Schild auf dem steht "Frauen sollten nicht in Angst Leben müssen", aufgestellt im Anschluss an die Ermordung von Sarah Everard in Großbritannien.
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Öffentliche Debatte
Sexueller Missbrauch an britischen Hochschulen

In Großbritannien teilen und diskutieren Hochschulangehörige Erfahrungen sexueller Gewalt. Sind Bildungseinrichtungen als Tatorte mitverantwortlich?

18.05.2021

In Großbritannien wird in den vergangenen Wochen und Monaten über eine sogenannte "Rape Culture" (deutsch: "Vergewaltigungskultur") an Universitäten und Schulen diskutiert. Das Verschwinden einer jungen Frau auf offener Straße und ihre brutale Tötung Anfang März hatten das Thema sexuelle Gewalt im Königreich in den Fokus gerückt.

Die Internetseite "Everyone’s Invited" ("Alle sind eingeladen"), die Berichte von Betroffenen sammelt, die an Hochschulen und Schulen Opfer von Belästigung, sexueller Gewalt und Vergewaltigungen wurden, bekam durch das gesteigerte Interesse Auftrieb. Inzwischen hat "Everyone’s Invited" mehr als 16.300 Erfahrungsberichte gesammelt. "Es war ein interessanter historischer Moment, ein Moment des "Genug ist Genug"", meint die Anwältin Georgina Calvert-Lee, die schon seit Jahren Opfer von sexueller Gewalt und Belästigung rechtlich vertritt.

Dass Belästigung an Universitäten und Schulen keine Seltenheit zu sein scheint, überrascht Calvert-Lee nicht: "Ich denke, wir haben ein gesellschaftliches Problem, dass Frauen abgewertet werden. Schulen und Universitäten sind nur einige der Orte, an denen Menschen zusammenkommen und an denen sich das manifestiert." Die Bildungseinrichtungen stünden klar in der Verantwortung, da sie eine Fürsorgepflicht hätten. In diesem Zusammenhang sei es bereits zu Klagen von Betroffenen gegen ihre Universitäten gekommen, weil sie diese Fürsorgepflicht als verletzt angesehen hätten. Bislang sei es jedoch nie zum Prozess gekommen, da viele der Fälle außergerichtlich beigelegt würden.

Calvert-Lee wertet das als Zeichen, dass die Hochschulen die Klagen als begründet ansehen. "Je überzeugender die Argumentation, desto wahrscheinlicher ist eine außergerichtliche Einigung", erklärt die Anwältin. Sie hofft, dass eines Tages ein Fall dieser Art tatsächlich vor Gericht landet. "Das könnte helfen, dem Thema mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen. Außerdem würde es die rechtliche Lage klarer machen."

dpa/cpy