Mann mahnt mit Zeigefinger vor den Lippen zur Ruhe
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Meinungsfreiheit
Immer mehr Tabuthemen

Die Meinungsfreiheit ist im Grundgesetz verankert. Dennoch finden viele Bürger es gebe ungeschriebene Gesetze, was man wo und wie laut sagen darf.

23.05.2019

Rund zwei Drittel der Bevölkerung sind der Ansicht, man müsse heute "sehr aufpassen, zu welchen Themen man sich wie äußert"; vor allem im Internet und in der Öffentlichkeit sind die meisten Bürger vorsichtig. Die Mehrheit sieht die Meinungsfreiheit zwar insgesamt als gesichert an, jedoch mit stark themenbezogenen Einschränkungen. Das geht aus einer aktuellen Umfrage des Instituts für Demographie Allensbach hervor, über die Professorin Renate Köcher am Donnerstag in der "FAZ" berichtete.

Von den 1.283 Befragten gaben 63 Prozent an, es gebe viele ungeschriebene Gesetze, welche Meinungen akzeptabel und welche tabu seien. Zu den heiklen Themen gehörten Flüchtlinge, Islam, Nazizeit und Juden sowie Rechtsextremismus und Patriotismus. Auch über Homosexualität und "gender"-Themen könne man sich nur mit Vorsicht äußern. 41 Prozent sagten, die Political Correctness werde übertrieben. Das Verständnis der Bevölkerung für Sprachregelungen und angemessene öffentliche Äußerungen gehe zurück. 57 Prozent der Befragten seien "genervt" von den sozialen Vorschriften und Normen.

Freie Meinungsäußerung nur noch im privaten Kreis möglich

Meinungsfreiheit gehöre laut "FAZ"-Bericht für die Bevölkerung zu den "wichtigsten Garantien der deutschen Verfassung". Doch rund ein Drittel der Bürger sei der Ansicht, dass freie Meinungsäußerung nur noch im privaten Kreis möglich sei. Der öffentliche Raum werde insgesamt weit weniger mit Meinungsfreiheit assoziiert. Nur 18 Prozent der Bürger sind der Ansicht, sich in der Öffentlichkeit zu allem frei äußern zu können. 58 Prozent sagen, das sei bei einigen Themen mit Vorsicht möglich, und 20 Prozent bei vielen Themen.

Unter Freunden fühlen sich dagegen 59 Prozent der Bürger sicher, sich frei äußern zu können. Nur vier Prozent sehen den privaten Kreis als Ort, wo man sich bei vielen Themen besser zurückhalten sollte.

Noch weniger als die Öffentlichkeit werde das Internet als Ort der grenzenlosen Meinungsfreiheit angesehen. Zwar seien dort extreme Anschauungen und eine grobe Streitkultur überproportional vertreten, aber gerade das mache das Internet für viele suspekt und schrecke ab. 17 Prozent der Bürger sind der Ansicht, sich im Internet unbedenklich äußern zu können; 63 Prozent sagen, man solle sich dort zu einigen oder vielen Themen nur vorsichtig äußern.

Bemerkenswert viele hätten laut Bericht zur Umfrage den Eindruck, die soziale Kontrolle nehme in der Öffentlichkeit zu und fühlten sich bei öffentlicher Äußerung beobachtet und bewertet. Dabei mache es einen großen Unterschied, ob eine Gesellschaft sich allgemein akzeptierten Normen unterwirft oder sich der Eindruck durchsetzt, einem Erziehungsprozess ausgesetzt zu sein.

ckr