach Paragraf 2 Absatz 1 Satz 4 WissZeitVG. Viele Hochschulen werben inzwischen jedoch mit einer familienfreundlichen Handhabung und machen bei Vorliegen der finanziellen  Voraussetzungen sowie bei Bestehen eines entsprechenden Beschäftigungsbedarfs von der im WissZeitVG eröffneten Möglichkeit zur Verlängerung wegen Kinderbetreuung Gebrauch.  

Irrtum 7: "Juniorprofessuren sind nicht anrechenbar, erst recht nicht, wenn sie im Beamtenverhältnis erfolgen."

Nach Paragraf 2 Absatz 3 WissZeitVG sind auf die zulässige Befristungsdauer auch entsprechende Beamtenverhältnisse auf Zeit anzurechnen. Eine Juniorprofessur ist ein anrechenbares Beamtenverhältnis, das der Qualifizierung dient. Umgekehrt gilt für eine Juniorprofessur allerdings nicht das WissZeitVG als Befristungsgrundlage, selbst wenn es sich um ein Arbeitsverhältnis und nicht um ein Beamtenverhältnis handelt. Für Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer an staatlichen Hochschulen, zu denen Juniorprofessorinnen und Juniorprofessoren gehören, ist das WissZeitVG nicht anwendbar. Diesbezüglich greifen spezielle Befristungsregelungen aus den jeweiligen Landeshochschulgesetzen.

Irrtum 8: "Eine Promotion im Ausland ist nicht anrechenbar."

Richtig ist, dass Beschäftigungszeiten im Ausland nicht nach Paragraf 2 Absatz 3 WissZeitVG angerechnet werden dürfen. Davon zu unterscheiden ist jedoch die Berechnung der Ersparniszeit nach Paragraf 2 Absatz 1 Satz 2 Halbsatz 2 WissZeitVG. Bei der Ermittlung des die Postdoc-Phase verlängernden Zeitraums ist die gesamte Promotionszeit zu berücksichtigen, unabhängig davon, ob sie im Inland oder im Ausland absolviert wurde (BAG, Urteil vom 23.3.2016 – 7 AZR 70/14).

Irrtum 9: "Mit Abschluss der Habilitation kommt keine Befristung nach dem WissZeitVG mehr in Betracht."

Für eine Befristung nach dem WissZeitVG ist erforderlich, dass die befristete Beschäftigung zur Förderung der eigenen wissenschaftlichen oder künstlerischen Qualifizierung erfolgt. Damit soll die Möglichkeit eröffnet werden, Forschungsleistungen und wissenschaftliche Tätigkeiten in der Lehre zu erbringen und sich auf diese Weise für die Übernahme einer Professur zu qualifizieren; eine Habilitation ist nicht erforderlich (BAG, Urt. v. 24.2.2016 – 7 AZR 182/14; BT-Drs. 14/6853, 33; BT-Drs. 16/3438, 12). Auch nach Abschluss der Habilitation kommen weitere Qualifizierungsziele in Betracht, die zum Beispiel in dem Erwerb weiterer Kompetenzen, Methoden und Erfahrungen liegen können (siehe auch Preis, Paragraf 2 WissZeitVG Rn. 42).

Irrtum 10: "Eine Entfristungsklage muss noch im laufenden Arbeitsverhältnis erhoben werden."

Für die Geltendmachung der Unwirksamkeit einer Befristung greift die Drei-Wochen-Frist des Paragraf 17 Teilzeit- und Befristungsgesetzes. Diese Frist für eine Feststellungsklage beim Arbeitsgericht beginnt erst nach dem vereinbarten Ende des befristeten Arbeitsvertrages zu laufen.

Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) ist 2007 in Kraft getreten. 2016 wurde es zuletzt geändert.