Rote FFP2-Maske auf einem Gehweg.
picture alliance/dpa | Peter Kneffel

5 Jahre Corona-Pandemie
Als Corona zur Pandemie wurde

Am 11. März 2020 erklärte die WHO den weltweiten Ausbruch des Corona-Virus zu einer Pandemie. Forschende blicken zurück und in die Zukunft.

11.03.2025

Fünf Jahre sind vergangen, seit Leben und Arbeiten in Deutschland mit einem Mal von der Corona-Pandemie bestimmt wurden. Es ist genug Zeit vergangen, dass man die genauen Abläufe nachschlagen muss. Wird über die Pandemie gesprochen, scheint es, als ginge es um eine Gemeinschaftserfahrung, um Abläufe, die für alle gleichsam gelten. Dabei werden gerade so signifikante Großereignisse von allen individuell erlebt. "Forschung & Lehre" hat Forscherinnen und Forscher gefragt, wie die Pandemie die Wissenschaft im Allgemeinen und ihre Disziplin im Besonderen verändert hat.


"Auf einmal war Europa der Kontinent der Krankheiten"

Der Beginn der Pandemie bedeutete für meinen Kollegen Jude Kagoro und mich, dass ein eingeworbenes DFG-Projekt aus dem Ruder lief: Gastwissenschaftler konnten als Mercator-Fellows nicht nach Bremen kommen, unsere Forschungsreisen nach Ostafrika waren nicht möglich, weil Uganda, das Land, das im Mittelpunkt unserer Forschungen stand, die Grenzen für eine lange Zeit ganz geschlossen hatte. Auf einmal war Europa der Kontinent der Krankheiten. 

Eigentlich wollten wir erforschen, wie sich deutsche und ugandische Diplomaten gegenseitig wahrnehmen, und dafür in den Außenministerien mit ethnographischen Methoden arbeiten. Das gelang noch im Auswärtigen Amt in Berlin, aber Kampala war dicht. Wir behalfen uns damit, dass wir mit ostafrikanischen Kollegen über "Zoom" einen Sammelband vorbereiteten, der schließlich in diesem Jahr erschienen ist. Es ist das erste Buch über Außenpolitik ostafrikanischer Staaten mit einer weit überwiegenden Mehrheit von Autorinnen und Autoren aus der Region. Statt unserer Reisen in die Region hat sich aus der Pandemie eine Chance ergeben, den Kollegen von dort eine Bühne zu bieten. Das Ergebnis hat viele unserer Annahmen korrigiert.

Klaus Schlichte ist Professor für Internationale Beziehungen und Weltgesellschaft an der Universität Bremen.

Dr. Lena Weber leitet das Team des Center of Excellence Women and Science bei GESIS - Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften in Köln. Janine Ulbrich

Lockdowns rissen "Löcher in akademische Biografien von Frauen mit Sorgeverantwortung"

Online-Lehre? Hybride Gremiensitzungen? All das war vor der Pandemie in der Wissenschaft undenkbar. Allerdings stellten sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erstaunlich schnell um (im Vergleich zur Lehre im Schulwesen) und betrieben erheblichen Mehraufwand – denn alles andere hätte den in der Wissenschaft fest verankerten Glauben an die Meritokratie geschmälert. Zählen Hochschulen zur "kritischen Infrastruktur"? Wer hat Anspruch auf Notbetreuung? Das waren zentrale Fragen. 

Es wurde aber auch sichtbar und zunehmend legitimer, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Menschen mit Privatleben sind. Im Hintergrund von Videokonferenzen tauchten teils überraschend Partnerinnen und Partner, Kinder oder Tiere auf und beteiligten sich gar an der Interaktion. Wie auch in der übrigen Gesellschaft trafen die pandemiebedingten Anforderungen, die Arbeitssituation umzustellen und gleichzeitig die Kinderbetreuung und Homeschooling privat zu organisieren, Wissenschaftlerinnen mit Kindern besonders. Denn auch für die Wissenschaft ist bekannt, dass Frauen häufiger in Teilzeit und befristet beschäftigt sind, eher Sorgetragende sind, und aus diesen Gründen ihre Forschungs- und Publikationsvorhaben eher reduzierten als ihre Kollegen. Durch die Lockdowns und die fehlende Kinderbetreuung, aber auch den Wegfall von finanziellen Förderungen und Projektstellen, wurden regelrechte Löcher in akademische Biografien von Frauen mit Sorgeverantwortung gerissen, deren Auswirkungen sich erst in den nächsten Jahren in voller Gänze zeigen werden.  


"Die Forschungszusammenarbeit hat in vielen Bereichen sehr gut funktioniert"

Die Pandemie hat unsere Disziplin in den Mittelpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt, was sowohl Vor- als auch Nachteile zur Folge hatte. Als besonders positiv empfand ich das große Interesse in vielen Teilen der Bevölkerung an detaillierter wissenschaftlicher Aufklärung. Wir hoffen, dass wir auch die Medizinstudierenden noch mehr für die Virologie begeistern können, indem wir bereits im Studium stärker den Fokus auf die große gesellschaftliche Relevanz von durch Viren verursachten Krankheitsausbrüchen oder Pandemien legen. Als Beispiel für künftig relevante Erreger seien hier Flaviviren genannt, die zum Beispiel Dengue Fieber, Zika oder Gelbfieber verursachen und aufgrund des Klimawandels künftig auch bei uns zu Problemen führen werden. Während diese Erreger für uns noch stark reiseassoziiert sind, werden sie für unsere künftigen ärztlichen Kolleginnen und Kollegen vermutlich zum beruflichen Alltag gehören. 

Die Forschungszusammenarbeit hat während der Pandemie in vielen Bereichen sehr gut funktioniert, wodurch innovative Errungenschaften der Grundlagenwissenschaften erfolgreich in die Praxis übersetzt werden konnten. Besonders positive Beispiele sind die frühe Entwicklung und Einführung der mRNA-Impfstoffe und die Gründung des bundesweiten Netzwerks Universitätsmedizin. Es ist essentiell, die Forschungszusammenarbeit weiterhin breit und langfristig zu unterstützen, um auch für künftige Pandemien gewappnet zu sein. 

Professorin Sandra Ciesek ist Direktorin des Instituts für Medizinische Virologie am Universitätsklinikum Frankfurt. Katrin Binder

Corona-Pandemie in Deutschland - Eine kurze Chronologie 

Am 27. Januar 2020 meldet das bayerische Gesundheitsamt die erste bestätigte Ansteckung mit dem SARS-CoV-2-Virus, der Covid-19 auslöst. Die Coronavirus-Erkrankung ist nach Deutschland gekommen. 

Am 11. März 2020 stuft die Weltgesundheitsorganisation den Ausbruch der Covid-19-Erkrankung als Pandemie ein. 

Zwei Tage später, am 13. März, entscheiden sich die Bundesländer, die Schulen zu schließen. Auch die Kindertagesstätten und Kindergärten schließen. 

Am 16. März wird der erste Lockdown beschlossen, der am 22. März in Kraft tritt. 

Die Hochschulen sind noch in den Semesterferien und verschieben den Start des Sommersemesters. Sie bereiten sich auf digitale Lehre vor. Forschung soll nur im Notbetrieb ablaufen, damit etwa Versuchsabläufe sichergestellt sind. Die meisten anderen Hochschulbeschäftigten wechseln bald ins Homeoffice. 

Ab dem 29. April gilt in ganz Deutschland eine Maskenpflicht beim Einkaufen und im Öffentlichen Nahverkehr.

Philipp Sprengholz ist Juniorprofessor für Gesundheitspsychologie an der Universität Bamberg. Kristina Worch

"Die Pandemie hat die gesundheitspsychologische Forschung beflügelt"

Die Pandemie hat die gesundheitspsychologische Forschung beflügelt. In der Ausnahmesituation haben sich auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit dem Gesundheitsverhalten beschäftigt, die sonst in anderen Bereichen forschen. Theorien und Modelle, etwa zu Impfentscheidungen, konnten überprüft und überarbeitet werden. Und der Open Science Ansatz hat sich durchgesetzt, viele Befunde wurden vorab in Preprints publiziert und konnten so in politischen Entscheidungen berücksichtigt werden. Das hat die Sichtbarkeit der Verhaltens- und Sozialwissenschaften verbessert, gleichzeitig aber auch Erwartungen geweckt, die wir nicht immer erfüllen konnten. 

Wir arbeiten mit Wahrscheinlichkeiten und müssen die Komplexität der realen Welt in unserer Arbeit reduzieren, sodass Vorhersagen fehlerhaft sein können. Diese Unsicherheit wissenschaftlicher Forschung wurde in der Bevölkerung aber auch bei Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger nicht immer verstanden und wir müssen sie besser kommunizieren, um das Vertrauen in die Wissenschaft und ihr Gewicht in der Gesundheitspolitik zu stärken. Nun ist auch die Zeit, um aus der Pandemie für zukünftige Gesundheitskrisen zu lernen. Unsere Studien zeigen, dass Erinnerungen an die ersten Corona-Jahre stark verzerrt sein können. Umso wichtiger ist es, die Forschung aus dieser Zeit systematisch zusammenzufassen und verhaltenswissenschaftlich fundierte Empfehlungen für vergleichbare Situationen abzuleiten.


"Wissenschaftliche Politikberatung nicht einseitig auf bestimmte Fachdisziplinen fokussieren"

Es ist gerade in Krisenzeiten wie etwa in einer Pandemie von besonderer Bedeutung, positiv auf das gesellschaftliche Klima und den öffentlichen Diskurs einzuwirken und Spaltungen entgegenzuarbeiten. Nach meiner Einschätzung hat sich bei vielen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern das Bewusstsein darüber geschärft, wie bedeutsam wissenschaftliche Aussagen für gesellschaftliche Diskurse und Wertentscheidungen sein können. Das schafft ein verstärktes Verantwortungsbewusstsein. 

Die wissenschaftliche Politikberatung sollte auch während einer Pandemie nicht einseitig auf bestimmte Fachdisziplinen fokussieren. Die Aufgabenverteilung zwischen Naturwissenschaften als Wissenslieferanten und Normwissenschaften, die bei Wertentscheidungen unterstützen könnten, sollte gesellschaftlich und politisch klarer sein als etwa während der vergangenen Corona-Pandemie.

Frauke Rostalski ist Professorin für Strafrecht an der Universität zu Köln und Mitglied des Deutschen Ethikrats. Sebastian Wolf

Professor Frank Fiedrich ist Leiter des Fachgebiets Bevölkerungsschutz, Katastrophenhilfe und Objektsicherheit an der Bergischen Universität Wuppertal. Bo Tackenberg

"Grundlagen für eine resilientere Gesellschaft schaffen"

Bereits wenige Tage nach Beginn der Pandemie war mein Fachgebiet im Krisenmodus, da eine Mitarbeiterin an Covid-19 erkrankt war und sich mehrere Personen, einschließlich mir, in Quarantäne begeben mussten. Die kommende Zeit war wie für viele andere im Hochschulbereich schwierig. Hochschulen standen vor enormen Herausforderungen, auf die – wenn auch teilweise etwas langsam – mit guten innovativen Ansätzen in Forschung und Lehre sowie durch den Aufbau von Krisenmanagementstrukturen reagiert wurde. Insgesamt sind wir daher prinzipiell zwar besser auf künftige Ereignisse vorbereitet, aber für eine nachhaltige Stärkung der Krisenresilienz muss das Thema nun dauerhaft in der Organisationskultur verankert werden.

Insgesamt hat die Pandemie noch einmal die gesellschaftliche Bedeutung und Vielfältigkeit der Krisen- und Katastrophenforschung hervorgehoben. Auch bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft gab es mit den pandemiebezogenen Forschungsprogrammen bemerkenswerte Ansätze, die disziplinären Silos zu durchbrechen und mit unterschiedlichen Perspektiven zu den vielfältigen Fragen im Umgang mit der Pandemie zu forschen. Mein Wunsch wäre es, dass in der Grundlagenforschung auch in Zukunft vergleichbare interdisziplinäre Programme zu den großen gesellschaftlichen Herausforderungen aufgesetzt werden. So könnte Wissenschaft nicht nur zur Bewältigung akuter Krisen beitragen, sondern im Sinne einer besseren Krisenvorbereitung Grundlagen für eine resilientere Gesellschaft schaffen.

Corona-Schwerpunkt auf "Forschung & Lehre"

"Forschung & Lehre" hat den Verlauf der Corona-Pandemie in zahlreichen Meldungen und Artikeln eng begleitet und immer wieder über die neuesten Entwicklungen berichtet. In den vergangenen Monaten waren dies beispielsweise Nachrichten aus der Long- und Post-Covid-Forschung.  

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf hatte in Pandemiezeiten besondere Brisanz, bleibt aber auch weiterhin ein schwieriger Jonglage-Akt. "Forschung & Lehre" hatte berichtet, wie die Arbeitsleistung darunter leidet und mit welchen kreativen Ideen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Homeoffice mit Kindern den Herausforderungen begegnet sind.

Einige Aspekte haben mit der Pandemie an Bedeutung gewonnen und sind noch immer präsenter an den Hochschulen als vorher, darunter das digitale Lehren und Lernen. Nach wie vor gilt digitales Netzwerken als eine wichtige Fähigkeit, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beherrschen müssen. "Forschung & Lehre" bietet dazu Tipps und Ratschläge. Auch ging es um die neue hybride Arbeitswelt nach der Pandemie

Knapp 500 Texte finden Sie im Themenschwerpunkt "Corona" – reinlesen lohnt sich.
 

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