Warnschild zum Tragen eines Gehörschutzes
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Lärmbelästigung
Krach ist mehr als nur Lautstärke

Wie haben Krieg und Pandemie die Lärmwahrnehmung verändert? Wie kann man Krach bekämpfen? Ein Blick auf unliebsame Geräusche am "Tag gegen Lärm".

27.04.2022

Ob knatternde Motoren, kräftiges Geschrei oder laute Maschinengeräusche – besonders in der Großstadt ist der Alltag geprägt von vielen Klängen, die nicht immer angenehm sind. "Lärm definiert sich durch ein Geräusch, das nicht mal unbedingt laut sein muss, jedoch unerwünscht ist. Man empfindet es als unangenehm, man will sich dem entziehen", erklärte Lärmforscherin Professorin Brigitte Schulte-Fortkamp von der TU Berlin der Deutschen Presse-Agentur zum "Tag gegen Lärm" am 27. April. Wie hat sich die Wahrnehmung von Lärm zuletzt verändert?

Lärm oder Krach sei belästigend, könne die Konzentration stören – oder im seltenen Extremfall, wenn er anhalte und jede Erholung ausschließe, auch krank machen, so die Expertin. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht sogar davon aus, dass Umgebungslärm, insbesondere Verkehrslärm in Westeuropa, jährlich für den Verlust von mehr als einer Million gesunder Lebensjahre durch Einschränkungen oder vorzeitige Sterblichkeit verantwortlich ist.

Bei der zentralen Veranstaltung für den "Tag gegen Lärm" 2022, am Dienstag online durchgeführt von der Deutschen Gesellschaft für Akustik (DEGA), dem Umweltbundesamt (UBA) und der Stadt Dessau-Roßlau, sagte UBA-Vizepräsidentin Lilian Busse: "Wir sind von vielen Lärmquellen betroffen." Dauerhafte Lärmbelästigung könne zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen, zu Schlafstörungen, zu kognitiven Beeinträchtigungen, aber auch zu psychischen Erkrankungen, mahnte sie. So werde Lärm vor allem in der Stadt zum ernsten Umweltproblem.

Lärm ist subjektiv

Grundsätzlich sei das Empfinden von Lärm subjektiv, so Akustik-Spezialistin Schulte-Fortkamp. Im Allgemeinen könne man aber sagen, dass sehr laute Geräusche, die über 85 Dezibel lägen und Kommunikation verhinderten, relativ einheitlich als Lärm empfunden würden, wenn es sich um Umgebungsgeräusche handele. Vergleichbar sei dies mit einem dicht vorbeifahrenden Lkw. Entscheidend sei aber auch die Quelle des Geräusches – etwa Baulärm oder Straßenlärm seien selten positiv konnotiert.

Schulte-Fortkamp führt auch aus, wie stark sich das Lärmempfinden und der Umgang mit Geräuschen im Laufe des letzten Vierteljahrhunderts wandelten, immer abhängig von der gegenwärtigen Lebenswelt. In Zeiten des Ukraine-Krieges seien beispielsweise Sirenen und akustische Alarmsignale, die von vielen einfach Polizeifahrzeugen oder Krankenwagen zugeschrieben würden, für andere mit großer Angst überschattet – insbesondere für Geflüchtete und jene, die schon einmal einen Krieg miterleben mussten.

"Jetzt in dieser Kriegssituation spielen Geräusche für viele Menschen eine Rolle und vermitteln ein Gefühl von Unheil, Tod und Tragödie", so Schulte-Fortkamp. Man wisse, dass sich durch Geräusche bei Menschen schließlich ganz unterschiedliche Gefühlswelten aufbauten. "Geräusche haben schon eine enorme Tragweite."

Häufige Geräusche stören mehr

Auch zwei Jahre Pandemie veränderten zuletzt das Lärmempfinden, sagte die Expertin weiter. Insbesondere in Zeiten der Lockdowns sei es wegen ausbleibender Bewegung nach ihrer Einschätzung nicht mehr vorrangig der Straßen- und Verkehrslärm gewesen, der vielen Menschen auf die Nerven gegangen sei. "Das hat sich verschoben und auf den nahen Wohnbereich verlegt." So habe der Nachbarschaftslärm durch die längerfristig "verordnete" Nähe an Bedeutung zugenommen. Weil zudem besonders viel gebaut werden konnte, sei auch der Baulärm vielfach als stärker belästigend wahrgenommen worden.

Mit den gefallenen Corona-Beschränkungen hätten natürlich die Verkehrsbewegungen wieder zugenommen – Pendlerlärm oder auch das Plus an Flugbewegungen seien akustisch wieder deutlicher spürbar. Auch in der Umgebung etwa von Schulen sei der Geräuschpegel höher als in Zeiten des Homeschoolings. Großveranstaltungen wie Konzerte oder Shows kämen hinzu. Zwar sprach Schulte-Fortkamp von einer möglichen "Begrüßungseuphorie" gegenüber der aufflammenden Geräuschkulisse, eine neue Toleranz den Geräuschen gegenüber erwarte sie aber nicht.

UBA-Vizepräsidentin Busse benannte es als eine der zentralen Herausforderungen der Stadtentwicklung, das Lärmschutzniveau trotz stärkerer Innenentwicklung zu sichern. Um diese Schwierigkeit zu bewältigen, sei aus Sicht des UBA ein Gesamtkonzept erforderlich, das besonders auch eine deutliche Verringerung der Pkw-Dichte in Städten vorsehe. So werde Platz für kompaktes Bauen und städtisches Grün geschaffen, was etwa auch das Lärmkonfliktpotenzial senke.

Tag gegen Lärm – International Noise Awareness Day

Den "Tag gegen Lärm" gibt es in Deutschland seit 1998. Er ist eine Aktion der Deutschen Gesellschaft für Akustik (DEGA). Der Tag ist jedes Jahr zeitlich mit dem "International Noise Awareness Day" abgestimmt, den das US-amerikanische Center for Hearing and Communication (CHC) 1996 initiiert hat. Ziel der Aktionstage ist die Sensibilisierung für Lärm und seine Wirkungen.

dpa/ckr