Vatikan
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Fall Wucherpfennig
Katholische Theologen kritisieren Vatikan

Zahlreiche katholische Theologieprofessoren haben sich für ihren Kollegen Ansgar Wucherpfennig eingesetzt. Ihm hatte Rom das Nihil obstat verweigert.

14.10.2018

Zahlreiche katholisch Theologinnen und Theologen haben die Verweigerung des römischen Nihil obstat anlässlich der Wiederwahl von Professor Ansgar Wucherpfennig zum Rektor der Philosophisch-Theologischen Hochschule St. Georgen scharf kritisiert.

Dies sei ein in "Form und Inhalt nicht zu rechtfertigenden Angriff auf einen verdienten Theologen, Seelsorger und Ordensmann". Die Theologen sprechen Wucherpfennig ihre "uneingeschränkte Solidarität" aus. Dabei geht es nach Ansicht der Theologen nicht allein um einen Einzelfall, sondern um ein "Grundproblem kirchlicher Kommunikation". Einmal mehr werde versucht, ein theologisch und pastoral drängendes Thema disziplinarisch "zu erledigen und zu tabuisieren", anstatt dessen dringend nötige Klärung in einem offenen theologischen Prozess zu fördern. "In dieser Verweigerung des Dialogs sehen wir ein Zeichen jenes Missbrauchs von Macht, der gerade vor dem Hintergrund der jüngst veröffentlichten Untersuchung zum sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche in Deutschland als Grundproblem scharf kritisiert wird", heißt es in einer auf der Internetseite des Bistums Limburg veröffentlichten gemeinsamen Erklärung.

Unterzeichner sind der Katholisch-Theologische Fakultätentag, die Vereinigung der Arbeitsgemeinschaften für Katholische Theologie, die Deutsche Sektion der Europäischen Gesellschaft für Katholische Theologie und die "Agenda – Forum katholischer Theologinnen".

Angriff auf Freiheit theologischer Forschung und akademischer Selbstverwaltung

Die katholischen Hochschullehrer und Hochschullehrerinnen sehen in der Verweigerung des Nihil obstat für Professor Wucherpfennig auch einen schweren Angriff auf die Freiheit und Unabhängigkeit theologischer Forschung und akademischer Selbstverwaltung.

Die akademische Theologie in Deutschland stehe in kritischer Loyalität gegenüber dem römischen Lehramt. Verbundenheit mit ihrer eigenen Tradition bedeute dies für die theologische Forschung und Lehre, innovativ und produktiv an der Vermittlung von Lehre und Leben, von Glaubensüberlieferung und Glaubensausdruck in der pluralen Lebenswirklichkeit zu arbeiten. "Mit schriftlichen Ermahnungen und der Androhung von Disziplinarmaßnahmen, wie sie jüngst – nicht nur – im Fall Wucherpfennig stattgefunden haben, wird die offene Fortschreibung von Lehre und Praxis verhindert", heißt es weiter in der Erklärung.

Dadurch werde es aber auch unmöglich, die gravierenden innerkirchlichen Missstände, die im aktuellen Missbrauchsskandal offenbar geworden sind, aufzuklären, in ihrer Tragweite und ihren Ursachen zu erforschen. Wenn kirchliche Verantwortungsträger den Beitrag der Theologie zur Überwindung der fundamentalen Kirchenkrise gering schätzten bzw. disziplinarisch zurückwiesen, "tun sie nicht nur den betroffenen Theologinnen und Theologen Unrecht, sondern schaden auch der Kirche".

Es gehört nach Auffassung der Unterzeichner zum Auftrag der Theologie als Wissenschaft, auch solche Themen zu bearbeiten, in denen die kirchliche Lehre für die meisten Zeitgenossen unverständlich und nicht mehr rezipierbar erscheint. Professor Wucherpfennig habe dies wissenschaftlich wie pastoral verantwortungsvoll getan.

Wucherpfennig war im Frühjahr zum zweiten Mal als Rektor der Philosophisch-Theologischen Hochschule des Ordens in Frankfurt wiedergewählt worden. Im Jahr 2016 hatte er sich in einer Lokalzeitung gegen den Ausschluss von Frauen von kirchlichen Weiheämtern ausgesprochen und Verständnis für Homosexualität geäußert. Das Zeitungsinterview wurde kürzlich zuständigen Instanzen in Rom weitergeleitet. Diese haben daraufhin die Bestätigung der Wiederwahl verweigert und auf einen Widerruf gedrängt.

gri