Das Porträtbild zeigt Jane Goodall von einem Hintergrund mit der Aufschrift "Jane".
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Zum Tod von Jane Goodall
Ein Vorbild für Generationen

Anfang Oktober ist die berühmte Primatologin Jane Goodall verstorben. F&L spricht mit der Bonobo-Forscherin Barbara Fruth über Goodalls Wirken.

Von Henrike Schwab 10.10.2025

Forschung & Lehre: Die berühmte Primatenforscherin und Umweltaktivistin Dr. Jane Goodall ist vergangene Woche verstorben. Was ist ihre besondere Lebensleistung?

Barbara Fruth: Jane Goodall hat die Verhaltensforschung revolutioniert, indem sie gezeigt hat, dass man mit Beobachtungsgabe, Geduld und Ausdauer tiefe Einblicke in das Leben und die Individualität wilder Tiere, in ihrem Fall Schimpansen, gewinnen kann. Sie hat auch immens viel für den Primatenschutz getan: Zunächst für all die wilden Schimpansen-Populationen, dann zunehmend für die Individuen, die in Zoos oder Auffangstationen nicht das artgerechte Leben führten, auf das sie eigentlich ein Anrecht gehabt hätten. 

Jane Goodall war eine begnadete Wissenschaftskommunikatorin und hatte das Glück, dass ihre Forschungsarbeit fast von Anfang an mit Bild und Film dokumentiert wurde. Dies half, sie zu einem sehr frühen Zeitpunkt medial zu verbreiten. Durch die Jane-Goodall-Institute, besonders aber durch das auf Jüngere ausgerichtete Programm "Roots and Shoots", hat sie sehr viele Menschen dazu angeregt, sich für den Schutz von Tieren, Menschen und der Umwelt einzusetzen, und ein weltumspannendes Netz von Aktivistinnen und Aktivisten generiert.

Im Jahr 2002 wurde Jane Goodall zur Friedensbotschafterin der Vereinten Nationen ernannt und ist in dieser Funktion rastlos um die Welt gereist, um Vorträge zu halten, auf internationalen Konferenzen zu sprechen und für den Schutz der Erde und ihrer Bewohner zu werben. Sie wurde – und ist – auch für Generationen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ein Vorbild, die ihr Vermächtnis, die Natur in ihrer immensen Komplexität zu respektieren, weitertragen.

F&L: Jane Goodall setzte sich in einer männlich dominierten Wissenschaftswelt durch. Inwiefern kann sie Frauen in der Wissenschaft als Vorbild dienen?

Die Konstanzer Primatologin und Verhaltensökologin Barbara Fruth ist Professorin am Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie. Am 24. Oktober wird ihr das Verdienstkreuz am Bande der Bundesrepublik Deutschland verliehen. LKBP / Viktor Ammann

Barbara Fruth: Bereits vor Jane Goodall gab es etliche Frauen, die sich in einer Männerwelt behaupteten – sogar in den sogenannten "harten Wissenschaften". Aber es ist richtig, dass sie in den 1960er-Jahren, als sie ihre Forschung begann, als Frau in der Verhaltensforschung allein auf weiter Flur war. Erwähnenswert in diesem Zusammenhang finde ich, dass es ein Mann, der Paläoanthropologe Louis Leakey, war, der das Potential von Frauen für diese Forschungsrichtung erkannt und genutzt hat – und dass Jane Goodall von Kindesbeinen an von ihrer starken und ermutigenden Mutter unterstützt wurde. Diese beiden Dinge, gepaart mit ihrem eisernen Willen, haben sicher Türen geöffnet und zur Verwirklichung ihres Lebenstraums beigetragen.

Jane Goodall war die erste der sogenannten "Trimates", die Louis Leakey an die Beobachtung der großen Menschenaffen gesetzt hat. Sie begann 1960 Schimpansen zu beobachten, während sich Dian Fossey ab 1966 auf Berggorillas und Biruté Galdikas ab 1971 auf Orang-Utans konzentrierten. Alle drei wurden zu bekannten und einflussreichen Vorbildern, was zur Normalisierung der Beteiligung von Frauen in der Primatologie beitrug. 

Aber Jane Goodall war natürlich mit ihrem Erfolg eine Dekade vor den anderen und hat nie aufgehört, Vorbild zu sein. Sie hat bis zu ihrem letzten Atemzug ihre Botschaften, für die sie gebrannt hat, in der Welt verbreitet. Und sie hat dies auf ihre sanfte, nicht fanatische, sehr diplomatische und authentische Weise getan, die Menschen aus den unterschiedlichsten Lagern einfach überzeugt hat.

F&L: Die Forschungsarbeit von Jane Goodall wird fortwirken. Was sind zentrale Forschungsfelder und ungeklärte Forschungsfragen, die sich aus ihren Erkenntnissen ableiten?

Barbara Fruth: Jane Goodall war eine Wegbereiterin, hat neue Standards gesetzt, indem erstmals Lebewesen, die zuvor nur als Tiere betrachtet wurden, durch den Nachweis ihrer Intelligenz dem Menschen gleichgestellt wurden. Sie hat die emotionale Seite ihrer Schützlinge gezeigt. Es gibt Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die hier weiterarbeiten und versuchen, Menschenaffen oder anderen Tieren, Menschenrechte zuzugestehen. Das erstreckt sich mittlerweile auch auf andere, vom Menschen weiter entfernte Tierarten, aber auch auf die weitere Natur. Die Tatsache, dass in letzter Zeit sogar Flüsse eine Art "Rechtspersönlichkeit" erhalten konnten, könnte seinen Ursprung hier haben.

Dadurch, dass sich Jane Goodall zunehmend für die emotionale Komponente der leidenden Lebewesen unseres Planeten eingesetzt hat, ist der Schutz der natürlichen Habitate etwas zu kurz gekommen, für den sie sich anfangs stark gemacht macht. An dieser Stelle können wir ihre Arbeit wieder ausdehnen und dazu beitragen, dass die stetig schwindenden Lebensräume dieser emblematischen nahen Verwandten langfristig geschützt werden.