Buchcover der beiden Bände von "Dalej jest noc" ("Und immer noch ist Nacht"), wegen denen die polnischen Holocaust-Forschenden verklagt worden waren.
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Polen
Warschauer Berufungsgericht kippt Urteil

Im Februar wurden eine Historikerin und ein Historiker verurteilt, sich für Ungenauigkeiten zu entschuldigen. Nun wurde das Urteil revidiert.

17.08.2021

Das Berufungsgericht in Warschau hat am Montag ein umstrittenes Urteil gegen zwei renommierte Holocaust-Forschende aufgehoben. Im Februar hatte ein Warschauer Gericht die Professorin Barbara Engelking und den Professor Jan Grabowski verurteilt, sich für Ungenauigkeiten in einem Buch zu entschuldigen.

In ihrem 2018 erschienenen Buch "Dalej jest noc" ("Und immer noch ist Nacht") hatten sich Engelking und Grabowski mit der Vernichtung der Juden in der polnischen Provinz unter deutscher Besatzung befasst. Sie wurden von der Nichte eines früheren Ortsvorstehers aus Ostpolen verklagt. Die Frau sah die Erinnerung an ihren Onkel diffamiert, weil die Forschenden schrieben, er sei mitschuldig am Tod von mehr als 20 im Wald versteckten Juden gewesen, die den Deutschen übergeben worden seien. Das Gerichtsurteil von Februar hatte entschieden, dass Engelking und Grabowski sich bei der Frau dafür entschuldigen sollten, dass ihr Recht auf das Gedenken an einen verstorbenen Verwandten durch die "Angabe ungenauer Informationen" verletzt worden sei. Auch sollte der Absatz in dem Buch, der sich mit dem Onkel befasst, in kommenden Ausgaben geändert werden.

Schon im Februar hatten Engelking und Grabowski angekündigt, in Berufung zu gehen, weil sie mit einigen Formulierungen aus der verlangten Entschuldigung nicht einverstanden seien. Nun zeigten sich die beiden Forschenden in einer gemeinsamen Stellungnahme auf Grabowskis Twitter-Account zufrieden mit ihrer erfolgreichen Berufung. "Dieses Urteil hat direkte Auswirkungen auf alle polnischen Wissenschaftler, besonders auf Holocaustforscher", schrieben sie.

Reaktionen auf das ursprüngliche Urteil

Das Gerichtsverfahren hatte zu Beginn des Jahres internationale Reaktionen provoziert: Die israelische Gedenkstätte Yad Vashem betonte damals, jeder Versuch, akademischen oder öffentlichen Diskurs durch politischen oder juristischen Druck einzuschränken, sei inakzeptabel. Polen hatte 2018 in einem umstrittenen Gesetz die Andeutung einer Mitwirkung oder Mitverantwortung von Polen am Holocaust unter Strafe gestellt.

Vor allem in Israel war dies scharf kritisiert worden, ähnlich wie die Änderung des polnischen Verwaltungsrechts in der vergangenen Woche, nach dem Verwaltungsentscheidungen nach 30 Jahren nicht mehr gerichtlich angefochten werden können. Israel befürchtet damit ein Ende der Entschädigungen für Enteignungen von Juden im Gefolge des Holocausts. Die Verabschiedung des Gesetzes in der vergangenen Woche hat eine diplomatische Krise zwischen beiden Ländern ausgelöst.

dpa/cpy