Wassersprenkleranlage auf einem Rübenfeld in Nordrhein-Westfalen
mauritius images / Rupert Oberhäuser / Alamy

Weltwassertag
Die Ressource Wasser nachhaltig nutzen

Wie können Wasser und seine Ökosystemfunktionen gesichert werden? Fragen an die Inhaberin des UNESCO-Lehrstuhls für Mensch-Wasser-Systeme.

Von Ina Lohaus 22.03.2021

Forschung & Lehre: Jedes Jahr am 22. März findet der von der UN ins Leben gerufene Weltwassertag statt. In diesem Jahr steht er unter dem Motto "Wertschätzung des Wassers". Muss durch einen solchen Aktionstag erst auf den Wert des Wassers aufmerksam gemacht werden? Wird er in der Öffentlichkeit nicht hoch genug eingeschätzt?

Mariele Evers: Der internationale Tag des Wassers ist ein wichtiger Aktionstag für die Wahrnehmung des Themas und damit verbundene Probleme. Wasser ist solch ein zentrales Element, das für alle Lebensbereiche relevant ist. Daher ist eine Wertschätzung des Wassers und seiner Ökosystemfunktionen immanent wichtig. Ich denke, dass den meisten Menschen die Relevanz von Wasser schon klar ist, aber nicht unbedingt alle Zusammenhänge, sei es, was eine nicht angepasste Landnutzung für Konsequenzen auf die Trinkwasserbereitstellung hat oder wie die Förderung von regenerativer Energie wie Wasserkraft die Ökosysteme naturnaher Flüsse zerstört. Erst wenn Wasser schon knapp ist, wie in den letzten Jahren der Dürre in Deutschland, wird die Relevanz klar und die Notwendigkeit einer systemischen Betrachtung für ein langfristig nachhaltiges Wassermanagement deutlich.  

Portraitfoto von Prof. Dr. Mariele Evers
Mariele Evers ist Professorin für Wasserressourcenmanagement und Inhaberin des UNESCO- Lehrstuhls für Mensch-Wasser-Systeme an der Universität Bonn. privat

F&L: 2015 haben die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen die "Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung" verabschiedet. Eines ihrer 17 Ziele ist die "Verfügbarkeit und nachhaltige Bewirtschaftung von Wasser und Sanitärversorgung für alle gewährleisten". Worin sehen Sie die größten Herausforderungen, um dieses Ziel zu erreichen?

Mariele Evers: Aktuell haben 2,2 Milliarden Menschen keinen Zugang zu sicherem Wasser und 3 Milliarden Menschen haben keine Möglichkeit, sich zuhause die Hände zu waschen. Das ist wirklich eine Katastrophe. Die Zahlen waren sogar in der Vergangenheit noch höher, Verbesserungen sind zu sehen. Ich denke, dass vor allem die mangelnde Infrastrukturbereitstellung das Problem ist, aber auch vermehrte Wasserknappheit, die durch Klimaveränderungen und unangepasste Landnutzung verstärkt werden. Ein zentrales Anliegen sollte auch sein, ein integriertes und nachhaltiges Wassermanagement zu betreiben, das nicht ausschließlich auf technische Lösungen setzt, sondern – wie das Motto des diesjährigen Wassertages auch lautet – Wasser und wasserbezogene Ökosystemleistungen wert zu schätzen und diese auch zu sichern. Dazu gehört auch, Feuchtgebiete und Flussauen zu schützen, um Ökosystemleistungen wie Nährstoff- und Hochwasserretention oder Fischfang zu gewährleisten.

Übrigens ist das Thema Wasser erst durch die UN Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung in die deutsche Nachhaltigkeitsstrategie aufgenommen worden. Früher gab es keine Zielformulierung für Wasser in unserer nationalen Nachhaltigkeitsstrategie.

F&L: Sie sind Professorin für Wasserressourcenmanagement an der Universität Bonn und übernehmen nun den von der UNESCO neu eingerichteten "UNESCO-Lehrstuhl für Mensch-Wasser-Systeme". Was ist das Besondere an einem UNESCO-Lehrstuhl? Worauf ist die Forschung auf diesem Lehrstuhl ausgerichtet?

Mariele Evers: Zunächst einmal sind wir durch den UNESCO Lehrstuhl nunmehr Teil der sogenannten UNESCO Water Family und damit im Netzwerk vieler Initiativen von UN Water verankert. Über das System der weltweit eingerichteten Water Chairs gibt es eine thematische und institutionelle Verbindung, die eine Zusammenarbeit unterstützt. So habe ich einen Kollegen, der in Tansania einen UNESCO Chair hat, kontaktiert und wir kooperieren jetzt schon eng miteinander. Die Forschung unseres UNESCO Lehrstuhls ist insbesondere auf die Zusammenhänge und Rückkopplungseffekte zwischen Wasser, Ökosystemen und Gesellschaft, mit Fokus auf die nachhaltige Nutzung von Wasser und auf wasserbezogene Risiken wie Dürren und Hochwasser vor allem in Ländern des sogenannten globalen Südens ausgerichtet. Neben der Forschung und Kooperation mit Kolleginnen und Kollegen insbesondere in Südostasien und Afrika ist die Bereitstellung von digitalen Lehrmaterialien und die Aufbereitung von Forschungsergebnissen für Entscheidungsträger ein besonderes Anliegen des Lehrstuhls.   

"Die Fragestellungen werden immer brisanter und dringlicher."

F&L: Wie verändern sich durch den Klimawandel die Fragestellungen für das Wasserressourcenmanagement?

Mariele Evers: Ich arbeite seit etwa 15 Jahren zu diesem Thema, da dies ja schon seit Langem bekannt ist. Der erste internationale Klimabericht des IPCC wurde schon 1990 veröffentlicht. Insofern verändern sich die Fragestellungen nicht wirklich, aber sie werden immer brisanter und dringlicher. Neben den sich verändernden klimatischen Einflüssen kommen noch andere Einflüsse dazu wie die Urbanisierung, Konsum oder Energiebedarfe, die sich auf Qualität und Menge der Wasserressourcen auswirken. Veränderungen des Klimas sind weltweit zu beobachten, aber auch in manchen Regionen Europas schon massiv, wie beispielsweise im Mittelmeerraum. Aber auch in Deutschland sind die Trends deutlich und durch die Dürren, aber auch Starkregenereignisse erlebbar.

F&L: Trotz großer Hitze und extremer Trockenheit in den letzten Sommern kommt bei uns sauberes Trinkwasser ganz selbstverständlich aus der Leitung. Müssen wir uns in Deutschland also keine Gedanken über die Ressource Wasser machen?

Mariele Evers: Durch das humide Klima ist Deutschland ein wasserreiches Land. Derzeit beträgt die durchschnittliche Wasserentnahme pro Jahr rund 24 Milliarden Kubikmeter, das entspricht circa 13 Prozent des Wasserdargebots. Dies sind aber Durchschnittswerte, die keine Aussage darüber treffen, wann und in welcher Region das Wasserdargebot ausreichend ist. Durch die letzten Dürrejahre sind in einigen Regionen die Grundwasserleiter noch nicht wieder aufgefüllt. Neben der Wassermenge ist auch die Wasserqualität in vielen Regionen ein Problem. In Deutschland werden 70 Prozent des Trinkwassers dem Grundwasser entnommen. Gleichzeitig zeigen rund 50 Prozent aller Grundwasser-Messstellen in Deutschland derzeit erhöhte Nitrat-Konzentrationen von über 10 mg/l. 15 Prozent des Grundwassers hält den für Trinkwasser geltenden Grenzwert von 50 mg/l nicht ein. Auch um die ökologische Qualität der Gewässer steht es nicht wirklich gut. Nur etwa 8 Prozent der Oberflächengewässer befinden sich in einem guten Zustand. Sie sehen, wir sollten uns auf jeden Fall Gedanken um die Ressource Wasser und den Zustand der Gewässer machen.

F&L: Neben dem direkten Wasserverbrauch wird Wasser, das in Produkten steckt oder zu deren Herstellung verbraucht wurde, auch indirekt verwendet. Welchen Einfluss hat dieses "virtuelle Wasser" auf den Wasserkreislauf?

Mariele Evers: Auf den globalen Wasserhaushalt hat das virtuelle Wasser so gut wie keinen Einfluss. Alles Wasser, was gebraucht wurde, fließt zurück in den Wasserkreislauf. Natürlich hat die Nutzung Einfluss auf die Wasserqualität, aber nicht auf die globale Wasserquantität. Für eine Bewertung des direkten und des indirekten Wasserverbrauchs ist die lokale Verfügbarkeit von Wasser entscheidend. Ein hoher Wasserfußabdruck in wasserreichen Regionen ist weniger oder gar nicht problematisch als ein hoher in wasserarmen Regionen. Ein anderer Aspekt sind die ökologischen Wasserspeicher wie die sogenannten Wassertürme beispielsweise in Afrika. Wenn diese abgeholzt werden, sind die Unterlieger von geringerem Wasserzufluss betroffen und auch das regionale Klima ändert sich.  

"Deutschland importiert Wasser über Produkte wie beispielsweise Baumwolle, Zitrusfrüchte, Kaffee oder Fleisch."

F&L: Ist unser "Wasserfußabdruck" zu groß, so dass wir unser Konsumverhalten ändern und uns den "Wert des Wassers" bewusster machen müssen – nicht nur am Weltwassertag?

Mariele Evers: Der Wasserverbrauch in Deutschland ist in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen, sowohl in den Haushalten als auch in der Industrie. Am meisten Wasser wird für die Energieversorgung verbraucht. Mehr als die Hälfte des Wassers der genutzten Produkte und Güter stammt nicht aus Deutschland selbst. Das heißt, dass Wasser über Produkte wie beispielsweise Baumwolle, Zitrusfrüchte, Kaffee oder Fleisch importiert wird. Besonders relevant ist es, wenn Produkte mit hohem Wasserbedarf in Regionen mit Wasserstress angebaut werden wie Avocados in Südafrika, Baumwolle in Zentralasien oder Zitrusfrüchte in Südspanien. In vielen Trockengebieten wird zeitweise mehr aus dem Grundwasser entnommen, als durch Regen nachgeliefert wird. Das ist für die lokale Wasserversorgung nicht nachhaltig und bedeutet, dass Brunnen austrocknen. Für die Produktion eines T-Shirts aus Baumwolle werden 2.700 Liter, für ein Kilo Rindfleisch 16.000 Liter benötigt, für ein Kilo Getreide hingegen 1.350 Liter. Kaffee jedoch wird fast ausschließlich in Gegenden mit einer jährlichen Niederschlagsmenge von 1.500 bis 2.000 Millimeter angebaut, also in Gegenden, wo ausreichend Wasser vorhanden ist. Ich denke, es ist grundsätzlich wichtig, sich über die Herkunft der Produkte Gedanken zu machen, sei es in Bezug auf den Wasserverbrauch oder allgemein im Hinblick auf den Ressourcenverbrauch.