Schere zerschneidet Sprechblase
mauritius images/Ikon Images/Gary Waters

Thüringen
Professoren sorgen sich um Freiheit der Wissenschaft

Professoren der Universität Jena warnen vor einer Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit. Immer häufiger würden sie bedrängt.

19.02.2020

Bei der Auseinandersetzung mit strittigen Positionen an Hochschulen sehen Jenaer Professoren zunehmend die Freiheit der Wissenschaft bedroht. "Ich sehe die Gefahr am Horizont, dass es zu einer Einengung kommt", sagte Universitätspräsident Professor Walter Rosenthal der Deutschen Presse-Agentur. Aus seiner Sicht dürfe es kein Verbot einer Auseinandersetzung mit bestimmten Positionen oder Personen geben. Das werde sonst zu einem Problem für die Freiheit der Wissenschaft. "Mit dieser Entwicklung müssen wir uns kritisch auseinandersetzen", so Rosenthal.

Nach Ansicht des emeritierten Philosophen Professor Klaus-Michael Kodalle und Professor Nikolaus Knoepffler, Leiter des Ethik-Zentrums der Universität Jena, häufen sich in Deutschland Vorfälle, bei denen versucht wird, Wissenschaftler an Vorträgen zu hindern oder sie einzuschüchtern. Das sei nicht nur bei Vorlesungen des AfD-Mitbegründers Bernd Lucke an der Universität Hamburg voriges Jahr der Fall gewesen. Auch andernorts werde an Hochschulen gegen Personen mobil gemacht.

"An den deutschen Universitäten – natürlich vor allem an denen in den Metropolen – herrscht eine Art geistiger Bürgerkrieg in der Frage, welche politischen Meinungen zulässig sein sollen und welche nicht", stellt Kodalle fest. Die Universitätsleitungen seien gefordert, sich in Konfliktfällen entschieden vor ihre Wissenschaftler zu stellen und gegen Störungen oder Einschüchterungsversuche vorzugehen, meint Kodalle. Gerade an Hochschulen müsse es möglich sein, sich auch mit kontroversen Meinungen und Vorstellungen zu befassen, so Knoepffler.

Professoren bundesweit zufrieden mit Wissenschaftsfreiheit

An Thüringens größter Hochschule in Jena ist das Thema präsent. "Es gibt inzwischen eine Gesinnungsethik, die die Gesinnung vor die Wissenschaft stellt", warnt der Jenaer Soziologe Professor Klaus Dörre. Es habe Versuche gegeben, Lehrenden sprachliche Vorschriften zu machen, welche Begriffe verwendet werden dürfen und welche nicht. "Es gibt viele Kollegen, die solche Erfahrungen machen. Das hat eindeutig zugenommen", sagt Dörre. Das komme aber nicht nur von politisch Linken, sondern in weit größerem Ausmaß auch von rechts.

Einer bundesweiten Umfrage unter Professorinnen und Professoren zufolge, sehen die meisten Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer keine Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit. 93 Prozent der Befragten waren der Ansicht, in Deutschland gebe es "sehr viel" oder "viel" Wissenschaftsfreiheit.

Der Deutsche Hochschulverband (DHV) hatte vergangenes Jahr in einer Resolution angemahnt, widersprechende Meinungen an Hochschulen zu respektieren und auszuhalten. Differenzen seien im argumentativen Streit auszutragen – "nicht mit Boykott, Bashing, Mobbing oder gar Gewalt." Universitäten müssten auch "unbequemen, unliebsamen Meinungen" ein Forum bieten.

dpa/ckr