Ein aufgeschlagenes Buch
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Rezension
Orient und Okzident

Mathias Énard erzählt von einem Musikwissenschaftler und seinen Forschungen im Orient. Er führt damit zugleich durch die dortige Kulturgeschichte.

Von Ina Lohaus Ausgabe 2/17

In einer schlaflosen Nacht nach einer niederschmetternden Diagnose seines Arztes taucht der Musikwissenschaftler Franz Ritter in Erinnerungen ein, die ihn zu seinen Forschungen in den Orient führen und vor allem zu seiner großen aber unerfüllten Liebe Sarah, die sich als Literaturwissenschaftlerin ebenso wie er dem Orient verschrieben hat.

Beide sind Wissenschaftler mit Leib und Seele, die auf ihren Forschungsreisen nach Instanbul, Teheran, Aleppo oder Palmyra immer wieder zusammentreffen und im regen geistigen Austausch stehen. In diesem Roman lässt der französische Schriftsteller Mathias Énard den immerfort Suchenden und von Selbstzweifeln durchdrungenen Franz Ritter mit einem wahren Füllhorn an Detailwissen durch die Kulturgeschichte des Orients mäandern, wo unter anderem auch Archäologen, Ethnologen oder Politologen den Verflechtungen von Orient und Okzident nachgegangen sind.

Im Rückblick auf sein Leben erzählt Ritter von diesen wechselseitigen Beziehungen, wie sich Morgenland und Abendland in Musik, Literatur oder Kunst gegenseitig beeinflusst haben. Vor dem Hintergrund des Desasters in Syrien, wo Geschosse die Pinsel der Archäologen abgelöst haben, ist der Roman von besonderer Aktualität.

2015 hat Énard für diesen Roman den Prix Goncourt erhalten und wird im März dieses Jahres bei der Eröffnung der Leipziger Buchmesse mit dem Leipziger Buchpreis für europäische Verständigung ausgezeichnet.