Ein Krankenpfleger läuft über die Intensivstation am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein.
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Welttag der Kranken
"Jedes einzelne Menschenleben schützen"

Sind die Einschränkungen in der Corona-Pandemie gerechtfertigt? Fragen an einen Medizinethiker über den Aushandlungsprozess zum Schutz des Lebens.

Von Ina Lohaus 11.02.2021

Forschung & Lehre: Dem Welttag der Kranken am 11. Februar kommt in diesem Jahr eine besondere Bedeutung zu. Weltweit werden Menschen von einer potenziell tödlich verlaufenden Krankheit bedroht. Um die Gefahren abzuwehren, wird tief in das private und öffentliche Leben eingegriffen. Darf dem Schutz des Lebens so Vieles untergeordnet werden?

Florian Steger: Es ist schon erschütternd, wie hoch die Todeszahlen vor allem in den letzten drei Monaten gewesen sind. Die Euphorie, dass in so kurzer Zeit Impfstoffe entwickelt wurden und dass die Inzidenzen aktuell sinken, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es durch SARS-CoV-2 so viele Infektionen gegeben hat wie noch nie. Das muss uns allen bewusst sein. Ich bin vor kurzem auf unseren kleinen Friedhof gegangen, auf dem es immer sehr ruhig ist. Jetzt aber hat es einen regelrechten Beerdigungsstau gegeben. Ich war noch einmal richtig erschrocken darüber, wie viele Menschen die Erkrankung nicht überstehen. Insofern ist in der Tat höchste Vorsicht geboten. Es ist ein ernstzunehmendes Virus, das in vielen Fällen zum Tod führt. Die Frage, ob all das, was uns derzeit zugemutet wird, zu rechtfertigen ist, muss vor diesem Hintergrund gestellt werden. Wer die Gefährlichkeit dieses Virus für den Einzelnen leugnet, der sollte sich mit der Realität auf den Intensivstationen konfrontieren und sich anschauen, wie es bei Bestattern und auf Friedhöfen zugeht.

Portraitfoto von Prof. Dr. Florian Steger
Professor Dr. Florian Steger ist Direktor des Instituts für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin der Universität Ulm sowie Vorsitzender der Ethikkommission der Universität Ulm und der Kommission "Verantwortung in der Wissenschaft" Universität Ulm

F&L: Die Corona-Krise führt zu zahlreichen Abwägungsfragen. Wo liegen aus ethischer Sicht die größten Herausforderungen?

Florian Steger: Dass ich als Bürger des 21. Jahrhunderts einmal in einer solchen Bedrohungssituation leben werde, hätte ich mir selbst gar nicht vorstellen können. Wahrscheinlich geht es sehr vielen Menschen so. Wir haben uns in einer geschützten Situation bewegt mit einem ausgezeichneten Gesundheitssystem, einem sehr guten Bildungssystem, einer blühenden Wirtschaft und sind plötzlich durch ein Virus in eine Weltgefährdungslage geraten. Das ist das erste, das uns bewusst sein muss.
Derzeit befinden wir uns in einer hoch komplexen Situation, in der Politikerinnen und Politiker, die dazu demokratisch legitimiert sind, Entscheidungen über einschneidende Maßnahmen treffen müssen. Dafür muss zu allererst klar sein, dass unsere Grundrechte nicht zur Disposition stehen. Als Zivilgesellschaft haben wir Grundrechte, die immer gewährt werden müssen. Sie können auch nicht "suspendiert" werden, wie ich es vor kurzem gehört habe, sondern sie sind immer grundsätzlich da. Wer Grundrechte aufgibt, verändert den Staat.

Zugleich ist es unsere Aufgabe als Demokraten, jedes einzelne Menschenleben zu wahren und zu schützen. Wenn für diesen Schutz ein individuelles Recht für eine bestimmte Zeit ausgesetzt werden soll, sind Rechtfertigungen notwendig. Momentan besteht ein höheres Gut darin, eine große Population zu schützen. Denn wenn die Ausbreitung des Virus nicht eingedämmt wird, entsteht ein exponentielles Wachstum, das alle gefährdet. Deshalb werden gewisse Freiheiten eingeschränkt, zum Beispiel dass sich nicht mehr jeder zu jedem Zeitpunkt versammeln darf. Aber derartige Freiheitseinschränkungen sind jeden Tag und jede Stunde rechtfertigungsbedürftig. Das darf nie vergessen werden.

Wenn man aktuell die niedrigen Inzidenzen sieht und weiß, dass es inzwischen verschiedene Impfstoffe gibt, dann muss darüber nachgedacht werden, ob die einschneidenden Maßnahmen noch verhältnismäßig sind. Müssen nicht die Freiheitsrechte wieder stärker in den Vordergrund treten? Müssen wir nicht die Kinder wieder in die Schule lassen, mehr Versammlungen erlauben, die Gottesdienste öffnen, damit die Religion ausgeübt werden kann? Das ist ein ewiger Aushandlungsprozess, denn es besteht die dringende Notwendigkeit der Rechtfertigung. Und das Aushandeln ist deshalb so schwierig, weil es das, was wir eigentlich brauchen, nämlich empirische Evidenz, nicht gibt. Bringt die Impfung tatsächlich Sicherheit, wird der Geimpfte zukünftig nicht mehr gefährdet sein und gefährdet er auch keine anderen mehr? Dieses gesicherte Wissen haben wir nicht. Die epistemische Unsicherheit macht es so schwer, wissenschaftliche Empfehlungen darüber auszusprechen, wie wir uns verhalten sollen. Wenn wir uns wissenschaftlich eben nicht sicher sind, sind letztlich politische Entscheidungen notwendig. Denn es wird sich momentan auf der bestehenden Datenbasis keine Entscheidung so begründen lassen, dass das wissenschaftliche Argument allein reicht. Es muss eine politische Entscheidung her, die auch wieder revidiert werden darf. Es sind dann keine Fehler, die ständig gemacht werden, sondern es ist einfach der Prozess, der nun mal so ist.

"Das ist ein ewiger Aushandlungsprozess."

F&L: Ein großes Problem dabei ist, dass sich das Virus so schnell ausbreitet. Viele Entscheidungen müssen in Echtzeit getroffen werden. Ist ein kluges ethisches Abwägen dann überhaupt möglich?

Florian Steger: Wir sollten schon zu jedem Zeitpunkt in der Lage sein, ethisch zu begründen, zu rechtfertigen und abzuwägen. Ich werde zu vielen klinischen Fragen auch gerade bei Entscheidungen am Lebensende um Rat gefragt und muss dann schnell entscheiden. Da kann man keine großen Gremien einberufen, auch wenn es notwendig wäre. Es gehört zur ethischen Expertise dazu, dass hic et nunc eine Empfehlung abgegeben werden kann. Es ist zu unterstreichen, dass wir ein unglaubliches Tempo haben, in dem Entscheidungen getroffen und Innovationen umgesetzt werden müssen. Dass da nicht alles perfekt ist, liegt auf der Hand. Es muss immer wieder von Neuem abgewogen werden: Was ist von Vorteil für den Einzelnen, für die Gemeinschaft, für die Population; worin bestehen die Risiken für den Einzelnen und die Risiken für die Gemeinschaft?

Manchen Ad-hoc-Empfehlungen merkt man an, dass sie auch wanken können. Es ist immer ein Spagat: Was will ich wissenschaftlich gut gerechtfertigt vortragen und was ist tatsächlich eine politische Handlung, die sich daraus ableiten lässt. Kann man aktuell wirklich sagen, derjenige, der geimpft ist, darf mehr? Nein, kann man nicht, weil wir gar nicht wissen, ob er geschützt ist und ob er nicht andere gefährdet. Deshalb darf er das nicht. Kann man eine Ausnahme machen in Pflege- und Altenheimen und die Besuchs- und Kontaktbeschränkungen für geimpfte Bewohner aufheben? Aus Gründen der Barmherzigkeit: ja. Aus Gründen des Einfühlens in ältere Menschen und ihre Lebenskontexte: ja. Ist es wirklich ungefährlich? Nein, ist es nicht. Dass der Deutsche Ethikrat sich in seiner Ad-hoc-Empfehlung "Besondere Regeln für Geimpfte" dafür ausgesprochen hat, für geimpfte Bewohner von Pflegeheimen oder Hospizen die Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen aufzuheben, ist insofern diskussionswürdig. Ich kann das als Mensch gut verstehen, ich kann auch nachvollziehen, warum man eine solche Empfehlung ausspricht. Was aber ist die wissenschaftliche Basis einer solchen Entscheidung? Da kommen wir an eine Grenze. Ich denke schon, dass es möglich ist, hier Argumente anzuführen und Rechtfertigungen vorzutragen.

"Wir müssen Sorge dafür tragen, dass wir nicht Mensch gegen Mensch aufrechnen."

F&L: Quarantäne und Besuchsverbote in Krankenhäusern und Pflegeheimen können zu sozialer Isolation führen. Zuwendung und Fürsorge der Kranken sind eingeschränkt, sterbende Menschen können nicht begleitet werden. Bleibt hier die Würde des Menschen auf der Strecke?

Florian Steger: Wir müssen alles tun, damit das nicht passiert. Wir müssen Sorge dafür tragen, dass wir nicht Mensch gegen Mensch aufrechnen, wir müssen Sorge dafür tragen, dass wir Nähe soweit wie möglich zulassen. Es wäre sehr wünschenswert, wenn ich einem Menschen in einer Seniorenresidenz Nähe, Kontakt und auch Zeit widmen kann. Aber ich muss auch abwägen, welches Gefahrenpotenzial sich ergibt. Die Sicherheit steht hier im Vordergrund. Deshalb ist es so wichtig, nach Möglichkeiten zu suchen und über Modelle nachzudenken, wie trotz allem Kontakte ermöglicht werden können, zum Beispiel per Videochat, Telefon oder hinter Glasscheiben. Insbesondere geht es auch bei der Sterbebegleitung und der Bestattung um die Würde des Menschen, die in Gefahr ist. Wie können wir Abschied nehmen, wer darf sich verabschieden? Individuelle Bedürfnisse sind wichtig und müssen ernstgenommen werden. Aber das Individualwohl steht auch hier wieder in Konkurrenz zum öffentlichen Wohl, zur Gesundheit der Population, die nicht in eine desaströse Lage geraten darf. Um beides muss gerungen werden.

F&L: Müssen wir auch über den Tod neu nachdenken? So mancher ist in der Corona-Krise zum ersten Mal mit dem Gedanken konfrontiert, dass er selbst sterben könnte.

Florian Steger: Es ist sicherlich ein tragischer, aber richtiger Moment, dass wir wieder mehr über Sterben und Tod ins Gespräch kommen. Wir müssen uns die Tatsache wieder bewusster machen, dass wir Menschen nur für eine gewisse Zeit hier auf Erden sind. Zu unserem Menschsein gehört es, Abschied zu nehmen und von dieser Erde wieder wegzugehen. Das vergessen wir sicherlich im Alltag. Sich mit dem Tod auseinanderzusetzen sollte nicht nur in Spezialzirkeln oder nach 22 Uhr geschehen. Das gehört in die Schulen und Universitäten. Das gehört aber auch ins Wohnzimmer und vielleicht sogar an den Abendbrottisch. Das Bundesverfassungsgericht sagt, wir haben ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben, und zwar weil es ein Teil unseres Lebens ist. Wir haben ein Recht auf selbstbestimmte Entscheidungen während des Lebens und da gehört eben das Sterben auch dazu. Derzeit sehen wir ständig diese fürchterlichen Bilder in den Medien von Containern mit Toten, Plastikplanen mit toten Menschen, unbestatteten Leichen. Wenn wir das undiskutiert stehen lassen, dann macht es auch etwas mit uns Menschen.

Abschied nehmen

Viele Menschen haben durch das Coronavirus Angehörige verloren. Was bleibt, wenn jemand stirbt, schildert Melitta Brezni anhand ihrer eigenen Erfahrung in einem Buch. Als Tochter, Pflegerin und Ärztin hat sie ihre Mutter in den letzten Wochen beim Sterben begleitet.

Melitta Breznik: Mutter. Chronik eines Abschieds. Luchterhand Verlag 2020, 18,- Euro

F&L: Besonders augenfällig wird der Tod auch in den Momenten, in denen medizinische Geräte knapp werden und entschieden werden muss, wer bekommt den Intensivpflegeplatz, wer wird beatmet. Wie können Triage-Entscheidungen verantwortlich getroffen werden?

Florian Steger: Ich finde es richtig und gut, dass wir über die Triage öffentlich reden. Ich finde es wichtig, denn uns Menschen muss klar sein, dass die Ressourcen selbst in einem ausdifferenzierten und hervorragenden Gesundheitssystem wie in Deutschland knapp sind. Es geht keineswegs allein um das Bett an sich. Wir haben keinen Bettennotstand, sondern wir haben einen Pflege- und Ärztenotstand in Bezug auf die Intensivversorgung. Die Triage ist eine der schwierigsten Aufgaben, die ein Arzt oder eine Ärztin letztlich verantworten muss. Es gibt dazu sehr klare Kriterien, die die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) in Abstimmung mit der Akademie für Ethik in der Medizin verabschiedet hat. Diese DIVI-Kriterien sind nachvollziehbar und klar. Ganz zentral ist, was der Patient oder die Patientin möchte und was momentan klinisch das Beste für diesen Menschen ist, um den es geht. Nicht auf lange Sicht, sondern jetzt. Was hat der Eine jetzt davon und was hat der Andere jetzt davon. Wer hat die beste klinische Erfolgsaussicht im Moment der Intensivversorgung. Das sind harte Kriterien, und es gibt noch viele Details, die man in dieser Situation anwenden kann.

Natürlich wünscht sich keiner, solch eine Entscheidung treffen zu müssen. In Deutschland sind wir nicht wirklich in Gefahr, die Triage in großem Umfang anwenden zu müssen, solange wir uns an die Abstandsregeln halten, im Homeoffice arbeiten, Masken tragen und schnellstmöglich geimpft werden. Wenn nicht, ist in anderen Ländern zu sehen, welch fürchterliche Situationen entstehen können. Das wollen wir ganz sicher nicht und es ist ethisch dann auch kritisch zu bewerten.

Bei allem Verständnis für die Triage-Diskussion dürfen wir jedoch andere Auswirkungen auf das Gesundheitssystem durch die Pandemie nicht übersehen, insbesondere die Folgen für die medizinische Regelversorgung, die vielfach nicht stattgefunden hat. Die Menschen haben Angst, in die Ambulanzen zu gehen. Sie gehen nicht zu ihrer Chemotherapie, sie gehen nicht zur Bestrahlung. Sie kommen zum Beispiel bei Herzbeschwerden erst später in die Notaufnahme. Menschen mit psychischen Störungen erhalten keine adäquate Versorgung. Es herrscht die Angst vor, sich eine Infektion einzufangen. Darüber müsste viel mehr gesprochen werden. Alle haben das gleiche Recht auf Gesundheitsversorgung. Und das ist durch die Pandemie in Gefahr.

F&L: Eine Frage der Priorisierung ist aktuell die Verteilung der Impfstoffe sowohl unter der Bevölkerung als auch unter den Ländern weltweit. Welche Maßstäbe sollten für eine möglichst gerechte Verteilung gelten?

Florian Steger: Die Ständige Impfkommission (STIKO) hat zumindest für Deutschland Kriterien gefunden, wie Impfstoffe angemessen verteilt werden können. Diese Kriterien sind transparent, sie sind nachvollziehbar, sie sind, soweit es Daten gibt, auch wissenschaftlich begründbar. Ein kritischer Punkt ist zum Beispiel, ob diejenigen, die schon eine Infektion hinter sich haben, noch geimpft werden oder nicht. Hier scheiden sich die Geister. Nun kann man natürlich sagen, solange der Impfstoff noch knapp ist, sollten sie nicht geimpft werden, da sie noch einen gewissen Schutz haben. Aber hier stochern wir ein wenig im Nebel. Wir können die beste Entscheidung nur für den aktuellen Moment treffen und müssen sie immer wieder neu in Frage stellen. Es gilt auch hier wieder abzuwägen: Wer ist am meisten gefährdet, wem ist aktuell am besten damit geholfen, wer kann noch warten, weil er nicht so gefährdet ist. Auch Vorerkrankungen, das biologische Alter oder der Ort der Arbeit spielen eine Rolle. Es ist mehr als nachvollziehbar, dass diejenigen, die momentan die Intensivversorgung leisten, die Pflegekräfte sowie Ärztinnen und Ärzte, zuerst geimpft werden müssen.

"Da sollten wir nicht Tempo über Sicherheit stellen."

Wie der Impfstoff innerhalb der europäischen Länder zu verteilen ist, das ist eine politische Frage. Ich bin einigermaßen erstaunt darüber, welche Absprachen nationaler Natur hier getroffen werden. Da fragt man sich natürlich, was das über Europa aussagt. Das ist sicher kritisch zu sehen. Wir haben in Europa klare Standards über die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA), die erfüllt sein müssen, damit ein Impfstoff zugelassen werden darf. Diese Standards sollten wir wahren, da sollten wir nicht Tempo über Sicherheit stellen.

F&L: Die nächste schwierige Frage ist die Verteilung der Impfstoffe zwischen armen und reichen Ländern.

Florian Steger: Das ist tatsächlich ein tragisches Thema. Als prosperierende Industrienation sehen wir immer noch zu, wie unfair der Zugang zur Gesundheitsversorgung verteilt ist. Das ist im Übrigen auch in Europa alles andere als gleichmäßig. Bei vielen Fragen geht es dabei ums Geld. In Südafrika sieht man zum Beispiel, dass dort nicht nur gefährliche Mutationen vorkommen, sondern dass weder eine primäre noch eine präventive Versorgung durch die Impfung gewährleistet ist. Wir sind als Weltgemeinschaft sicherlich aufgefordert, uns viel stärker zu engagieren. Wir müssen jetzt alles tun, um Impfstoffe national, europäisch und dann international zur Verfügung zu stellen. Eine Pandemie darf nicht nationalstaatlich gedacht werden. Es muss auch eine globale Fürsorge geben.

F&L: Regierungen suchen Rat in der Wissenschaft, nicht nur bei Virologen oder Epidemiologen. Wird auch die Stimme der Medizinethiker ausreichend gehört?

Florian Steger: Ich denke grundsätzlich schon, dass eine ethische Expertise gefragt ist und in Abwägungsprozesse integriert wird. Aber man darf die Ethik auch nicht überfordern. Sie kann und will keine fertigen Lösungen präsentieren. Gerade jetzt ist es aufgrund der epistemischen Unsicherheit schwierig, Begründungen zu Ende zu denken. Es gibt sehr viele Expertinnen und Experten, die man fragen kann. Da ist es sicher gut, ein breites Meinungsbild einzuholen. Das gilt für die Virologie und die Epidemiologie ganz genauso. Wünschenswert wäre eine Diskussion in sehr breitem Kontext, weil in der Ethik die Begründungen und Rechtfertigungen von Person zu Person differieren. Gerade, wenn Unsicherheiten im Wissen bestehen, wäre es sinnvoll, viele Meinungen einzuholen. Ich denke schon, dass die Ethik gehört wird. Und das sollte auch nach der Pandemie so bleiben.