Roter Doppeldeckerbus und rote Telefonzelle mit einem Bild von Albert Einstein auf dem Fahrrad
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Mobilität
Der geistige Mensch bevorzugt das Fahrrad

Das Rad ist das ideale Fortbewegungsmittel für denkende Menschen. Der geistige Freiraum beim Radeln führte schon zu wissenschaftlichen Durchbrüchen.

Von Tilman Baumgärtel 05.07.2019

Offenbar ist im Autofahrerland Deutschland selbst unter Akademikern das Fahrrad als Fortbewegungsmittel nach wie vor kein ernstzunehmender Faktor. Während dem Auto im Themenschwerpunkt "Mobilität" von Forschung & Lehre breiter Raum gewährt wird und auch die Bahn Erwähnung findet, spielt das Fahrrad praktisch keine Rolle. Auch der öffentliche Nahverkehr scheint eine untergeordnete Größe zu sein.

Dabei ist das Fahrrad gerade für den denkenden Menschen das ideale Fortbewegungsmittel. Als Antidot zur langen Immobilität am Schreibtisch und Computer bringt es den Kreislauf in Fahrt und das Gehirn auf Trab. Es trägt nicht nur zu einem gesunden und schlanken Körper bei, in dem ja ein gesunder Geist stecken soll. Nein, die unabgelenkte Zeit beim Radeln lädt auch zur Reflektion und Introspektion bei, denn sie ist genau der geistige Freiraum, in dem bekanntlich – ähnlich wie beim Duschen – noch immer die besten Ideen entstehen.

Das Fahrrad hat darum zu wichtigen, wissenschaftlichen Durchbrüchen beigetragen: Albert Einstein fiel die Relativitätstheorie beim Radfahren ein, und Albert Hofmann erfuhr die Wirkung des von ihm entwickelten LSD ebenfalls beim Radeln. Autoren wie Ernest Hemingway, Hugo von Hofmannsthal, Arthur Schnitzler, Conan Doyle oder Henry Miller waren zum Teil fanatische Radfahrer, die auch die inspirierende Wirkung des Radfahrens für ihre Kunst hervorgehoben haben. Ich kann dies aus eigener, tausendfacher Erfahrung nur bestätigen. Dabei spielt auch das gute Gewissen eine Rolle, dass man durch seine Art der Fortbewegung nicht zu Umweltverschmutzung und Klimakatastrophe beiträgt.

Bloß dass die meisten Autofahrer mit ihren Fahrzeugen "vernünftig und maßvoll" umgehen, wie in dem Interview mit Professor Schlag behauptet wird, kann man als Radfahrer nun wirklich nicht sagen angesichts von rücksichtlosem Gedrängel und Gerase, Überholen ohne Sicherheitsabstand oder dem selbstverständlichen Zuparken von Radwegen und Fussgängerüberwegen. Denn das Auto bringt das Tier im Menschen hervor.

Der geistige Mensch bevorzugt darum für das Nahumfeld das intellektuell stimulierende Fahrrad, für längere Fahrten die Bahn, die tatsächlich den Charakter eines Intellektuellen-Cafés annehmen kann, wenn man sie so nutzt, wie in den Gespräch mit Philipp Hübl beschrieben.