monticellllo/Fotolia

Buchrezension
Philosophie aus weiblicher Sicht

Die Universität Oxford war noch ein Ort männlicher Gelehrsamkeit, als vier Philosophinnen dort an Einfluss gewannen. Ein Buch erzählt ihre Geschichte.

Von Ina Lohaus 26.06.2022

"Praktisch alle großen europäischen Philosophen waren Junggesellen", hatte die Philosophin Mary Midgley 1953 geschrieben. Die Philosophie wieder ins Leben zurückzubringen und sie in den Kontext der Wirklichkeit des alltäglichen Lebens zu stellen, war das Anliegen Mary Midgleys und ihrer drei Freundinnen Elizabeth Anscombe, Philippa Foot und Iris Murdoch, deren Geschichte im vorliegenden Buch erzählt wird. Sie hatten während des Zweiten Weltkriegs an der Universität Oxford Philosophie studiert, zu einer Zeit, als die männlichen Professoren und Studenten zum Krieg eingezogen waren. Aus Briefen, Tagebüchern, Fotos, Notizbüchern und vor allem im regelmäßigen Austausch mit Mary Midgley, die sie noch häufig im Seniorenheim besuchen konnten, rekonstruieren die Autorinnen des Buches, selbst Philosophinnen an den Universitäten Durham und Liverpool, wie die vier Frauen in die männliche Domäne vorgedrungen sind und sich einen Namen als Philosophinnen gemacht haben.

Cover des Buches von Clare Mac Cumhaill und Rachael Wiseman: The Quartet. Wie vier Frauen die Philosophie zurück ins Leben brachten.
Clare Mac Cumhaill / Rachael Wiseman: The Quartet. Wie vier Frauen die Philosophie zurück ins Leben brachten. C.H. Beck Verlag 2022, 26,95 Euro. C.H. Beck Verlag

Dass die Dozenten angesichts erfolgreicher Frauen an der Universität Oxford, ein Ort "männlicher Gelehrsamkeit", zuweilen um ihren Einfluss fürchteten, zeigen die Autorinnen gleich in einem Prolog, den sie ihrem Buch vorangestellt haben. Darin schildern sie anschaulich die Ereignisse am 1. Mai 1956 bei der Abstimmung über die geplante Verleihung der Ehrendoktorwürde der Universität Oxford an den ehemaligen US-Präsidenten Harry S. Truman. Die versammelten männlichen Gelehrten, die die Ehrung befürwortet hätten, hätten befürchtet, dass "die Frauen in der Versammlung irgendetwas im Schilde" führten, so dass sie entschlossen gewesen wären, sie "niederzustimmen". Nach der Rede von Elizabeth Anscombe, in der sie sich vehement gegen die Verleihung der Ehrendoktorwürde an Truman ausgesprochen hätte, da er mit seiner Unterschrift den Abwurf der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki angeordnet hätte, wäre die befürchtete Abstimmungsniederlage jedoch ausgeblieben. Auch wenn Elizabeth Anscombe sich in dieser Versammlung nicht habe durchsetzen können, so sei ihr Weg in der Philosophie sehr erfolgreich gewesen. Sie sei bis 1970 an der Universität Oxford geblieben und habe dann einen Lehrstuhl an der Universität Cambridge übernommen, den vormals Ludwig Wittgenstein innegehabt habe.

Auch die drei anderen Frauen seien als Philosophinnen in Hochschule und Literatur anerkannt gewesen. Gemeinsam sei es ihnen darum gegangen, nach dem Krieg einen Weg zurück zu "moralischen Wahrheiten, objektiven Werten und einer Ethik zu finden, die sich mit den wirklich wichtigen Dingen befasste". Lebendig erzählen die Autorinnen, wie die vier Freundinnen ihre eigenen philosophischen Standpunkte in der Auseinandersetzung mit den vorherrschenden Lehrmeinungen der damaligen Zeit entwickelten. So entsteht ein detailreiches (und mit einem umfangreichen Fußnotenapparat versehenes) Bild nicht nur von ihrer "weiblichen Philosophie", sondern auch von den unterschiedlichen philosophischen Strömungen der Zeit – und nicht zuletzt auch vom Leben auf dem Campus der Universität Oxford.