Eine weiße Drahtskulptur auf einem Universitätscampus.
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Militärforschung
Debatte über Zivilklauseln

Hessens Wissenschaftsminister sucht das Gespräch mit den Hochschulen des Landes. Zivilklauseln sollen intensiv diskutiert werden.

01.04.2025

Im Bundesland Hessen ist eine Debatte über die freiwilligen sogenannten Zivilklauseln fünf staatlicher Hochschulen entbrannt. Hessens Wissenschaftsminister Timon Gremmels (SPD) teilt der Deutschen Presse-Agentur (dpa) mit, die umstrittene Rede von US-Vizepräsident J.D. Vance bei der Münchner Sicherheitskonferenz und die "unberechenbaren Äußerungen" von US-Präsident Donald Trump trügen maßgeblich zur Neubewertung der sicherheitspolitischen Lage bei. Daher sei er der Ansicht, dass die Notwendigkeit der Klauseln überprüft werden sollte. 

Bereits im schwarz-roten Koalitionsvertrag des Bundeslandes ist von einer "Unterstützung der Hochschulleitungen bei der Überprüfung von Zivilklauseln" die Rede. "Aus meiner Sicht müssen wir die Zivilklauseln mit den Hochschulen intensiv diskutieren – natürlich unter Berücksichtigung der Hochschulautonomie", sagt Gremmels. "Angesichts zusätzlicher Milliarden für die Bundeswehr sollte darauf geachtet werden, dass möglichst viel davon zur Wertschöpfung in Deutschland beiträgt. Da brauchen wir auch Fachkräfte, die hier ausgebildet wurden und die hier studiert haben", führt Gremmels gegenüber der dpa aus. 

Der FDP-Landtagsabgeordnete Matthias Büger hat kürzlich noch härter formuliert: "Angesichts der aktuellen politischen Lage ist es notwendig, dass die Forschung zur Sicherheit unserer Freiheit beiträgt. Stattdessen blockieren Zivilklauseln weiterhin wichtige militärische Forschung an hessischen Hochschulen." Büger fordert "klare gesetzliche Vorgaben, die Zivilklauseln verbieten – denn sonst wird die Forschungssicherheit und somit auch die Sicherheit des Landes und der Bürger gefährdet". 

Zivilklauseln bundesweit und ihre aktuelle Einordnung 

Auf Bundesebene hat auch Verteidigungsminister Pistorius im Rahmen der Münchner Sicherheitskonferenz (MSCM) dafür geworben, dass die Kooperation zwischen der Bundeswehr und den zivilen Universitäten deutlich enger werden müsse. Der ehemalige Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck wurde im Januar von der "taz" mit den Worten zitiert, man müsse "die strikte Trennung von militärischer und ziviler Nutzung und Entwicklung überdenken". 

Rund 75 Hochschulen haben derzeit laut Liste der Initiative "Hochschulen für den Frieden" eine Zivilklausel. Die Technische Universität (TU) Chemnitz erklärte kürzlich gegenüber "Table.Research", die Zivilklausel solle im Prozess der Novellierung der Grundordnung der TU Chemnitz zeitgemäß angepasst werden. Auch in der TU Berlin werde demnach über die Zivilklausel diskutiert. In Bayern ist die Verpflichtung zur Militär-Kooperation seit letztem Jahr gesetzlich verankert.

Schon heute stehen aus Sicht des Deutschen Hochschulverbands (DHV) die an einigen Hochschulen verabschiedeten Zivilklauseln einem von der Bundeswehr oder ihren Bündnispartnern in Auftrag gegebenem Forschungsprojekt nicht im Wege. Nach überwiegender Rechtsauffassung könnten laut DHV die Hochschulen durch Zivilklauseln weder den wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn noch den Forschungstransfer ihrer Hochschulangehörigen unterbinden. "Die Nutzung von Forschungsergebnissen (auch) zu militärischen Zwecken und die in diesem Spannungsfeld oft zitierte Pflicht der Hochschulen, einen Beitrag zur friedlichen Forschung zu leisten, steht nicht in Widerspruch zueinander, da auch die Erfüllung des Verteidigungsauftrags der Wahrung von Frieden dient", schrieb Hubert Detmer, ehemaliger stellvertretender Geschäftsführer des DHV und Landesgeschäftsführer Bayern, in einer Stellungnahme vom März 2024. 

Status und Positionierung zu den Zivilklauseln am Beispiel Hessen 

Fünf der 14 staatlichen Hochschulen in Hessen haben sich laut dem dortigen Wissenschaftsministerium mit Zivilklauseln "eine freiwillige Verpflichtung auferlegt, keine Forschung mit militärischem oder sicherheitsrelevantem Nutzen zu betreiben oder zu unterstützen". Es handelt sich um Hochschulen in Frankfurt, Kassel, Darmstadt, Marburg und Geisenheim im Rheingau. 

In der Präambel zur Grundordnung der Frankfurter Goethe-Universität ist beispielsweise seit 2013 das Ziel festgehalten: "Lehre, Forschung und Studium an der Goethe-Universität dienen zivilen und friedlichen Zwecken." An diesen Werten orientieren sich Lehre, Forschung und Studium, wie ein Sprecher der Uni gegenüber der dpa mitteilt. Konkrete aktuelle Initiativen, die Grundordnung zu ändern, seien der Universitätsleitung nicht bekannt. Studentische Akteurinnen und Akteure, auch Hochschulgruppen, mahnten regelmäßig in öffentlichen Äußerungen den Erhalt der Zivilklausel an. Inwieweit solche Äußerungen repräsentativ für die Studierenden insgesamt seien, lasse sich nicht beziffern. 

"Die derzeitige weltpolitische Lage wird natürlich auch an der Universität Kassel wahrgenommen", teilte deren Sprecher der dpa mit. Bislang sei aber keine Bestrebung des Senats erkennbar, die Zivilklausel infrage zu stellen. "Sollte sich das ändern, wird die Universitätsleitung die Diskussion offen führen." Die Grundordnung der Hochschule in Kassel sei 2013 auf Betreiben des Senats um eine Zivilklausel ergänzt worden. 

An der Technischen Universität (TU) in Darmstadt gehört eine solche Regelung seit 2012 zur Grundordnung der Hochschule. "Die Zivilklausel ist Ergebnis eines intensiven, mehrjährigen Diskussionsprozesses in den Gremien der Universität", heißt es bei der TU. Die Zwecke könnten allerdings zivil wie auch militärisch sein, solange sie nicht unfriedlich seien. Die Klausel soll der Uni zufolge Forschende dazu anregen, regelmäßig über die ethische Dimension ihrer Projekte nachzudenken. "Sie unterstützt unseren Anspruch, die Auswirkungen unserer Forschung zu reflektieren." Es gebe keine Motivation, die Klausel abzuschaffen. Seit 2014 habe die Ethikkommission 33 Fälle mit Bezug auf die Zivilklausel behandelt. Sechs Anträge seien abgelehnt worden.

dpa/cva