Mit einer Füllerspitze wurden die Worte Rechtschreibung und Grammatik in Schönschrift geschrieben.
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Rat für deutsche Rechtschreibung
Neues Rechtschreib-Regelwerk bindend

Seit Monatsbeginn gilt das neue Regelwerk zur deutschen Rechtschreibung. Es ist laut KMK für Schulen und die öffentliche Verwaltung verbindlich.

15.07.2024

Das vom Rat für deutsche Rechtschreibung aktualisierte Amtliche Regelwerk mit dem neuen Amtlichen Wörterverzeichnis ist seit dem 1. Juli verbindlich für Schulen, die öffentliche Verwaltung und für die Rechtspflege. 

Nach Zustimmung der zuständigen staatlichen Stellen im gesamten deutschsprachigen Raum sei die Anpassung nunmehr offiziell, teilte der Vorsitzende des Rats für deutsche Rechtschreibung, Dr. Josef Lange, mit: "Die Neufassungen sind auf der Webseite des Rats veröffentlicht: www.rechtschreibrat.com". 

Die Umsetzung erfolge jetzt mit Übergangsfristen, die von den staatlichen Stellen koordiniert würden. In den Schulen soll diese laut Kultusministerkonferenz (KMK) spätestens zum Schuljahr 2027/28 erfolgen. 

Diskussionspunkt "Gendern" mit Sonderzeichen 

Der Rat hat im Kontext der Neufassung des Regelwerks auch über das Thema "geschlechtergerechte Schreibung" beraten und seine Auffassung bekräftigt, dass man alle Menschen mit geschlechtergerechter Sprache ansprechen soll. Dies sei eine gesellschaftliche und gesellschaftspolitische Aufgabe, die nicht mit orthografischen Regeln und Änderungen der Rechtschreibung gelöst werden könne. 

Der Vorsitzende des Rats, Staatssekretär a. D. Dr. Josef Lange, zeigte sich vor wenigen Wochen in einem Interview mit der "Schwäbischen Zeitung" äußerst besorgt um den negativen Einfluss, den das Gendern mittels Binnen-Sonderzeichen auf die Verständlichkeit, Lesbarkeit und Grammatik habe. Aus seiner Sicht sei unter anderem auch das Problem vieler Schülerinnen und Schüler mit der Rechtschreibung auf derartige Verunsicherungen zurückzuführen. "Unsere Feststellung lautet: Wortbinnenzeichen wie Unterstkerrich, Gender-Stern, Doppelpunkt oder andere Sonderzeichen gehören nicht zum Kernbestand der deutschen Orthographie", fasst Lange die gefallene Entscheidung zusammen. Diese habe etwas zur Beruhigung der öffentlichen Diskussion beigetragen. 

"Wortbinnenzeichen wie Unterstrich, Gender-Stern, Doppelpunkt oder andere Sonderzeichen gehören nicht zum Kernbestand der deutschen Orthographie."
Josef Lange, Vorsitzende des Rats für deutsche Rechtschreibung

Was die staatlichen Stellen entschieden hätten, gelte verbindlich für Schule und Verwaltung und würde eine Einheitlichkeit herstellen. Darüber hinaus sprach sich Lange dafür aus, dass sich bestenfalls auch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und andere Medien an die Empfehlungen halten sollten, um Zusammengehörigkeit und Akzeptanz ihrer Berichterstattung zu gewährleisten. 

Entscheidung mit Exkurs über die Würde des Menschen

Entsprechend wurden seitens des Rechtschreibrats Sonderzeichen im Wortinneren wie Asterisk ("Gender-Stern"), Unterstrich ("Gender-Gap"), Doppelpunkt oder andere, die die Kennzeichnung aller Geschlechtsidentitäten vermitteln sollen, nicht in das Amtliche Regelwerk der deutschen Rechtschreibung aufgenommen, da sie nicht zum Kernbestand der deutschen Orthografie gehörten und die Verständlichkeit, Lesbarkeit, Vorlesbarkeit sowie automatische Übersetzbarkeit nachteilig beeinflussten. Sie seien derzeit nicht wissenschaftlich eindeutig zu begründen. Allerdings lägen die Vorgaben für die Bewertungspraxis in der Zuständigkeit der Schulpolitik und würden nicht dem Rat für deutsche Rechtschreibung obliegen. Ob in diesem Sinne gegebenenfalls eine "rezeptive Toleranz" als eine schulpolitische Handlungsoption zu betrachten sei, sei ebenfalls Sache der verantwortlichen staatlichen Stellen. 

Bezüglich der Praxis an den Hochschulen vermerkt der Rechtschreibrat, dass dort eine Zunahme einer geschlechtergerechten Schreibung mit Sonderzeichen im Wortinneren oder zwischen Wörtern in systematischer Abweichung von den Regelungen im Amtlichen Regelwerk zu beobachten sei. "Hochschulen und Lehrende haben auch zu beachten, dass sie für die Bildung und Ausbildung der Lehrkräfte an öffentilchen Schulen Verantwortung tragen, in denen Schülerinnen und Schülern die Rechtschreibung nach dem Amtlichen Regelwerk zu vermitteln ist", führt der Rat dazu aus. 

Der Rat für deutsche Rechtschreibung werde den gesellschaftlichen Diskurs dazu weiter beobachten, "denn geschlechtergerechte Schreibung ist aufgrund des gesellschaftlichen Wandels und der Schreibentwicklung noch im Fluss". In der Begründung für die Ablehnung der Sonderzeichen begrüßt der Rechtschreibrat explizit die Verwendung geschlechtersensibler Sprache: "Häufig werden auch Begriffe ohne geschlechtsspezifische Benennung von Personen wie Lehrpersonen, Fachkräfte, Mitglieder, Studierende oder auch Passivkonstruktionen verwendet. Diese Formulierungen, die davon ausgehen, dass das generische Maskulinum nicht auch Frauen und Personen anderen Geschlechts umfasst, sind inzwischen im deutschen Sprachraum allgemein verbreitet. Sie sind kennzeichnend für eine allen Menschen und ihrer Würde entsprechende Sprache und Schreibung, die als Ausdruck entsprechender Haltung und entsprechenden Respekts selbstverständlich sein sollte." 

Neuerungen und Aktualisierungen im Überblick: 

  • Das Stichwortinventar wurde in seinem deutschen Kernwortschatz auf die wesentlichen orthografischen Fragestellungen konzentriert wie Getrennt- und Zusammenschreibung sowie Groß- und Kleinschreibung (nichtöffentlich / nicht-öffentlich / nicht öffentlich, regenerative/Regenerative Energien). 
  • Das Wörterverzeichnis wurde umfassend aktualisiert: So wurden zahlreiche neue Fremdwörter überwiegend aus dem Englischen und anderen modernen Fremdsprachen aufgenommen (timen, mailen, whatsappen, Cappuccino, Fake News / Fakenews / Fake-News). 
  • Der Regelteil wurde durch Anpassungen und Präzisierungen von Regeln nur im unerlässlichen Maß geändert, die der Rechtschreibnorm und dem aktuellen Schreibgebrauch Rechnung tragen (Last-minute-Angebot/Last-Minute-Angebot). 
  • Neue Tendenzen des Schreibwandels wurden durch die Aufnahme von Schreibvarianten und aktuellen Anwendungsbeispielen deutlich gemacht (faken, fakte, gefakt/gefaked, aber nur: gefakte Nachrichten). 
  • Das Kapitel Zeichensetzung wurde neu systematisiert, vereinfacht und gestrafft. Dabei wurde eine Regeländerung vorgenommen. Beispielsweise werden Infinitivgruppen ("erweiterter Infinitiv") zukünftich verbindlich durch Komma abgetrennt. 

Das neue Amtliche Regelwerk ist laut Rechtschreibrat in dieser Fassung ein wissenschaftlich fundiertes, allgemeinverständliches Referenzwerk, das in allen Ländern und Regionen mit Deutsch als Amts- und Schulsprache gleichermaßen gilt. Es bilde die deutsche Standardsprache mit ihren länderspezifischen Ausprägungen in allen deutschsprachigen Ländern und Regionen ab und bringe dabei Norm und aktuellen Schreibgebrauch in Einklang.

Regelwerk und Wörterverzeichnis 

Der Rat für deutsche Rechtschreibung hat die Aufgabe, die Einheitlichkeit der Rechtschreibung im deutschen Sprachraum zu bewahren und die Rechtschreibung auf der Grundlage des orthografischen Regelwerks (Regeln und Wörterverzeichnis) im unerlässlichen Umfang weiterzuentwickeln. 

Das neue Amtliche Wörterverzeichnis wurde seit 2017 auf der Basis empirischer Schreibbeobachtung des Orthografischen Kernkorpus am Leibniz-Institut für Deutsche Sprache mit inzwischen mehr als 14 Milliarden Wortbelegen aus dem gesamten deutschen Sprachraum erarbeitet. Das Wörterverzeichnis konzentriert sich auf prototypische orthografische Zweifelsfälle und ist insofern komplementär zum Regelteil.

cva