Patientin und Ärztin
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Arzt-Patienten-Verhältnis
Eine gelungene Kommunikation stärkt die Zufriedenheit

Die Art des Miteinanders ist entscheidend für Wohlbefinden und Gesundheit. Das gilt auch für die medizinische Ausbildung und den Berufsalltag.

Von Friederike Invernizzi 15.10.2018

Eine offene und transparente Kommunikationskultur ist jungen Ärztinnen und Ärzten in ihrem Arbeitsumfeld sehr wichtig. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie der Medizinischen Universität Innsbruck. In dem Projekt "Wohlbefinden und Gesundheit von MedizinerInnen" wurden unter anderem Medizinstudenten über vier Jahre und jüngere Ärzte über eineinhalb Jahre regelmäßig gefragt, welche Voraussetzungen für ein erfülltes Arztleben gegeben sein müssen.

Das Ergebnis überrascht nicht. Das Bedürfnis nach einem angenehmen Klima besteht wechselseitig sowohl von Seiten der Ärzte als auch von Seiten der Patienten. Die gute Kommunikation zwischen Patienten und Ärzten stärkt nachgewiesenermaßen die Lebensqualität von Erkrankten. Wie kann die Kommunikationskultur verbessert werden? 

Grundsätzlich wird in der ärztlichen Ausbildung zu wenig auf den Wert von Kommunikation geachtet. Aus Sicht jüngerer Ärzte liegen die größten Defizite im Medizinstudium neben dem Erwerb praktischer Fähigkeiten beim Umgang mit Patienten, bei dem Erwerb psychosozialer Kompetenzen und beim Erlernen von Kommunikationsfähigkeit.

Klinika: Bedeutung der Atmosphäre wird unterschätzt

In der Diskussion um eine Verbesserung der Kommunikation zwischen Arzt und Patient sind häufig die Ärzte die Zielscheibe der Kritik. An sie richten sich die meisten Empfehlungen und auch Seminare, um die Gespräche produktiv zu verändern. Allerdings sollte man nicht verkennen, dass auch Patienten ganz entscheidend dazu beitragen können, dass sich etwas ändert.

Allgemein wird unterschätzt, wie sehr die äußeren Rahmenbedingungen, unter denen ärztliche Gespräche stattfinden, eine Rolle spielen. Häufig wird in Praxen, Klinika und Krankenhäusern wenig bis gar keine Mühe und Zeit darauf verwandt, eine freundliche und ermutigende Atmosphäre zu schaffen. Dazu zählen zunächst einmal folgende räumliche Aspekte: In welchen Räumen wird der Patient warten? Findet das Gespräch zwischen Tür und Angel statt? Sind die Behandlungsräume hell, freundlich und aufgeräumt? Wirkt das Inventar sauber, modern und gepflegt?

Des Weiteren wird der Arzt unweigerlich auch nach seinem äußeren Erscheinungsbild beurteilt: Ist er gepflegt angezogen und hat im Idealfall auch die klassische weiße Kleidung an, die möglichst nicht schmutzig oder zerknittert ist? Wie ist der Händedruck und schaut der Arzt dem Patienten in die Augen? Blickt er ihn freundlich bei der Begrüßung an? Doch nicht nur die Erscheinung und die Verhaltensweisen des Arztes spielen im Gespräch eine Rolle, denn natürlich gestaltet der Patient durch sein Auftreten die Kommunikation in entscheidender Weise mit.

Auch er wird durch ein gepflegtes Erscheinungsbild mit angemessenen Manieren, die Pünktlichkeit und höfliches Benehmen mit einschließen, die Kommunikation in gute Bahnen lenken können. Auf diese Weise kann der Patient deutlich machen, dass er die Kompetenzen und Bemühungen des Arztes wertschätzt und bereit ist, seinen Teil dazu beizutragen.

Auch "innere" Rahmenbedingungen sind für eine gelungene Kommunikation maßgeblich. In welcher Gefühlssituation befindet sich beispielsweise der Patient zum Zeitpunkt des Gesprächs? Ist er bereit, offen auf den Arzt zuzugehen und sich seinem Sachverstand anzuvertrauen? Hat er Verständnis für die Vorgehensweisen und Routinen einer Praxis beziehungsweise eines Krankenhausalltags? Will auch er seinen Beitrag in der Kommunikation leisten? Hat er sich bereits mit Aspekten der Krankheit beschäftigt? Wie bereit ist er, an einer gemeinsamen Therapie zu arbeiten?

Auch die Möglichkeiten des Arztes, sein Wissen anzuwenden, können mehr oder weniger seiner emotionalen Verfassung unterliegen. Wie sehr ist er von seiner Gemütslage her überhaupt bereit, sich mit den Krankheiten anderer Menschen umfassend auseinanderzusetzen? Wie setzen ihm Zeitdruck und der Zwang zum effektiven Arbeiten zu? Kümmert er sich genug um die eigenen Gefühle, um anderen Menschen richtig helfen zu können?

Die Verantwortung gegenüber den Patienten erfordert bei Ärzten und Pflegepersonal insbesondere eine Verantwortung gegenüber den eigenen körperlichen und emotionalen Bedürfnissen, damit die Behandlung von Krankheiten gelingen kann. In der Innsbrucker Studie wird deutlich, wie sehr Freundlichkeit, Authentizität und auch Beziehungsfähigkeit für junge Mediziner eine Rolle spielen, um sich in ihrem Beruf wohlzufühlen.

Wunsch nach besseren Informationen und stärkerer Einbeziehung

Zahlreiche Untersuchungen bestätigen zudem, dass mindestens ein Drittel, wenn nicht die Hälfte der Arbeitszeit eines Arztes auf das Gespräch mit Patienten und seinen Angehörigen entfällt. Studien zur Patientenzufriedenheit ergeben, dass – auch wenn die Mehrheit der Patienten mit ihrem Arzt zufrieden ist  – sie mehr Informationen wünschen und zudem stärker in Entscheidungen einbezogen werden wollen.

Viele Ärzte sind sich nicht der Tatsache bewusst, auf wie vielen Ebenen im Gespräch Missverständnisse und Frustrationen entstehen können. Kommt beim Patienten eine andere als die vom Arzt gemeinte Botschaft an, kann es beim Patienten zu massiven Stressreaktionen kommen, die sich negativ auf das Heilungsgeschehen auswirken können (sogenannter "nocebo"-Effekt).

Es kann zu ungünstigen gegenseitigen Aufschaukelungen im gemeinsamen Gespräch kommen, die diese schlechten Effekte noch verstärken können. Verschiedenste Untersuchungen zeigen, dass viele Patienten mit der Beratung durch den Arzt unzufrieden sind.
Sieben entscheidende Fehler und Mängel im Arzt-Patienten Gespräch nach Steffen Alexander Decker:

  • Unterbrechen von Schilderungen des Patienten, durchschnittlich schon nach 18 Sekunden;
  • Mangelnde Strukturierung des Gesprächs;
  • Einengung des Patienten durch Suggestivfragen und geschlossene Fragen;
  • Unklare und missverständliche Erklärungen zu Untersuchungsbefunden, Krankheitsdiagnosen und therapeutischen Empfehlungen;
  • Vertikale Kommunikation (der Arzt in der Funktion als Lehrer und Festhalten an schulmedizinischem Wissen);
  • Zu rasche Psychologisierung des Problems bei fehlendem psychosomatischen Krankheitsverständnis des Patienten;
  • Ein Nichteingehen auf emotionale und psychosoziale Gesprächsinhalte.

 

Betrachtet man die Kommunikation von Ärzten mit sogenannten "schwierigen" Patienten, richtet sich ein Brennglas auf die Symptome misslingender Interaktion. Zwar sollen von Arzt und Pflegepersonal alle Patienten "gleich" behandelt werden, zahlreiche Studien belegen aber, dass medizinisches Personal sehr wohl zwischen "guten" und "schlechten" Patienten unterscheidet.

Dabei muss davon ausgegangen werden, dass sich das Empfinden des Arztes aus dem Miteinander mit dem Patienten entwickelt und situativ und auch aus dem Kontext heraus begriffen werden muss, in dem es geschieht. Insofern ist der "schwierige" Patient kein Verursacher der misslingenden Kommunikation, sondern eigentlich ein Symptom einiger komplexer Zusammenhänge.

Zu den Hauptursachen für die Schwierigkeit, zu besseren Gesprächen zu kommen, zählt nach wie vor Zeitmangel. Ärzten und Pflegern bleibt nach wie vor zu wenig Zeit für das Gespräch mit Kollegen, Patienten und Angehörigen. Auch die mangelnde Einhaltung von Pausen stellt ein Problem dar.

In Folge von 24-Stunden-Dauerschichten in Krankenhäusern und Klinika entstehen nicht nur massive Behandlungsfehler teilweise mit tödlichen Folgen, sondern es fehlen auch die Grundvoraussetzungen für gute Gespräche mit den Patienten. Nur ein ausgeruhter und einigermaßen entspannter Arzt kann dafür sorgen, dass es zu einer Gesprächsatmosphäre kommen kann, in der Patienten sich wohl und aufgehoben sowie wahrgenommen und gut informiert fühlen und damit auch der Heilerfolg garantiert ist.

Der englische Philosoph Herbert Paul Grice formulierte in seinen vier "Konversationsmaximen"  Grundregeln, mit denen Gesprächsteilnehmer ihr Ziel der maximalen Verständigung untereinander erreichen können: durch die Einhaltung der Qualitätsmaxime (sei wahrhaftig!), Quantitätsmaxime (sei so informativ wie nötig!),  Relevanzmaxime (bleib beim Thema!) und Klarheitsmaxime (vermeide Mehrdeutigkeiten!).

Im Schnitt dauert in Deutschland das ärztliche Gespräch drei Minuten, wahrlich kein großer Spielraum, um eine von gegenseitiger Wahrnehmung geprägte Kommunikation zu schaffen. Nichtsdestotrotz muss das wichtigste Ziel sein, ein von beiderseitigem Vertrauen geprägtes (Arbeits-)Verhältnis aufzubauen.

Arzt-Patient-Gespräch: Authentizität und Wertschätzung

Je nach Ziel (Gespräch über eine Diagnose, Aufklärung über mögliche Therapien) und Gesprächspartner sollte der Arzt in der Lage sein, aktiv zwischen verschiedenen Gesprächsebenen wechseln zu können und sich dessen auch bewusst zu sein. Er sollte entscheiden, ob er zunächst zuhört und auch den Patienten aktiv in Entscheidungen miteinbezieht oder möglicherweise zu Beginn eines Gesprächs im Bewusstsein seines medizinischen Wissens informiert und den Patienten durch das Gespräch führt.

Dazu muss vorneweg genau geschaut werden, mit wem der Arzt es zu tun und in welcher Situation sich der Patient befindet. Grundlage jedes Gesprächs sollte aber immer die direkte und ehrliche Ansprache des Patienten sein, der damit die Chance auf eine Auseinandersetzung mit seiner Situation hat. Zudem sollte die Gesprächsatmosphäre von Echtheit und Authentizität geprägt sein und mit der Wertschätzung des Gegenübers einhergehen.

Ein Gespräch kann schon in gute Bahnen gelenkt werden, indem der Arzt, aber auch der Patient, auf die obengenannten äußeren und inneren Rahmenbedingungen achten. Neben diesen Grundvoraussetzungen sollten vor allem die Gebote des aktiven Zuhörens für den Arzt von entscheidender Bedeutung sein. Damit Patienten, insbesondere die, die als "schwierig" empfunden werden, sich wahrgenommen fühlen, ist es sehr wichtig zuzuhören.

Ein Arzt sollte also möglichst wenig selbst reden, und trotz der Kürze der Zeit dem Patienten das Gefühl geben, reden zu können. Dabei sollten keine "Nebentätigkeiten" wie Briefe lesen und Rezepte unterschreiben oder gar Telefonate gestartet werden. Auch das Arbeiten am Computer sollte wegfallen. Ablenkungen wie Lärm und andere Gespräche sollten vermieden werden.

Ein ganz entscheidender Aspekt ist das strikte Achten der Privatsphäre des Patienten. Daher sind Gespräche im Beisein von anderen (Patienten) auf jeden Fall tabu. Mit möglichst wenig Kritik und einer geduldigen Haltung (insbesondere aggressiven Patienten gegenüber) kann der Arzt durch Fragen sehr viel über seine Patienten erfahren und ihnen so besser helfen. Zudem sollte er darauf achten, die Patienten möglichst nicht zu unterbrechen und ihnen während des Gesprächs in die Augen zu sehen. Entscheidend ist auch eine genaue Beobachtung dessen, welche Persönlichkeit man vor sich hat.

Annette Rexrodt von Fircks beschreibt in der von der Techniker Krankenkasse herausgegebenen Broschüre "Heilsame Kommunikation zwischen Arzt und Patient", wie wichtig Kleinigkeiten im Miteinander sind: "Manchmal sind es nur die "kurzen" Augenblicke, die so viel bewirken können: die Schwester, die mit einem Lächeln oder einem freundlichen Gruß das Essenstablett auf den Betttisch stellt; der Arzt, der sich einen Stuhl an das Bett des Patienten schiebt.

Ganz wichtig ist es jedoch, dass auch die Patienten sich ihrer Rolle als aktiver Gesprächspartner bewusst sind. Auch sie können scheinbar nicht zu beeinflussende Umstände zu ihren Gunsten anders gestalten, zum Beispiel die knappe Zeit dadurch wettmachen, dass sie sich auf das Gespräch mit dem Arzt vorbereiten. Fragen und mögliche Ideen können vorher notiert und dem Arzt vorgetragen werden, ein Notizzettel hilft, bestimmte Fragen nicht zu vergessen.

Gelungene Kommunikation ist von großer Bedeutung für Ärzte und Patienten. Nur im permanenten Bewusstsein darüber und im steten Bemühen aller Beteiligten können trotz Zeitmangels und schwieriger Themen erste Schritte zu einer achtsamen und heilenden Kommunikation gegangen werden.