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Medizin
Uniklinik Heidelberg ignorierte Warnungen

Der Chef der Heidelberger Frauenklinik wollte einen Bluttest auf Brustkrebs präsentieren. Der Fall beschäftigt Politik und Staatsanwälte.

28.05.2019

Der Skandal um einen Bluttest auf Brustkrebs am Uniklinikum Heidelberg zieht immer weitere Kreise: Laut einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" hat der Vorstand der Uniklinik im Februar Warnungen vor der umstrittenen PR-Kampagne für den Test ignoriert. So habe die Pressesprecherin des Klinikums immer wieder Bedenken geäußert. Dies bestätigte die Sprecherin auf Anfrage der dpa. Dem Bericht zufolge ist zudem ein Gutachter zu dem Schluss gekommen, damals habe nicht einmal ein Prototyp des Testverfahrens existiert.

Der Leiter der Uni-Frauenklinik, Christof Sohn, hatte den Test im Februar der Öffentlichkeit vorgestellt und als bis Ende des Jahres marktfähig angepriesen. In einer Pressemitteilung war von "einem Meilenstein in der Brustkrebsdiagnostik" die Rede. Die Firma Heiscreen, eine Uniklinik-Ausgründung, sollte den Bluttest vermarkten.

Das Vorgehen wurde umgehend von medizinischen Fachgesellschaften scharf kritisiert: Es sei zu früh für seriöse Aussagen über den Test gewesen. Frauen würden womöglich falsche Hoffnungen gemacht. Eine Veröffentlichung in einem wissenschaftlichen Fachjournal gab es nicht, zudem wurde die Qualität des Tests nur unzureichend beschrieben.

Laut "Süddeutscher Zeitung" schrieb die Pressesprecherin des Klinikums dem Vorstand drei Tage vor der PR-Aktion: "So langsam bekomme ich Bauchschmerzen." Sie warnte demnach auch vor "weitreichenden Aussagen in einem kritischen Journalistenumfeld", obwohl "Daten und Validität" des Tests noch nicht ganz klar seien.

Es existiert nicht einmal ein Prototyp des Tests

Der von der Uniklinik eingesetzte Tumorbiologe Magnus von Knebel Doeberitz hat die Umstände der Presseerklärung geprüft und laut "Süddeutscher Zeitung" festgestellt, dass das Verfahren einer Brustkrebsfrühdiagnose über Blutproben bisher nicht existiert. Es existiere nicht einmal ein Prototyp. In einer Stellungnahme bestätigt das Uniklinikum, die interne Kommission, der Knebel Doeberitz angehört, habe festgestellt, "dass es das in der Pressemitteilung erwähnte Verfahren bisher nicht gibt". Die Arbeit der Kommission sei allerdings noch nicht abgeschlossen.

Die ehemals mit dem Test befasste Molekularbiologin Barbara Burwinkel, die an der Uniklinik und am Deutschen Krebsforschungszentrum arbeitet, sagte: "Es wäre unseriös, im Februar eine Markteinführung zum Ende des Jahres anzukündigen, ohne zu dem Zeitpunkt einen Prototypen entwickelt zu haben." Die Forscher seien von viel zu optimistischen Annahmen ausgegangen.

Neben unterschiedlichen Kommissionen zur Aufklärung des Sachverhalts wird sich auch der baden-württembergische Landtag mit dem Bluttest beschäftigen. Die FDP will das Thema bei der nächsten Sitzung des Wissenschaftsausschusses erörtern. "Es ist bezeichnend, wie weit die wohlfeilen Äußerungen gegenüber der Presse und der reale Forschungsstand auseinander klaffen", betonte der Hochschulexperte der FDP-Fraktion, Nico Weinmann. Bei den Entscheidungsträgern an der Uniklinik sei der Interessenkonflikt zwischen akademischem Anspruch und finanziellen Erwartungen nicht mehr von der Hand zu weisen.

In der Affäre ermittelt die Mannheimer Staatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität wegen Verdachts auf Kursmanipulation und Insiderhandel mit Aktien. Unbekannt ist, gegen wie viele Menschen ermittelt wird und von welchen Institutionen sie kommen.

Unterdessen hat der Heidelberger Uni-Rektor Bernhard Eitel nach dem Bluttest-Skandal Konsequenzen im Fall von Verstößen gegen wissenschaftliche Standards angekündigt. "Wissenschaftliches Fehlverhalten wird an der Universität Heidelberg nicht toleriert", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Und: "Verstöße gegen die Regeln guter wissenschaftlicher Praxis werden wir konsequent ahnden und die erforderlichen Maßnahmen ergreifen."

Die Uni untersuche die Vorgänge um die aus Sicht vieler Kritiker verfrühte Präsentation des Bluttests zur Brustkrebsdiagnostik, sagte Eitel. Dazu wurde die ständige Senatskommission zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis und zum Umgang mit Fehlverhalten in der Wissenschaft einberufen.

aktualisiert am 29.05.2019 um 9.21 Uhr

dpa/gri