Außenansicht eines gebäudes der Freien Unviersität Berlin.
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Freie Universität Berlin
FU Berlin entscheidet sich gegen Pogrom-Ausstellung

Die Wanderausstellung "The Vicious Circle" soll nicht an der FU Berlin gastieren. Besucherinnen und Besucher könnten "emotional stark" reagieren.

12.12.2024

Die Freie Universität (FU) Berlin möchte eine Wanderausstellung, die über antisemitische Pogrome informiert, nicht im Foyer eines ihrer Gebäude zeigen. Das melden verschiedene Medien. Ein Sprecher der Hochschule habe angegeben, die Ausstellung könne Besucherinnen und Besucher "emotional stark involvieren" und "vor Ort intensive Debatten auslösen", wie der "Tagesspiegel" berichtet.

Bei der Planung der Station der Ausstellung "The Vicious Circle" (zu Deutsch 'der Teufelskreis') in Berlin sei die Resonanz bei den Historikerinnen und Historikern des Friedrich-Meinecke-Instituts für Geschichte der FU äußerst positiv gewesen. So berichtet es die wissenschaftliche Leiterin der Ausstellung und Geschichtsprofessorin an der University of Nottingham in England, Maiken Umbach gegenüber "Forschung & Lehre". Lediglich die Zustimmung des Präsidiums habe noch gefehlt. Stattdessen habe FU-Vizepräsidentin Professorin Verena Blechinger-Talcott mitgeteilt, dass die Ausstellung an der Hochschule nicht stattfinden könne. Umbach sagt, sie sei über die Ablehnung "verwundert".

Wäre eine öffentlich zugängliche Ausstellung zu unsicher gewesen?

Die FU war in der Vergangenheit Ziel besonders heftiger propalästinensischer Protestaktionen, zuletzt im Oktober bei der versuchten Besetzung des Präsidiums. Offenbar gab es seitens der Universität Sicherheitsbedenken. Darauf deutet die Begründung hin, dass frei zugängliche und "nicht unmittelbar betreute Ausstellungen" starke Emotionen auslösten, die möglicherweise nicht angemessen seien, wie die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ) unter Verweis auf einen FU-Sprecher wiedergibt. Dazu erläutert Umbach, dass die Ausstellung nicht unbetreut geblieben wäre, sondern sie und eine Kollegin wären als Ansprechpersonen für Besucherinnen und Besucher anwesend gewesen. Darüber hinaus sei ein Begleitprogramm aus akademischen und öffentlichen Veranstaltungen bereits geplant gewesen. Umbach gegenüber seien Sicherheitsbedenken seitens der Universität nicht explizit angeführt worden, auch gebe es Möglichkeiten Veranstaltungen zu sichern, argumentiert die wissenschaftliche Leiterin der Ausstellung.    

"Wir wollen weder schockieren und Leichenberge zeigen, noch die Geschehnisse der Fallstudien gleichsetzen." Maiken Umbach 

Es gehe bei der Entscheidung gegen die Ausstellung nicht um inhaltliche Bedenken gegenüber der Ausstellung des britischen National Holocaust Centre and Museum, gab die FU gegenüber dem "Tagesspiegel" an. Bei "The Vicious Circle" handelt es sich um eine Zusammenschau aus fünf Fallstudien zu Übergriffen auf jüdische Gemeinden von der Zeit des Nationalsozialismus bis heute. Unter diesen Fallstudien sei auch das Massaker der Hamas in Israel vom 7. Oktober 2023, so Umbach. Pro Fallstudie zeige ein großer digitaler Screen die Pogrome, ihre Folgen, zitiere sowohl die Betroffenen als auch die Täter. So solle gezeigt werden, dass Gewalt gegen die jüdische Bevölkerung immer wieder von denselben Motiven geleitet würde. "Wir wollen weder schockieren und Leichenberge zeigen, noch die Geschehnisse der Fallstudien gleichsetzen", erläutert Umbach, es gebe Parallelen und Unterschiede. Es ginge vielmehr darum, zu zeigen, "welchen Schaden antisemitische Vorurteile anrichten".    

Die FU empfiehlt, die Ausstellung in ein Museum zu verlegen und schlägt vor, selbst Diskussionsveranstaltungen zu ihrem Inhalt anzubieten, berichtet die "FAZ". Die Wanderausstellung soll am 27. Januar in London eröffnet werden und dann in verschiedenen Ländern gezeigt werden. In Berlin sei sie für Januar oder Februar 2025 geplant gewesen, erläutert Umbach. Nun hoffe sie, einen alternativen Veranstaltungsort zu finden. Es würden gerade einige Gespräche laufen. 

Senatssitzung thematisiert Ablehnung

Die abgelehnte Pogrom-Ausstellung war Thema in der Sitzung des Akademischen Senats der FU am 18. Dezember. Laut Bericht des "Tagesspiegel" habe Vizepräsidentin Blechinger-Talcott die Hintergründe der Ablehnung erläutert. Das Foyer, das als Veranstaltungsort angefragt wurde, würde derzeit umgebaut und böte nicht ausreichend Platz, so die Vizepräsidentin. Außerdem habe die Anfrage vorgesehen, dass die Hochschule für die Sicherung der Ausstellung zuständig gewesen wäre und die damit verbundenen hohen Kosten hätte tragen müssen. 

Auch habe es entgegen vorheriger Bekundungen inhaltliche Kritik an der Ausstellungskonzeption gegeben, wie die Vizepräsidentin laut Bericht einräumte: Das Präsidium sei besorgt gewesen, dass die gemeinsame Darstellung verschiedener antisemitischer Pogrome den Eindruck erwecken könne, dass diese gleichgestellt und die Shoah relativiert werde. 

aktualisiert mit den Absätzen zur Senatssitzung am 18. Dezember am 20.12.2024 um 11.31 Uhr, zuerst veröffentlicht am 12.12.2024

cpy