Eine Person blickt durch ein durchsichtiges Tablet auf ein Bücherregal
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Standpunkt
Zur Zukunft des Urheberrechts für Wissenschaftler

Der Publikationsmarkt wandelt sich. Wie können ein barrierefreier Zugang und eine angemessene Vergütung in der Digitalisierung gesichert werden?

Von Heinrich Riethmüller 08.09.2019

Die Digitalisierung hat die Art, wie wir Bücher lesen und kaufen, verändert. Der Bereich Forschung und Lehre ist wohl das Feld, in dem der Wandel am augenfälligsten ist. Der Kauf, die Weitergabe oder der Verleih gedruckter Bücher an Hochschulen und Forschungseinrichtungen laufen heute in vielen Bereichen weitgehend papierlos ab. Bildungs- und Wissenschaftsverlage stellen ihre Inhalte in großem Umfang digital zur Verfügung, Fachbuchhandlungen haben sich zu Digitalagenturen weiterentwickelt und bündeln den Zugang zu diesen Inhalten.

Die zentrale Frage für den wissenschaftlichen Publikationsmarkt der Zukunft lautet aus meiner Sicht: Wie gestalten wir langfristig und nachhaltig praktikable Zugänge zu qualitativ hochwertigen Inhalten für Forschung und Lehre?

Gegenwärtig erleben wir zwei sich widerstrebende Entwicklungen: Während Verlage und Informationsanbieter ihre Angebote kontinuierlich an die rasanten technischen Möglichkeiten anpassen und verbessern, sollen für die Nutzer Inhalte für Zwecke von Forschung und Lehre möglichst kostenfrei verfügbar sein. Die öffentliche Hand wird ihrer Verantwortung, für Nutzungen hochwertiger Inhalte durch Studierende, Lehrende oder Wissenschaftler die Ersteller der Inhalte angemessen zu zahlen, immer weniger gerecht. Wissenschaftliche Einrichtungen, Hochschulen und Bibliotheken animieren die Politik vielmehr, immer mehr und immer weitergehende gesetzliche Ausnahmen im Urheberrecht zu schaffen.

Vorschlag für zentrale Lizensierungsplattform

Diese Ausnahmen, von der Privatkopie bis hin zur auszugsweisen Nutzung von Lehrbüchern in Semesterapparaten, haben ihre Berechtigung und können die Nutzung vereinfachen. Allerdings ist hier essenziell, dass Autoren und Verlage angemessen vergütet werden.

Um beiden Interessen – denen der Lehrenden und Studierenden nach barrierefreiem Zugang zu Lehrinhalten einerseits und denen der Autoren und Verlage nach angemessener Vergütung andererseits – gerecht zu werden, sind Lizenzen ein zukunftsweisender Weg. Forschende, Lehrende und Lernende können mit einem Log-in auf ganze Reihen und Werke zugreifen – idealerweise künftig verlagsübergreifend. Autoren und Verlage wiederum können in weitere digitale Standards und Qualitätsinhalte investieren. In modernen Bildungs- und Wissenschaftsgesellschaften ist Exzellenz in Forschung und Lehre ohne qualitativ hochwertige und vielfältige Inhalte, die von unabhängigen Anbietern in einem Leistungswettbewerb erstellt und verbreitet werden, nicht erreichbar.

Das Bundesjustizministerium hat im vergangenen Jahr einen Dialogprozess zwischen Anbietern und Nutzern wissenschaftlicher Publikationen gestartet. Das Ziel: die Möglichkeit einer zentralen Lizenzierungsplattform zu eruieren. Wenn wir hier gemeinsam konstruktive Lösungen finden, kommen wir der Antwort auf die Frage nach der Zukunft des wissenschaftlichen Publizierens einen Schritt näher.