Fassade des Gebäudes der Sigma Alpha Epsilon Fraternity auf dem Campus der Northwestern University.
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USA
Proteste gegen Studierenden-Verbindungen

Tödliche Unfälle, Alkohol und sexuelle Belästigung: In den USA kritisieren Studierende das System der Studierendenvereinigungen und protestieren.

13.10.2021

Universitäten in den Vereinigten Staaten erleben in diesem Herbst verstärkt Proteste von Studierenden: Die Protestierenden kritisieren die Kultur der Studierendenverbindungen (Fraternities), in denen es immer wieder Vorfälle von Alkoholmissbrauch gebe, durch die Menschen zu Schaden kommen. Auch Vergewaltigungen und sexuellen Missbrauch bringen die Demonstranten in Verbindung mit Feiern der Vereinigungen. Die Protestierenden fordern nicht nur eine Reform der Studierendenverbindungen, sondern ihre Schließung.

An knapp 20 Universitäten und Colleges haben Studierendenproteste stattgefunden, wie der "Chronicle of Higher Education" berichtete. Darunter seien auch große Universitäten mit einflussreichen Verbindungen wie die Northwestern University, University of Iowa, University of Massachusetts Amherst, University of Nebraska, University of Kansas, University of Mississippi und die Syracuse University. Teilweise seien die Proteste gewalttätig geworden, wie etwa an der University of Massachusetts, bei der ein Haus der Theta Chi Verbindung gestürmt worden sei, nachdem Ende September das Gerücht einer Vergewaltigung in sozialen Medien in den Umlauf kam, wie die "New York Times" berichtete.

Proteste gegen studentische Verbindungen sind laut Medienberichten keine neue Erscheinung. Es sei viel eher ein Kreislauf von Protesten und Beschwichtigungen, der sich etwa nach Sexualverbrechen im Umfeld der Vereinigungen wiederhole. Die US-amerikanischen Hochschulleitungen beobachteten das Fehlverhalten der Verbindungen bereits seit Längerem kritisch.

Wie die Pandemie die Situation beeinflusst

Auch die Vereinigungen selbst bemühten sich, Maßnahmen gegen den unkontrollierten Alkoholmissbrauch durchzusetzen und sexuelle Belästigung zu unterbinden. Judson Horras, Präsident der North American Interfraternity Conference, der größten Vereinigung von Studierendenverbindungen, berichtet, dass Mitglieder einen Workshop zu sexuellem Fehlverhalten absolvieren müssten. Seit Herbst 2019 sei der Konsum von hochprozentigem Alkohol bei sogenannten "Fraternitypartys" verboten. Außerdem hätten die betroffenen Verbindungen der sexuellen Belästigung schuldige Mitglieder ausgeschlossen. Hinter den Vergewaltigungsvorwürfen stehe aber ein Problem, das über die Verbindungen hinausginge, so Horras.

Dass es aktuell zu vermehrten Protesten kommt, wird zum einen damit erklärt, dass auch in den Vereinigten Staaten von Amerika der Universitätsbetrieb wieder verstärkt in Präsenz geschieht: Studierende seien zurück auf dem Campus ihrer jeweiligen Hochschule. Allgemein werde in den USA durch die Pandemie mehr Alkohol konsumiert. Auch der Alkoholkonsum der Studierendenverbindungen sei angestiegen, wie ein White-Paper von Verbindungs-Experten besagt. Es fänden weniger große und kontrollierbare Feiern statt, sich getroffen und getrunken würde stattdessen bei kleineren Zusammenkünften. Die für die Verbindungen typischen Initiationsriten haben sich ebenfalls verändert, so die Experten: Es ginge weniger darum, ein Gemeinschaftsgefühl aufzubauen und mehr um die soziale Dominanz der bereits Initiierten im Vergleich zu den noch nicht Aufgenommenen.

Die Studierenden, die in den letzte 18 Monaten die Pandemie erlebt haben, seien allerdings auch deutlich politisch kritischer als in früheren Jahren, heißt es in den Berichten mit Blick auf die Protestierenden. Sie seien inspiriert durch Kampagnen wie #metoo und die Black-Lives-Matter-Bewegung und wollten das Campusleben verändern, schreibt die New York Times.

cpy