Wissenschaftsbarometer 2025
Einmischung von Forschenden ausdrücklich erwünscht
Die wahrgenommene Polarisierung der Gesellschaft liegt über dem tatsächlich gemessenen Niveau. Zu diesem Ergebnis kommt das heute veröffentlichte Wissenschaftsbarometer 2025, das die Organisation Wissenschaft im Dialog (WiD) jährlich herausgibt. 77 Prozent der befragten Personen sind demnach der Ansicht, dass die Meinungen in der Gesellschaft immer weiter auseinanderdriften. Für 54 Prozent stehen sich sogar zwei unversöhnliche Lager gegenüber. Diese Wahrnehmungen seien jedoch nicht durch die Realität gedeckt: "Die Bevölkerung nimmt eine Polarisierung wahr, obwohl sie sich in zentralen Konfliktfragen recht einig ist", sagt WiD-Geschäftsführer, Dr. Benedikt Fecher. Die Ergebnisse verwiesen auf ein Kommunikationsproblem.
Eine Schlüsselrolle bei der Lösung solcher Probleme kommen Wissenschaft und Wissenschaftskommunikation zu. Gerade im Hinblick auf polarisierte Debatten bestehen laut Wissenschaftsbarometer hohe Erwartungen an Forschende: Eine deutliche Mehrheit von 70 Prozent befürwortet deren aktive Einmischung, wenn Fakten verfälscht werden. Dabei müssten sich Forschende möglichst neutral verhalten, finden 47 Prozent der Befragten.
Informiertheit über Wissenschaft und Forschung nimmt ab
Entgegen der Wahrnehmung in der Öffentlichkeit würde eine breite Mitte differenzierte Meinungen vertreten, wies das Wissenschaftsbarometer anhand der vier gesellschaftlich kontrovers diskutierten Themen Migration, Klimawandel, gendergerechte Sprache und soziale Ungleichheit nach. Zwar gebe es gegensätzliche Haltungen, eine Mehrheit nehme bei drei der vier Themen jedoch ähnliche Positionen ein. "Gesellschaftliche Debatten verlaufen oft vielfältiger, als es der öffentliche Diskurs vermuten lässt", sagt Liliann Fischer, Programmleiterin Insights bei Wissenschaft im Dialog. Dem Eindruck von Spaltung entgegenzuwirken, sei die Aufgabe von Wissenschaftskommunikation.
Offenheit und Bereitschaft zum Austausch sind nach wie vor vorhanden. Dem Wissenschaftsbarometer zufolge stellen wissenschaftliche Erkenntnisse für 61 Prozent der Befragten eine wichtige Grundlage für Diskussionen dar. Mehr als die Hälfte sei zum Gespräch mit Andersdenkenden bereit. Als besonders geeignete Strategien gegen gesellschaftliche Spaltung wählten fast 50 Prozent der Befragten das "Erklären komplexer Sachverhalte in verständlicher Sprache" sowie das "Aufdecken von Fehlinformationen und Mythen".
Auch das Vertrauen in die Wissenschaft sei im Vergleich zu den Vorjahren stabil geblieben. 54 Prozent – vor allem jüngere Personen und solche mit hohem formalem Bildungsniveau – vertrauen laut Wissenschaftsbarometer auf Wissenschaft und Forschung. Allerdings habe nur noch jeder Vierte das Gefühl, bei Neuigkeiten aus Wissenschaft und Forschung auf dem Laufenden zu sein. 2024 seien es noch 30 Prozent, 2023 sogar fast 40 Prozent gewesen.
Seit 2014 erhebt das Wissenschaftsbarometer bevölkerungsrepräsentativ die Einstellungen der Deutschen gegenüber Wissenschaft und Forschung. In diesem Jahr wurden 2.011 Personen befragt – erstmals per computergestützter Online-Befragung.
hes