

Nobelpreise 2024
Friedensnobelpreis für Engagement gegen Atomwaffen
Das norwegische Nobelkomitee hat beschlossen, den Friedensnobelpreis für das Jahr 2024 an die japanische Organisation "Nihon Hidankyo" zu verleihen. Diese Graswurzelbewegung von Atombombenüberlebenden aus Hiroshima und Nagasaki, auch bekannt als "Hibakusha", erhalte den Friedenspreis für ihr Bemühen um eine atomwaffenfreie Welt und dafür, dass sie durch Zeugenaussagen gezeigt habe, dass Atomwaffen nie wieder eingesetzt werden dürften.
Als Reaktion auf die Atombombenangriffe im August 1945 entstand eine globale Bewegung, deren Mitglieder unermüdlich daran arbeiteten, das Bewusstsein für die katastrophalen humanitären Folgen des Einsatzes von Atomwaffen zu schärfen, informiert das Komitee. Nach und nach habe sich eine mächtige internationale Norm, die den Einsatz von Atomwaffen als moralisch inakzeptabel stigmatisierte, entwickelt. Diese Norm sei als "nukleares Tabu" bekannt geworden. Das Zeugnis der "Hibakusha" – der Überlebenden von Hiroshima und Nagasaki – sei in diesem größeren Kontext einzigartig. "Nihon Hidankyo" habe Tausende von Zeugenaussagen, veröffentlichte Resolutionen und öffentliche Appelle geliefert sowie jedes Jahr Delegationen zu den Vereinten Nationen und zahlreichen Friedenskonferenzen entsandt, um die Welt an die dringende Notwendigkeit der nuklearen Abrüstung zu erinnern.
Diese historischen Zeuginnen und Zeugen haben dem Nobel-Komitee zufolge dazu beigetragen, den weit verbreiteten Widerstand gegen Atomwaffen auf der ganzen Welt zu erzeugen und zu festigen, indem sie sich auf persönliche Geschichten stützten, Aufklärungskampagnen auf der Grundlage ihrer eigenen Erfahrungen ins Leben riefen und eindringlich vor der Verbreitung und dem Einsatz von Atomwaffen warnen. Mit der Verleihung des Friedensnobelpreises an "Nihon Hidankyo" möchte das norwegische Nobelkomitee nach eigenen Angaben alle Überlebenden ehren, die sich trotz körperlicher Leiden und schmerzhafter Erinnerungen entschieden haben, ihre Erfahrungen zu nutzen, um Hoffnung und Engagement für den Frieden zu entwickeln. Man habe die Organisation noch nicht erreichen können, um ihr von ihrer Auszeichnung zu berichten, sagte der neue Vorsitzende des Komitees, Jørgen Watne Frydnes, bei der Preisbekanntgabe.
Nominierungen und Spekulationen im Vorfeld
Nominiert wurden diesmal insgesamt 286 Kandidatinnen und Kandidaten, unter ihnen 197 Persönlichkeiten und 89 Organisationen. Wer unter den Nominierten ist, wird von den Nobel-Institutionen traditionell 50 Jahre lang geheim gehalten. Das führt in jedem Jahr zu Spekulationen, wen das Nobelkomitee am Ende auswählen wird. In Zeiten von Nahostkonflikt, Ukraine-Krieg und Dutzenden weiteren Konflikten in der Welt hat sich diesmal vorab keine klar favorisierte Person, Gruppe oder Institution herauskristallisiert.
Bei einem Wettbüro lagen zuletzt der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, der chinesisch-uigurische Regierungskritiker Ilham Tohti und die belarussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja ganz vorne. Dahinter folgen die Staaten Irland, Norwegen und Spanien für ihre koordinierte Anerkennung eines Staates Palästina. Diesen Schritt unternahmen die Länder jedoch erst im Frühsommer, während die Nominierungsfrist für den Nobelpreis bereits am 31. Januar abgelaufen war.
Der Direktor des Osloer Friedensforschungsinstituts Prio, Henrik Urdal, hatte vor allem internationale Institutionen auf seiner Favoritenliste stehen, etwa das Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte (BDIMR) der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und den Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag. Beim Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri konnte sich der dortige Direktor Dan Smith im Vorfeld vorstellen, dass das Komitee mit Blick auf die momentan sehr angespannte Weltlage auf die Vergabe des diesjährigen Preises womöglich verzichten könnte. Das gab es in der Geschichte des Friedensnobelpreises bereits 19 Mal, zuletzt allerdings vor mehr als 50 Jahren.
Im vergangenen Jahr war die Auszeichnung an die Frauenrechtsaktivistin Narges Mohammadi gegangen, die in ihrer iranischen Heimat seit längerem im Gefängnis sitzt. Sie wurde damit "für ihren Kampf gegen die Unterdrückung der Frauen im Iran und ihren Kampf für die Förderung der Menschenrechte und der Freiheit für alle" geehrt.
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30 Jahre nach Nobelpreis für Spitzenpolitiker aus Nahost
Seit der ersten Preisvergabe 1901 sind bislang 111 Einzelpersonen und 27 unterschiedliche Organisationen mit dem Friedensnobelpreis geehrt worden, das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR dabei gleich zweimal und das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) sogar dreimal. Im Regelfall bekommt den Friedenspreis eine Persönlichkeit oder eine Organisation alleine zugesprochen, manchmal teilen ihn sich aber auch zwei Prämierte. Erst dreimal wurde die Auszeichnung unter drei Auserwählten aufgeteilt, unter anderem bei der Auszeichnung des damaligen Palästinenserführers Jassir Arafat und der damaligen israelischen Spitzenpolitiker Schimon Peres und Izchak Rabin vor 30 Jahren für ihre Bemühungen um eine Lösung des – derzeit wieder eskalierten – Nahostkonflikts.
In dieser Woche sind bereits die diesjährigen Nobelpreisträger in den Kategorien Medizin, Physik, Chemie und Literatur verkündet worden. Am Montag folgt zum Abschluss noch die Auszeichnung in Wirtschaftswissenschaften. All diese Nobelpreise werden traditionell in Stockholm vergeben, der Friedensnobelpreis als einziger in Oslo. Feierlich überreicht werden die Auszeichnungen am 10. Dezember, dem Todestag des Dynamit-Erfinders und Preisstifters Alfred Nobel (1833-1896). Dotiert sind sie mit einem Preisgeld in Höhe von elf Millionen schwedischen Kronen (knapp 970.000 Euro) pro Kategorie.
cva/dpa