Eine Frau mit Brille, langen Haaren und einem abricotfarbenen Anzug gestikuliert mit ihren Händen während des Sprechens: Es ist Francesca Albanese.
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Antisemitismusvorwurf
Francesca Albanese bei Tagung in Räumen der FU erwartet

Die Sonderberichterstatterin des UN-Menschenrechtsrats steht in der Kritik. Bei einer wissenschaftlichen Tagung soll sie über Genozid sprechen.

10.09.2025

Die vielfach kritisierte UN-Sonderberichterstatterin Francesca Albanese soll am Mittwoch bei einer Veranstaltung in Räumen der Freien Universität (FU) Berlin sprechen. Dies bestätigte die FU im Rahmen einer Pressemitteilung vom 10. September. Veranstalterin sei aber nicht die Uni, sondern die Europäische Gesellschaft für Internationales Recht (ESIL), die sie als "Expertin für Völkerrecht im Rahmen des Vorprogramms der Tagung" eingeladen habe. Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) erneuerte seine Kritik an Albanese und meinte, sie habe an einer Berliner Uni keinen Platz. 

Die italienische Juristin ist seit 2022 Sonderberichterstatterin des UN-Menschenrechtsrats für die besetzten palästinensischen Gebiete. Sie kritisiert das Vorgehen Israels im Gazastreifen. Laut Albanese seien die Verleugnung der Realität, die Fortsetzung der Straffreiheit und des Exzeptionalismus Israels nicht länger tragbar, berichtete das Informationszentrum der Vereinten Nationen im Frühjahr 2024. Mit ihren Äußerungen hat sie in der Vergangenheit den Vorwurf des Antisemitismus auf sich gezogen – unter anderem von Wegner. Im Februar war eine ebenfalls bei der FU geplante Veranstaltung mit ihr kurzfristig verlegt worden. Die Universitätsleitung hatte damals argumentiert, bei einem Vortrag Albaneses auf dem Unigelände gäbe es unkalkulierbare Sicherheitsrisiken. 

Nun soll sie im Vorprogramm der Jahrestagung von ESIL bei einer Veranstaltung zu internationalem Recht mit dem Untertitel "Eine Kartographie und Anatomie des Genozids" auftreten. Dabei sein soll auch der israelische Architekt Eyal Weizman. Er ist Gründer der Forschungsagentur Forensic Architecture an der Goldsmiths-Universität in London. Die Agentur recherchiert nach eigenen Angaben weltweit Fälle von Staatsgewalt und Menschenrechtsverletzungen und bezeichnet das israelische Vorgehen im Gazastreifen als Völkermord. Für ihre Arbeit bekam sie im Oktober 2024 den sogenannten Alternativen Nobelpreis – Right Livelihood Award – der gleichnamigen Stiftung verliehen. Besonders hervorgehoben wurden "bahnbrechende digitale forensische Methoden, um Gerechtigkeit und Rechenschaftspflicht für Opfer und Überlebende von Menschenrechts- und Umweltrechtsverletzungen zu gewährleisten". 

Tagung mit 600 Teilnehmenden 

Die FU teilte auf dpa-Anfrage mit, zu der ESIL-Tagung würden 600 Teilnehmende aus 60 Ländern im Henry-Ford-Bau erwartet. Die Einladung folge den für Fachtagungen üblichen wissenschaftlichen und prozeduralen Standards. Die Hochschulleitung ist ihrer Pressemiteilung zufolge nicht mit der Bewertung der Positionen der Eingeladenen befasst und nimmt keinen Einfluss auf den Verlauf. Im Übrigen seien Universitäten laut Grundgesetz der Wissenschaftsfreiheit verpflichtet, erklärte die FU weiter. "Dazu gehört auch, dass Forschende eigenständig über Themen, Formate und Gäste wissenschaftlicher Veranstaltungen entscheiden können." 

Wegner hielt der dpa zufolge dagegen: "Die Berliner Universitäten sind Orte der Lehre und der Forschung, aber auch der Wertevermittlung. Antisemitismus, Hass und Hetze dulden wir an unseren Hochschulen nicht." Albanese sei mit Israelhass und Verharmlosung der Hamas-Terrororganisation aufgefallen. "Ich erwarte von der Freien Universität, dass sie ein klares Zeichen gegen Antisemitismus setzt", sagte Wegner. Wie die Jüdische Allgemeine berichtete, haben das Netzwerk Jüdischer Hochschullehrender (NJH) und die Jüdische Studierendenunion Deutschland (JSUD) in einem gemeinsamen Brief an FU-Präsident Professor Günter Ziegler ihre Empörung über den geplanten Workshop geäußert. 

Sowohl der ESIL-Vorstand als auch ihr Präsident Professor Gleider Hernández hatten sich im Frühjahr "zutiefst besorgt" um die Wissenschaftsfreiheit gezeigt, nachdem die öffentliche Veranstaltung mit Albanese von der FU Berlin abgesagt worden war. Bereits im März bekräftigte der Vorstand sein Vorhaben, "die Jahrestagung an der FU Berlin zu organisieren, um die wissenschaftliche Diskussion über schwierige und drängende Fragen des Völkerrechts zu fördern und zu ermöglichen". Der ESIL-Vorstand und das Programmkomitee bestehen darauf, dass die Berliner Konferenz "die höchsten Standards einer rigorosen akademischen Debatte frei von externen Zwängen aufrechterhält", stellte der Vorstand zudem in Aussicht.

cva/dpa