monticellllo/Fotolia

Buchrezension
Mord auf dem Campus

Im Campuskrimi "Herbarium, giftgrün" gibt es neben menschlichen Opfern auch Seitenhiebe auf die Welt der Wissenschaft. Eine Rezension.

Von Michael Braun 18.07.2021
Cover des Buches "Herbarium, giftgrün" von Gert Ueding
Gert Ueding: Herbarium, giftgrün. Roman. Kröner Verlag 2021, 24,- Euro. Kröner Verlag

Der Reiz am Campuskrimi ist, dass der Mord da passiert, wo man ihn am wenigsten erwartet, nämlich da, wo üblicherweise Forschung und Lehre blühen. Und so beginnt es damit, dass in Tübingen, einer altehrwürdigen Universitätsstadt, eine Studentin tot im Seminarraum aufgefunden worden ist. Bei einem Sponsoren-Essen, das der Präsident ausrichtet, steckt der Dekan, ein spottlustiger Hölderlinforscher, dem jungen Kunstmaler Kersting einen Kassiber der Toten zu. Mit ihrer rätselhaften Botschaft, in der von einem "Herbarium" die Rede ist, kommt der Stein ins Rollen.

Kersting tut, was Philologen nicht lassen können: Er beginnt mit Nachforschungen, einem robusten Kriminalkommissar namens Neunzig immer eine Nasenlänge voraus. Natürlich wird das brenzlig. Eine Sprachwissenschaftlerin ist das nächste Opfer, Kersting selber wird bedroht und angegriffen, Machenschaften eines Universitätsangehörigen im gehobenen Erotikmilieu fliegen auf, aber am Ende siegt, mit einem Twist, die poetische Gerechtigkeit.

Den Künstler zum Detektiv zu machen, ist ein hübscher Einfall. So stellt Ueding seinen Helden Poirot und Holmes gegenüber, die ja auch Künstler sind, wenn auch ohne Werk. Alle wollen sie Geheimnisse lüften, den Dingen auf den Grund gehen, offizielle Verfälschungen der Wirklichkeit korrigieren. Das erzählt Uedings Krimi, nicht ohne uns Seitenhiebe auf technokratische Pädagogik, hochschulpolitische Verfilzungen, Bologna-Furor, Fake Verlage und pseudowissenschaftliche Forschungsprojekte zu ersparen: etwa dass Schiller seinen Wallenstein bloß erfunden oder Goethe seinen "Urfaust" von Lenz abgeschrieben habe.

Gert Ueding, bis 2009 Nachfolger von Walter Jens auf dem renommierten Rhetoriklehrstuhl der Universität Tübingen, hat seinen Krimi anspielungsreich, garniert mit Lichtenberg-Weisheiten und einer passablen Liebesgeschichte, ins akademische Milieu verpflanzt. Und uns die Frage ans Herz gelegt, ob nicht darin auch die klassische Bildung ein Opfer ist. Ein kurioses Herbarium der Germanistik, ein spannender Debütroman, ein Lesevergnügen.