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Buchrezension
Ökologisches Wissen in der Literatur

Seit jeher beobachten Akademiker die Natur. Ihre Bewunderung und Sorgen in literarischen Werken sind für heutige Wissenschaftler hochaktuell.

Von Berbeli Wanning 15.11.2020

Was verrät uns die Literatur aus der Zeit des 18. bis 19. Jahrhunderts über unser heutiges ökologisches Bewusstsein? Wer dieser Frage nachspüren möchte, dem sei das Buch "Menschen im Weltgarten" des Göttinger Germanisten Heinrich Detering wärmstens empfohlen. Kenntnisreich vermittelt es Einblicke in eine Zeit, die den Begriff der Ökologie zunächst nicht kannte und auch kaum ahnen konnte, wie entscheidend er für das 21. Jahrhundert werden würde. So fügen sich bei der Lektüre Zeitreise und Gegenwartsdiagnose zu einer Einheit, die überrascht.

Buchcover von Heinrich Deterings "Menschen im Weltgarten"
Heinrich Detering: Menschen im Weltgarten. Die Entdeckung der Ökologie in der Literatur von Haller bis Humboldt, WallsteinVerlag 2020, 36,90 Euro.

In genauen Studien zu Haller, Brockes, Lichtenberg und Linné über Arnim und Novalis sowie Goethe bis zu Alexander von Humboldt macht der Autor sehr deutlich, dass das ökologische Wissen dieser Zeit, gespeichert in literarischen Texten, gerade in der gegenwärtigen Welt hochspezialisierter Naturwissenschaften keineswegs an Bedeutung verloren hat.

So lässt sich die Idee des "Mitseins" bereits nach 1700 in den Werken Albrecht von Hallers nachweisen, und in den folgenden Jahrzehnten wächst daraus neben den zahlreich zunehmenden Erkenntnissen über die Natur, die Pflanzen, Tiere und Menschen auch die Sorge, gespiegelt in den Schriften Carl von Linnés ebenso wie bei Alexander von Humboldt. Dazwischen liegen "ökologische Abenteuer", die von Bewunderung für die göttliche Schöpfung bis zur Furcht vor Katastrophen und dem Weltuntergang reichen.

Die Bedeutung Goethes, von dem auch der titelgebende Begriff "Weltgarten" stammt, hebt der Autor besonders hervor und stellt dabei Faust II in einen neuen, von den Environmental Humanities wissenschaftlich erforschten Kontext. Mit seiner klugen Literaturgeschichte der Ökologie gibt Detering dieser Entwicklung eine Linie, die neue Perspektiven in der breiten ökologischen Debatte schafft. Bei der Lektüre kann das Lesepublikum alles fortlaufend lesen oder bei den einzelnen Kapiteln verweilen und sich mit den jeweiligen Dichtern intensiver beschäftigen.

Wem der weibliche Blick hierbei fehlt: Der ökologischen Dichtung der Annette von Droste-Hülshoff widmet Detering einen eigenen Band. Wer also erkunden möchte, was Mondlicht, Luftfeuchtigkeit und das Heulen der Brüllaffen im Innersten zusammenhält, sollte dieses Buch zur Hand nehmen. Es lohnt sich.