Kopf-Silhouette aus Papier mit roten Klebeband-Kreuz auf dem Mund
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wissenschaftlicher Diskurs
Neues Journal schafft Raum für Kontroversen

Im "Journal of Controversial Ideas" sollen Wissenschaftler anonym unpopuläre Ansichten äußern können. Das ist schon vor der ersten Ausgabe umstritten.

15.07.2020

In den nächsten Monaten soll die erste Ausgabe des "Journal of Controversial Ideas" erscheinen. Die neue Online-Zeitschrift nimmt seit einigen Wochen Aufsätze von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aller Disziplinen an, auch unter Pseudonym. Gesucht sind Autorinnen und Autoren, die gesellschaftlich umstrittene Themen aufgreifen – ohne Rücksicht auf ideologische, moralische oder religiöse Tabus. Wie die "FAZ" berichtete, wird das Journal selbst schon jetzt kontrovers diskutiert.

Kritikerinnen und Kritiker sähen in der Zeitschrift ein Forum für Rassismus, Sexismus und Kolonialismus, heißt es in dem Bericht. Die Möglichkeit der anonymen Veröffentlichung erzeuge Skepsis unter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, für die es vielfach zur Essenz der akademischen Streitkultur gehöre, ihre Positionen mit offenem Visier zu verfechten.

Die Herausgeber betrachteten ihr Journal hingegen als Schutzraum gegenüber Angriffen und Tabuisierung seitens akademischer Diskurswächter unter dem Deckmantel der politischen Korrektheit, schreibt die "FAZ" unter Verweis auf die Publikationsgrundsätze des Journals. Die drei Philosophen, der Princeton-Professor Peter Singer, der Oxford-Professor Jeff McMahan und Dr. Francesca Minerva von der Universität Warwick, haben demnach selbst aufgrund ihrer Ansichten Erfahrungen mit Eingriffen in die Wissenschafts- und Meinungsfreiheit gemacht. Diese reichten von Protesten und Störaktionen, über abgesagte Veranstaltungen bis hin zu Morddrohungen.

Durch die Pseudonyme wollen die Herausgeber die Verfasser nach eigenen Angaben schützen. Das gelte ausdrücklich auch für Autorinnen und Autoren aus der nicht-westlichen Welt, die in ihren Ländern Repressionen fürchten müssten. Diskussionen könnten durch anonyme Beiträge zudem leichter von der persönlichen auf die Sachebene verlagert werden. Bei den Artikeln gälten rein rationale Argumente.

Die Open-Access-Zeitschrift finanziert sich nach eigenen Angaben aus Spenden und ist für Leserinnen und Leser frei zugänglich. Für Autorinnen und Autoren ist die Veröffentlichung kostenlos, es gelten dabei die üblichen Prozesse der Begutachtung durch Fachkollegen. Wie die drei Herausgeber sind auch die 50 Mitglieder des Redaktionsbeirats dem Bericht zufolge profilierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, überwiegend aus den Geistes- und Sozialwissenschaften. Mit den beiden Rechtsprofessoren Claus Kreß und Reinhard Merkel sind auch zwei Deutsche in dem Beirat gelistet.

ckr