Alphabetisierung
Neun Prozent der Deutschen finden lesen anstrengend
Die seit fünf Jahren laufende "Nationale Dekade für Alphabetisierung und Grundbildung" des Bundesbildungsministeriums (BMBF) soll die Zahl der funktionalen Analphabetinnen und Analphabeten in Deutschland dauerhaft senken. Zur Halbzeit haben das Ministerium und die Kultusministerkonferenz (KMK) nun eine repräsentative Umfrage unter rund 1.000 Menschen ab 16 Jahren veröffentlicht, die Nachholbedarf zeigt.
Demnach empfinden neun Prozent der befragten Erwachsenen Lesen als anstrengend. Ebenso viele würden unruhig, wenn sie länger als 30 Minuten läsen, und ebenfalls neun Prozent sagten, Lesen sei "vor allem etwas für gebildete Leute". Nach Einschätzung von 17 Prozent der Befragten ist Lesen heute nicht mehr so wichtig, da man alles Wichtige auf anderem Weg mitbekomme. 71 Prozent der Befragten sagten hingegen, dass "Lesen einfach zum Leben dazu" gehöre. Als Selbstverständlichkeit betrachteten Lesen der Umfrage zufolge nur die Hälfte der Deutschen. Für sie sei Lesen wie Atmen – man mache und brauche es ständig.
Leseschwäche erschwert Verständnis für Corona-Informationen
Vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie sei eine ausreichende Lesekompetenz wichtiger denn je, um relevante Informationen zu finden, zu verstehen und anzuwenden, schrieb das BMBF zur Veröffentlichung der Umfrage. 44 Prozent der Deutschen falle es jedoch schwer, offizielle staatliche Corona-Verordnungen zu verstehen. Entsprechende Informationen auf Nachrichtenseiten, in Zeitungen und im Internet seien für rund jeden Vierten schwer verständlich.
Nach bisherigem Forschungsstand ist die Zahl gering literalisierter Erwachsener in Deutschland nur langsam (um 2,4 Prozentpunkte) zurückgegangen: von 7,5 Millionen Menschen im Jahr 2011 auf 6,2 Millionen in 2018. Damit verfügen der Studie zufolge immer noch rund zwölf Prozent der Erwachsenen in Deutschland über eine niedrige Lese- und Schreibkompetenz.
In der zweiten Hälfte der "AlphaDekade" will das BMBF nach eigenen Angaben vor allem weiter auf bewährte Projekte setzen, die Menschen mit Leseschwäche am Arbeitsplatz erreichen und weiterbilden. Wie die individuelle Ansprache und die Alphabetisierung insgesamt besser gelingt, sollen parallel 14 Forschungsprojekte analysieren. Neben der Verbesserung der Lesekompetenz durch die Bildungspolitik müssten Informationen aber auch in leicht verständlicher Sprache und manche komplexen Inhalte auch als Podcast zur Verfügung gestellt werden, sagte Bildungsministerin Anja Karliczek dem "Spiegel" zufolge.
ckr