

Antisemitismus
Jüdische Hochschul-Angehörige verunsichert
Viele jüdische Studierende fühlen sich an Hochschulen in Deutschland nicht mehr sicher. Das geht aus dem "Lagebericht Antisemitismus an deutschen Hochschulen" hervor, den die Jüdische Studierenden Union Deutschland (JSUD) und das American Jewish Committee (AJC) Berlin am Donnerstag vorgestellt haben.
An den Universitäten sei seit dem Terrorangriff der islamistischen Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 eine Explosion antisemitischer Vorfälle zu beobachten gewesen, sagte der Direktor des AJC Berlin, Dr. Remko Leemhuis. Es sei ein Problem, das die Hochschulen in ganz Deutschland betreffe und auch jüdische Hochschulmitarbeiterinnen und Hochschulmitarbeiter, nicht nur Studierende.
Viele jüdische Studierende haben die Uni lange ganz gemieden
Der Lagebericht nennt Daten der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS), nach denen die Zahl antisemitischer Vorfälle an Hochschulen von 23 im Jahr 2022 auf 151 im Jahr darauf angestiegen ist.
JSUD-Präsidentin Hanna Veiler sagte, in den ersten Monaten nach dem 7. Oktober 2023 seien jüdische Studierende in der Regel nur dann zur Uni gegangen sind, wenn es wirklich notwendig gewesen sei.
"Das heißt auch, dass man am allgemeinen Universitätsleben nicht mehr teilgenommen hat", sagte sie. "Selbst in Vorlesungen zu sitzen, haben viele kaum noch aushalten können." Die Lage normalisiere sich langsam etwas. "Nichtsdestotrotz bleibt es natürlich weiterhin ein Problem."
Auch jüdische Hochschullehrende kommen zu Wort
Der Lagebericht enthält ein Kapitel des Ende 2023 gegründeten Netzwerks jüdischer Hochschullehrender in Deutschland, Österreich und der Schweiz (NJH). Ohne Anspruch auf Repräsentativität berichtet das Netzwerk auf Basis einer Befragung seiner Mitglieder, dass "die Situation jüdischer Hochschullehrender von antisemitischen Strukturen geprägt ist, die ihren Alltag beeinflussen". Zahlreiche Lehrende haben der Befragung zufolge angegeben, per E-Mail oder in den Sozialen Medien belästigt oder im akademischen Umfeld verbal angegriffen worden zu sein. Ab Oktober 2023 hätten sich viele jüdische Lehrende zurückgezogen: Sie hätten teilweise Online- statt Präsenzlehre angeboten. Auch auf jüdische Symbole zum Beispiel als Kettenanhänger sei verzichtet worden. Andere hielten ihre jüdische Identität geheim oder verzichteten darauf, auf dem Campus Hebräisch zu sprechen.
"All diese Verhaltensmaßnahmen geben Einblick in die Isolation und Entsolidarisierung, die jüdische Hochschullehrende erleben", so der Bericht. Das NJH fordert daher Anlaufstellen an den Hochschulen für Antisemitismus-Themen und entfristete Professuren in der jüdischen Gegenwartsforschung sowie in der sozialwissenschaftlichen Antisemitismusforschung, die jüdische Perspektiven mitdenken.
Jüdische Studierenden Union fordert Konsequenzen
Auch Leemhuis und Veiler forderten als Konsequenzen Ansprechpersonen für jüdische Studierende wie Antisemitismusbeauftragte an den Hochschulen, das Unterbinden antisemitischer Veranstaltungen, das konsequente Durchsetzen des Hausrechts, um Nicht-Universitätsangehörigen keinen Raum für Protestaktionen zu geben, und die konsequente strafrechtliche Verfolgung antisemitischer Straftaten.
"Wir sehen immer noch, dass Haltung Zeigen, Rückgrat Zeigen, Durchgreifen keine Selbstverständlichkeit ist", sagte Veiler mit Blick auf Hochschulleitungen, die es nach ihrer Überzeugung etwa beim Umgang mit Hörsaalbesetzungen oft an Konsequenz fehlen lassen.
dpa/cpy