Illustration unterschiedlicher Nutzungen von Veröffentlichungen: Ein Buch fliegt in der Mitte, rundherum Menschen mit unterschiedlichen Endgeräten.
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Urheberrecht
Rechtlich auf der sicheren Seite

Wissenschaftliches Publizieren ist mit rechtlichen Fragen verbunden – etwa zur Einbindung von künstlicher Intelligenz. Was müssen Forschende beachten?

Von Robert Staats 25.09.2024

Die VG Wort nimmt als urheberrechtliche Verwertungsgesellschaft Nutzungsrechte und gesetzliche Vergütungsansprüche für Urheberinnen, Urheber und Verlage von Sprachwerken wahr, dazu gehören maßgeblich auch Urheberinnen und Urheber von wissenschaftlichen Publikationen. Früher gab es sogar eine eigenständige VG Wissenschaft, die aber bereits in den 1970er-Jahren mit der VG Wort fusionierte. Die Kommission Wissenschaft und der Förderungsfonds Wissenschaft der VG Wort beruhen auf dem damaligen Fusionsvertrag und befassen sich bis heute speziell mit Themen "aus der Wissenschaft". Einen Wahrnehmungsvertrag können alle Urheberrinnen und Urheber von Sprachwerken mit der VG Wort abschließen. Da diese als wirtschaftlicher Verein organisiert ist, besteht darüber hinaus auch die Möglichkeit, Mitglied zu werden und über wichtige Fragen der kollektiven Rechtewahrnehmung in den Gremien mitzuentscheiden. Dieser Beitrag gibt Antworten auf urheberrechtliche Fragen, die für wissenschaftliche Urheberinnen und Urheber von besonderer Bedeutung sind.

Wahrnehmung von Rechten für gesetzlich erlaubte Nutzungen

Das Urheberrechtsgesetz geht im Grundsatz davon aus, dass Nutzungen von geschützten Werken nur zulässig sind, wenn der Urheber der Nutzung zuvor zugestimmt hat. Es gibt aber auch eine Reihe von gesetzlich erlaubten Nutzungen, bei denen es auf eine solche Zustimmung nicht ankommt (sogenannte "Schrankenregelungen").

Zumeist ist hier aber eine gesetzliche Vergütung vorgesehen, die von Verwertungsgesellschaften wie der VG Wort geltend gemacht wird. Typisches Beispiel ist die gesetzliche Erlaubnis, private Vervielfältigungen anzufertigen, für die eine Vergütung von den Herstellern und Importeuren von Vervielfältigungsgeräten und Speichermedien aller Art (zum Beispiel Fotokopierern, Druckern, PCs, Tablets oder Mobiltelefonen) sowie von bestimmten Großbetreibern von Vervielfältigungsgeräten (zum Beispiel Hochschulen, Schulen, Bibliotheken oder Copyshops) gezahlt wird.

Von besonderer Bedeutung für wissenschaftliche Werke sind dabei die speziellen Schrankenregelungen für Bildung und Wissenschaft. Sie wurden mit dem Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz, das am 1. März 2018 in Kraft getreten ist, neu gefasst. Auch hier sind gesetzliche Vergütungsansprüche vorgesehen, bei denen zwischen Vergütungen für gesetzlich erlaubte Vervielfältigungen und für gesetzliche erlaubte sonstige Nutzungen – insbesondere öffentliche Zugänglichmachungen – unterschieden werden muss.

Vergütungen für gesetzlich erlaubte Vervielfältigungen

Sowohl für Lehr- als auch für Forschungszwecke dürfen Vervielfältigungen von geschützten Werken angefertigt werden. Der Umfang ist dabei im Grundsatz auf 15 Prozent eines Werkes beschränkt, Beiträge in wissenschaftlichen Zeitschriften dürfen aber vollständig kopiert werden. Die Vergütung für diese Vervielfältigungen wird auch hier von den Herstellern und Importeuren von Geräten und Speichermedien gezahlt. Vergütet werden dabei analoge und digitale Vervielfältigungen. Nicht erfasst sind Vervielfältigungen, die auf Cloud-Servern vorgenommen werden. Hier setzt sich die VG Wort – zusammen mit den anderen Verwertungsgesellschaften – dafür ein, dass die Anbieter von Cloud-Dienstleistungen ebenfalls eine Vergütung zu zahlen haben. Gerichtliche Musterverfahren, die derzeit geführt werden, waren bisher leider nicht erfolgreich. Es spricht deshalb viel dafür, dass der Gesetzgeber tätig werden muss, um auch für diese gesetzlich erlaubten Vervielfältigungen eine angemessene Vergütung sicherzustellen. Dringenden gesetzlichen Änderungsbedarf gibt es außerdem bei der oben erwähnten Betreibervergütung. Nach geltendem Recht werden über diese zweite Säule der Vervielfältigungsvergütung nur Papierausdrucke bezahlt, nicht aber digitale Abspeicherungen, wie sie seit vielen Jahren gerade in Hochschulen und Bibliotheken ständige Praxis sind.

"Sowohl für Lehr- als auch für Forschungszwecke dürfen Vervielfältigungen von geschützten Werken angefertigt werden."

Die Auszahlungen, die die VG Wort gegenüber den Urheberinnen und Urhebern der genutzten Werke für Vervielfältigungen vornimmt, differenzieren danach, ob es sich um Printwerke oder um digitale Werkfassungen handelt. Printwerke werden vor allem auf der Grundlage von Meldungen bei der VG Wort vergütet, wenn die Kopierwahrscheinlichkeit durch eine Bibliotheksverbreitung belegt ist. Digital zugänglich gemachte Werke erhalten dagegen eine Vergütung über das Ausschüttungssystem METIS, bei der es im Rahmen der regulären Ausschüttung darauf ankommt, ob der Verlag (oder eine sonstige Plattform) auf seinen Internetseiten Zählmarken ("Pixel") angebracht hat, die die Zugriffe auf die Werke zählen. Ab einem bestimmten Zugriffswert, der derzeit bei 1.500 Zugriffen aus Deutschland liegt, wird eine Vergütung ausgezahlt. Beteiligt sich der Verlag nicht an dem Zählmarkensystem und handelt es sich auch nicht um die eigene Internetseite der Urheberin oder des Urhebers, gibt es noch die Möglichkeit einer Sonderausschüttung.

Natürlich spielt die Vervielfältigung von digitalen Werken gerade im Wissenschaftsbereich eine immer größere Rolle. Die VG Wort überprüft deshalb derzeit, inwieweit die bestehenden Regelungen bei METIS anzupassen sind, um auch in Zukunft sicherzustellen, dass Urheberinnen und Urheber angemessen vergütet werden.

Vergütungen für gesetzlich erlaubte öffentliche Zugänglichmachungen

Die gesetzlichen Schrankenregelungen erlauben für Lehr- und Forschungszwecke nicht nur Vervielfältigungen, sondern unter bestimmten Voraussetzungen auch die öffentliche Zugänglichmachung von Werken. Der sperrige Begriff kennzeichnet das Bereitstellen von Werken zum Abruf im Internet oder Intranet; typische Nutzungen sind deshalb digitale Lern- und Semesterapparate an Schulen und Hochschulen. Auch hier ist eine gesetzliche Vergütung vorgesehen, die von den nutzenden Einrichtungen zu zahlen ist. In der Praxis wird allerdings die pauschale Vergütung im Schulbereich von den Ländern getragen, im Hochschulbereich sind es Bund und Länder. Während aber für die digitalen Lernapparate in Schulen bereits seit einigen Jahren Gesamtverträge bestehen, die eine angemessene Vergütung zugunsten der Berechtigten vorsehen, ist dies bei den digitalen Semesterapparaten an Hochschulen leider nicht der Fall. Hier werden bereits seit einigen Jahren keine Vergütungen mehr gezahlt, weil zwischen VG Wort und Bund und Ländern die Vergütungshöhe streitig ist. Seit Ende 2020 ist ein Schiedsstellenverfahren bei der Schiedsstelle beim Deutschen Patent- und Markenamt anhängig, ein Einigungsvorschlag liegt aber bis heute nicht vor. Sollte eine Einigung nicht möglich sein, wäre ein langjähriges Gerichtsverfahren zu erwarten.

Wahrnehmung von Rechten für Open-Access-Publikationen

Der Trend in der Wissenschaft zu Open-Access-Publikationen hält weiterhin an. Typischerweise wird dabei die Nutzung des Werkes unter einer Creative-Commons-Lizenz (CC-Lizenz) erlaubt. Das Zusammenspiel zwischen der Vergabe von CC-Lizenzen und der kollektiven Rechtewahrnehmung wirft dabei einige Fragen auf. Grundsätzlich muss hier unterschieden werden zwischen der Wahrnehmung von Nutzungsrechten und von gesetzlichen Vergütungsansprüchen. Soweit es um Nutzungsrechte geht, können Wahrnehmungsberechtigte von Verwertungsgesellschaften CC-Lizenzen nur vergeben, wenn sie dies zuvor mit ihrer Verwertungsgesellschaft in dem jeweils vorgesehenen Verfahren geklärt haben. Die Möglichkeit der Vergabe von CC-Lizenzen trotz Wahrnehmungsvertrag mit einer Verwertungsgesellschaft ist aber im Verwertungsgesellschaftengesetz (VGG) sogar ausdrücklich vorgesehen. Diese Regelung findet jedoch bei der Wahrnehmung von gesetzlichen Vergütungsansprüchen für gesetzlich erlaubte Nutzungen keine Anwendung. Ohne hier auf die Einzelheiten eingehen zu können, darf aus Sicht der VG Wort im Ergebnis die Vergabe von CC-Lizenzen auf die Einziehung der gesetzlichen Vergütungsansprüche keine Auswirkungen haben. Anderenfalls würde das pauschale Vergütungssystem insgesamt gefährdet und eine Ausschüttung der VG Wort für Werke, die unter einer CC-Lizenz veröffentlicht werden, nicht mehr möglich sein.

Wahrnehmung von Rechten für KI-Nutzungen

Nichts hat die "Urheberrechtsfamilie" in den letzten eineinhalb Jahren so intensiv beschäftigt wie das Thema künstliche Intelligenz (KI). Und es ist noch nicht abzusehen, wohin die (rechtspolitische) Reise geht. Zwar ist am 1. August 2024 der europäische AI Act in Kraft getreten. Diese EU-Verordnung sieht aber keine neuen Regelungen im Bereich des Urheberrechts vor, auch wenn an verschiedenen Stellen auf das geltende Urheberrecht Bezug genommen wird. Aus Sicht von Urhebern und Verlagen ist bei aller Faszination für die neuen Technologien festzuhalten, dass im großen Stil urheberechtlich geschützte Werke durch die Entwickler von KI-Systemen für Trainingszwecke genutzt werden, ohne dass eine Einwilligung der Rechtsinhaber vorliegt. Ob eine derartige Nutzung der Werke dennoch zulässig ist, wird unterschiedlich beurteilt. Vor allem in den USA gibt es eine Reihe von gerichtlichen Auseinandersetzungen, bei denen es im Kern darum geht, ob derartige Nutzungen als "Fair Use" rechtlich zulässig sind. In der EU existiert eine vergleichbare Regelung nicht, hier stellt sich aber die Frage, ob die Nutzung von Werken für KI-Trainingszwecke unter der gesetzlichen Erlaubnis für Text und Data-Mining vergütungsfrei erlaubt ist. Aus Sicht der VG Wort ist diese Frage zu verneinen. Selbst wenn man sie aber bejahen würde, gibt es aufgrund der einschlägigen gesetzlichen Bestimmung die Möglichkeit, als Rechtsinhaber einen Vorbehalt gegen die Nutzung einzulegen. Wenn dies der Fall ist, findet die Schrankenregelung keine Anwendung. Mittlerweile machen vor allem Verlage von der Vorbehaltsmöglichkeit Gebrauch.

"Urheberechtlich geschützte Werke werden im großen Stil durch die Entwickler von KI-Systemen für Trainingszwecke genutzt, ohne dass eine Einwilligung der Rechtsinhaber vorliegt."

Die VG Wort beobachtet die Entwicklung sehr aufmerksam und hat sich im Sommer 2024 entschlossen, eine neue Lizenz für unternehmensinterne KI-Nutzungen gegen Vergütung anzubieten. Eine entsprechende Änderung des Wahrnehmungsvertrages wurde in der Mitgliederversammlung am 1. Juni 2024 beschlossen. Als nächster Schritt werden jetzt alle Wahrnehmungsberechtigten der VG Wort über die Änderung des Wahrnehmungsvertrages unterrichtet werden und die Möglichkeit haben, ihr zu widersprechen. Im Fall eines Widerspruchs wird die VG Wort für die Werke des widersprechenden Urhebers oder Verlags keine Lizenzen vergeben. In allen anderen Fällen hofft die VG Wort – in Zusammenarbeit mit ihrer US-Schwestergesellschaft Copyright Clearance Center (CCC) –, entsprechende Nutzungsrechte ab dem Jahr 2025 anbieten zu können. Damit wäre zum einen deutlich gemacht, dass für die Nutzung von geschützten Werken für KI-Zwecke eine Erlaubnis erforderlich ist. Zum anderen könnte so zumindest in einem gewissen Umfang eine Vergütung für Urheberinnen, Urheber und Verlage sichergestellt werden.