Ein humanoider Roboter hält die Waage der Gerechtigkeit.
picture alliance / Zoonar | Alexander Limbach

Geistiges Eigentum von KIs
Sekundenschnell erfunden

Können von Künstlicher Intelligenz geschaffene Werke geschützt werden? Im Gespräch mit einer Expertin für Immaterialgüterrecht und Digitalisierung.

Von Charlotte Pardey 16.09.2021

Forschung & Lehre: Frau Professorin Kuschel, wie steht es um das Geistige Eigentum von Künstlichen Intelligenzen (KIs)?

Linda Kuschel: Künstliche Intelligenzen werden bereits eingesetzt, um kreatives Material zu produzieren, was ins Urheberrecht fällt, und um Erfindungen zu tätigen, die zum Patentrecht gehören. Soweit sie dabei als Werkzeuge eingesetzt werden, als verlängerter Arm des Urhebers oder Erfinders, ist dies mit den Grundsätzen des Urheber- und Patentrechts vereinbar. Schwieriger wird es, wenn KIs autonom tätig werden.

Porträtfoto von Juniorprofessorin Linda Kuschel.
Linda Kuschel ist Juniorprofessorin für Bürgerliches Recht, Immaterialgüterrecht sowie Recht und Digitalisierung an der Bucerius Law School in Hamburg. Martin Bieling

F&L: Warum ist dies komplizierter?

Linda Kuschel: Patent- und Urheberrecht basieren darauf, dass es eine schöpfende oder erfindende Person gibt, einen Menschen. Man müsste sich von diesem theoretischen Fundament lösen, um einen Schutz von KI-Werken und -Erfindungen zu ermöglichen.

F&L: Wäre es denkbar, dass KIs selbst Rechtsinhaber sind?

Linda Kuschel: Derzeit können nur natürliche Personen, also Menschen, oder juristische Personen, etwa eine GmbH, Rechtsinhaber sein. Es wird in der Rechtswissenschaft allerdings schon länger diskutiert, ob es eine "E-Person", also eine elektronische Person geben soll. Das wäre eine dritte Kategorie, gedacht als rechtliche Hülle für Künstliche Intelligenzen. Die Fragen der E-Person und wer Träger von Rechten sein kann, berühren aber neben dem Patent- und Urheberrecht viele weitere Rechtsbereiche. Eine Entscheidung zugunsten der KI würde eine Veränderung des ganzen Systems nach sich ziehen.

F&L: Wäre es möglich, zwischen dem Urheber bzw. Erfinder und dem Rechtsinhaber zu trennen?

Linda Kuschel: Aktuell ist der Urheber automatisch auch der Rechtsinhaber. Für KIs müsste man das aufsplitten. Die KI könnte als Urheber berücksichtigt werden, während der Rechtsinhaber ihr Betreiber wäre. Oder man gewährt für KIs lediglich ein Leistungsschutzrecht, bei dem die persönlichkeitsrechtlichen Komponenten weniger relevant sind. Im Patentrecht ist das Auseinanderfallen von Erfinder und Rechtsinhaber sowieso unproblematisch.

F&L: Wurde bereits versucht, Erfindungen als solche von KIs anzumelden?

Linda Kuschel: Ja, aber nicht bei einer autonom handelnden KI. Mit Hilfe des automatisierten Systems DABUS wurde eine vermeintliche "Erfindung" geschaffen. Bei der Patentanmeldung beim Europäischen Patentamt (EPA) wurde DABUS als Erfinder angegeben. Die Anmeldung wurde abgelehnt, weil es keinen menschlichen Erfinder gab. So entschied auch das australische Patentamt IP Australia. Der Federal Court Australia sah das anders und entschied Ende Juli, dass auch eine KI "Erfinder" im Sinne des australischen Patents Act sein kann. Die Entscheidung ist allerdings noch nicht rechtskräftig.

F&L: Was spricht dafür und dagegen KIs Schutzrechte einzuräumen?

Linda Kuschel: Die ökonomische Begründung für Patentschutz besagt, dass dieser einen Investitionsanreiz darstellt. Man könnte nun sagen, Schutzrechte für KI-Erfindungen erzeugten Anreize, in KIs zu investieren. Verstellen wir uns ohne diese Anreize einen Weg? Vielleicht. Beim Urheberrecht geht es auch darum, einer Person Anreize zu geben, sich kreativ zu entfalten. Wenn wir den Urheberrechtsschutz für KIs ausdehnen, schränken wir damit die Kreativität anderer ein. Eine KI produziert theoretisch in Sekundenschnelle große Mengen an Texten und Musik. Man muss sich also fragen, welche Auswirkungen es auf menschliche Komponisten und Autoren hat, wenn für all diese Kreationen ein starkes Schutzrecht gelten würde und ob wir das wollen.