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Start-ups
Rechtliche Aspekte bei der Gründung aus Hochschulen

Das Verwerten von Forschungsergebnissen ist wichtiger geworden. Immer häufiger geschieht dies in Start-ups. Was muss man beachten?

Von Manfred Nettekoven 06.11.2018

Die Gesellschaft erwartet, insbesondere von der Politik, dass Forschungseinrichtungen neben reinem Erkenntnisgewinn und der Lehre auch mit unternehmerischem Denken und Handeln durch Transfer zur Weiterentwicklung der Gesellschaft beitragen. Die Rahmenbedingungen, insbesondere die rechtlichen Aspekte, die bei Ausgründungen aus einer öffentlich finanzierten Forschungsinstitution eine Rolle spielen, sind allerdings sehr beachtlich: Es existiert kaum ein Hochschulthema, wo derart viele Rechtsgebiete, häufig im komplexen Zusammenspiel, beleuchtet, beachtet und sicher organisiert werden müssen: vom Hochschulrecht, Personalrecht (Stichwort Nebentätigkeit), Recht des Geistigen Eigentums, Haushaltsrecht, Förderrecht, Beihilferecht, Gesellschaftsrecht, Steuerrecht bis zum Kartellrecht. Eine gewaltige Spannweite an rechtlichen Themen also.

Exemplarische Aspekte

Nachfolgend sollen aus der Perspektive einer Hochschule exemplarisch einige Aspekte aus den einzelnen Rechtsgebieten für den Prozess einer Ausgründung näher beschrieben werden.
Den gesetzlichen Rahmen im Hochschulrecht gibt auch hinsichtlich der Ausgründungen das Hochschulrahmengesetz insoweit vor, dass es die  Förderung des Wissens- und Technologietransfers zur universitären Aufgabe erklärt. Für Hochschulen innerhalb Nordrhein-Westfalens ist zudem im Gesetz über die Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen (HG NRW) die Aufgabe des Transfers gesetzlich verankert.

Dieses enthält diverse Vorgaben für die wirtschaftliche Tätigkeit von Hochschulen. In § 5 Absatz 7 HG ist ge­re­gelt, unter welchen Voraussetzungen eine unternehmerische Hochschultätigkeit zulässig ist. Der Begriff umfasst sowohl die Errichtung und Beteiligung an Unternehmen inklusive deren Übernahme als auch die wesentliche Erweiterung bereits bestehender Unternehmen. Eine Hochschule kann daher Ausgründungen und Beteiligungen mit dem Ziel, Forschungsergebnisse in die Praxis zu tragen und deren Verwertung zu fördern, vorantreiben. Es wird allgemein anerkannt, dass solche Vorhaben als Verwertung von Forschungsergebnissen zulässig sind.

Eine Ausgründung durch einen Mitarbeiter einer Hochschule fällt, jedenfalls solange daneben noch ein Beschäftigungsverhältnis mit der Hochschule besteht, unter die Kategorie „Nebentätigkeit“ im Personalrecht und ist vor der Gründung bzw. der Aufnahme der Geschäftstätigkeit anzuzeigen. Diese ist genehmigungspflichtig. Die nachfolgenden Ausführungen gelten uneingeschränkt für Hochschullehrer und Hochschullehrerinnen und das verbeamtete wissenschaftliche Personal. Für das nichtverbeamtete wissenschaftliche Personal gelten die Regelungen mit der Maßgabe, dass der TV-L keine Genehmigungspflicht, sondern nur eine Anzeigepflicht vorsieht. Nach diesem sind Nebentätigkeiten gegen Entgelt dem Arbeitgeber rechtzeitig vorher schriftlich anzuzeigen. Die Nebentätigkeit kann auch hier untersagt oder mit Auflagen versehen werden, wenn diese geeignet ist, die Erfüllung der arbeitsvertraglichen Pflichten der Beschäftigten oder das berechtigte Interesse des Arbeitgebers zu beeinträchtigen.

Bedenken könnten sich daher bei einer geplanten Ausgründung ergeben, wenn einerseits eine Vollzeitstelle bei der Hochschule gegeben und andererseits eine Geschäftsführertätigkeit innerhalb der Ausgründung geplant ist. Ob arbeitsvertragliche Pflichten verletzt werden oder sonstige Interessen des Arbeitgebers beeinträchtigt sind, ist gesondert in jedem Einzelfall zu prüfen. Problematisch können hier „In-sich-Geschäfte“ im Sinne von § 181 BGB sein. Daneben ist sicherzustellen, dass die Belastung aus der Nebentätigkeit weniger als ein Fünftel der wöchentlichen Arbeitszeit beträgt.

Da in einer geplanten Ausgründung gerade das Wissen und technologische Innovationen der Hochschule vermarktet werden, die häufig auf Erfindungen basieren, spielt hier das Arbeitnehmererfindungsrecht eine grundlegende Rolle. Alle Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen haben, gleich wie ihr Beschäftigungsverhältnis ausgestaltet ist, Erfindungen, die sie während ihres Arbeitsverhältnisses generieren, ihrem Arbeitgeber zu melden. Alle notwendigen Regelungen hierzu finden sich im Gesetz über Arbeitnehmererfindungen (ArbnErfG). Die Rechte an Erfindungen nach Inanspruchnahme liegen bei der Hochschule. Dies umfasst auch die Rechte an darauf aufbauenden Schutzrechtsanmeldungen, Schutzrechten, das die Erfindung berührende Know-how und die Urheberrechte. Soll diese Intellectual Property (IP) in der Ausgründung Verwendung finden, müssen die Nutzungsrechte daran vorab von der Hochschule erworben werden.

Die Hochschule hat nun die Aufgabe sicherzustellen, dass der Ausgründung das IP zu marktüblichen Bedingungen (Beihilferecht) durch Lizenzierung oder gar einem Verkauf (Übertragung) zur Verfügung gestellt werden kann. Das Lizenzvertragsrecht macht an dieser Stelle keine Vorgaben hinsichtlich der Konditionen. Demzufolge entsteht gerade in dieser Situation häufig eine komplexe Situation, in der die Hochschule verschiedene Perspektiven und rechtliche Interessen vereinen muss: die der Gründer, die der Erfinder, die der Fördermittelgeber, die der Wettbewerber und die der Hochschule als Arbeitgeber. Nicht selten tauchen in diesem Prozessschritt Interessenskonflikte auf, die durch eine Compliance-Regelung bzw. einen Code of Conduct mit entsprechenden Leitlinien entschärft werden können.

Start-ups sind nicht allein "Performance-Indikatoren"

An dieser Stelle erlaube ich mir einen kleinen Exkurs:
Wenn man die Situation an der amerikanischen Westküste beobachtet, sind zwei Phänomene aus europäischen Sicht auffallend. Zum einen gibt es dort grundsätzlich eine größere Bereitschaft, in Potenzial zu investieren und nicht, wie in Europa, vornehmlich in Ertrag. Zum anderen ist festzustellen, dass das Scheitern von Unternehmensgründungen viel weniger als ein persönliches Scheitern interpretiert wird, und, was noch wichtiger ist, dass das intellektuelle Eigentum auch von nicht erfolgreichen Start-ups gleichsam recycelt wird. So sollten Universitäten in den Stand versetzt werden, IP gegen Equity, also gegen Anteile an der die Ausgründung tragenden Gesellschaft, zu halten.

Zwar wird, wie zuletzt durch den Economist (Ausgabe 1. September 2018), das Geschehen im Silicon Valley hinsichtlich seiner Tragweite (Schwerpunkt der Aktivitäten sind letztlich immer noch Softwareplattformen, es gibt so gut wie kein Start-up auf der Basis von „deep tech“) und seiner geographischen Verbreitung (außer Boston, New York und Austin gibt es keine wesentlichen parallelen Entwicklung in der größten Volkswirtschaft auf dem Planeten Erde) überschätzt. Dennoch scheint es mir vernünftig, auf der Basis von seitens der Hochschule gehaltenen Urheberrechten dafür zu sorgen, dass selbst im Falle des Scheiterns des Start-ups die dahinter stehende geistige Leistung eine oder weitere Chancen erhält. Diese Herangehensweise ist mir wichtig, denn ich halte es für ganz zentral, dass Start-ups nicht allein Performance-Indikatoren sind, die gleichsam als Abwärme einer auch auf IP-Generierung ausgerichteten Einrichtung entstehen.

Vielmehr glaube ich, dass das Ermöglichen einer akademischen und  einer auf die Persönlichkeitsentwicklung gerichteten Vorbereitung entscheidende Komponenten dessen sein werden, was Employability in Zukunft verstärkt ausmacht. Die Bedeutung von Start-up-Mentalität in diesem Zusammenhang ist die Agilität, um auf komplexe neue Fragestellungen reagieren zu können.Das geschilderte Spannungsfeld sollte in guter Zusammenarbeit mit Hochschulausgründungen gemeistert werden, um der Bezeichnung als „gründerfreundliche Forschungseinrichtung“ gerecht zu werden.