Ein aufgeschlagenes Buch
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Rezension
Rechtschreibung: Duden in neuer Fassung

145.000 Wörter umfasst der neue Rechtschreibduden. Das zeugt vom riesigen Wortschatz des Deutschen.

Von Roland Kaehlbrandt Ausgabe 12/17

Ist es eigentlich wichtig, dass eine Sprache viele Wörter zählt? Vieles lässt sich doch im Satzzusammenhang klären. Ob mit dem Schloss ein Türschloss oder ein Schloss wie das Hambacher Schloss gemeint ist, ergibt sich mühelos aus dem Kontext; wir brauchen nicht zwei verschiedene Wörter dazu. Und wenn wir sagen, dass wir vom Apfel kosten oder dass der Apfel etwas kostet, verstehen wir die verschiedenen Bedeutungen des Verbs kosten problemlos aus dem Zusammenhang. Brauchen wir also als intelligente Wesen viele Wörter?

Nun, wir kommen gewiss auch mit wenigen aus. Insgesamt reichen uns ohnehin etwa 15.000 Wörter aktiv und 50.000 Wörter passiv. Aber ist es nicht auch nützlich, über sehr feine sprachliche Unterscheidungen zu verfügen, die wir nicht erst aus dem Kontext erschließen müssen, oder für die wir nicht extra einen Kontext bauen müssen?

Im Deutschen haben wir durchaus sprachökonomische Möglichkeiten – eben solche wie die oben genannten Beispiele kosten, ein sogenanntes Homonym, oder Schloss, ein sogenanntes Polysem. Aber zusätzlich bietet uns das Deutsche einen riesigen, hoch differenzierten Wortschatz.

Der neue Duden, die 27. Ausgabe seit 1880, enthält den aktuellen Allgemeinwortschatz mit 145.000 Wörtern, davon 5.000 neue Wörter allein seit der letzten Auflage 2013. Dazu zählen altbekannte wie der gemütliche Tüddelkram, aber auch neue wie Willkommenskultur, Wutbürger oder Kopfkino. Diese drei zeigen uns beispielhaft, wie ein großer Wortschatz wie der deutsche zustande kommt: nämlich durch Kombination bestehender Wörter zu einem neuen mit eigenständiger Bedeutung.

Wie produktiv Kombination – und Ableitung – im Deutschen sind, zeigt eine aktuelle Zahl: Die Duden-Redaktion verrät, dass ihr Korpus nach neustem Stand 23 Millionen Wörter umfasst! Beruhigend, dass wir diese Millionen nicht alle lernen müssen, denn viele sind nur Gelegenheitserfindungen. Aber wie nützlich, dass wir viele Nuancen so leicht bilden können; zum Beispiel die im Alltagsleben verwendbare Unterscheidung zwischen schämen und fremdschämen: ein präzises Verb, das übrigens gerade einmal acht Jahre alt ist.

Dudenredaktion (Hg.): Duden. Die deutsche Rechtschreibung. 27., völlig neu bearbeitete und erweiterte Auflage, Dudenverlag, Berlin 2017, 26,- Euro.